So lebt Kirche im Dorf

10. September 2019

Bockenem. Katharina Henking war begeistert. Während ihrer einwöchigen Visitation in Bockenem hatte sie ja schon etliche interessante Eindrücke gesammelt: den Kulturladen und den Bundesverband der Organtransplantierten kennengelernt, das Seniorenheim besucht, mit Bürgermeister Rainer Block und Schulleiter Sven Telake gesprochen und an einer Kirchenvorstandssitzung teilgenommen. Ein „gesungener Gemeindebericht“ war aber für die Superintendentin dann doch eine völlig neue Erfahrung. Entsprechend begeistert fiel ihre Reaktion in der Königsdahlumer St.-Johannis-Kirche aus, als ein Chor aus 20 Frauen und Männern zu der Melodie von Lilli Marleen das Leben in der Gemeinde musikalisch in Szene setzten: „Bravo. Ganz toll. So lebt Kirche im Dorf“, sagte Henking und bedankte sich bei der Initiative „Fünf nach Sechs“.

Dieser Name ist Programm. Wenn freitags um 18 Uhr die Glocken in Königsdahlum läuten, ist das der Auftakt für eine mittlerweile schon zur Tradition gewordenen Verabredung in der Kirche. Fünf Minuten später leuchten die Altarkerzen, eine kleine Andacht kann beginnen. „Fünf nach Sechs hat sich zu einem akzeptierten gottesdienstlichen Angebot und zu einem der wenigen öffentlichen Treffpunkte in unserem kleinen Dorf entwickelt“, sagt Ulrich Gräbig, der seit dem Start vor zehn Jahren dabei ist. 

„Wie viel Gottesdienst braucht der Mensch?“, fragte sich damals der Kirchenvorstand und kam zu dem Entschluss, dass einmal im Monat jedenfalls zu wenig sei. Schnell formierte sich ein fester Stamm von Ehrenamtlichen, die jeden Freitag um Punkt 18.05 Uhr für rund 20 Minuten ein kleines Andachtsangebot in der Kirche vorhalten: „Das ist keine Konkurrenz zum Sonntagsgottesdienst, sondern eine Ergänzung“, sagt Gräbig.

Sehr zur Freude von Katharina Henking. Als „Begleiterin durch die Zeit“ besuchte sie Königsdahlum nach sechs Jahren nun zum zweiten Mal und war von dem niederschwelligen Angebot erneut angetan: „Ich bin beeindruckt, dass Sie durchhalten“, freute sich die Superintendentin. Gab es bei ihrem ersten Besuch noch ein Salzfässchen, das beim Ehepaar Henking daheim in Alfeld einen festen Platz  auf dem Küchentisch gefunden hat, so gab es dieses Mal ein Glas Honig als Gastgeschenk: „Der leckere Honig wird bald verspeist sein, das Salzfässchen erinnert uns aber daran, dass wir als christliche Gemeinde das Salz der Erde sind. Beauftragt, das Evangelium unter den Leuten auszustreuen“, sagte die Superintendentin.

Zum Abschluss der Besuchswoche stand am Sonntag ein Visitationsgottesdienst in der Bockenemer St. Pankratiuskirche  auf dem Programm. Das Kirchengesetz schreibe zwar alle sechs Jahre eine Visitation in den Gemeinden vor. Wichtiger als die aufsichtsrechtliche Pflicht sei aber die Begegnung mit den Menschen vor Ort, sagte Katharina Henking. Wie gehen die Gemeindeglieder miteinander um, wie steht es um Wertschätzung, Wahrnehmung und den Wegen in die Zukunft? Es seien diese Fragen, auf die sie in Königsdahlum und Bockenem durchweg positive Antworten erhalten habe.

Zwar könne auch eine Superintendentin angesichts rückläufiger Mitgliederzahlen den gesellschaftlichen Veränderungsprozess und dessen Tempo nicht schönreden. Kirche lebe aber nicht von der Statistik, sondern vom Auftrag: „Ich habe Menschen erlebt, die ihre Kirche lieb haben. Für diese Menschen zählt das Gelingen“, lautete das Fazit von Katharina Henking.

Bericht: Peter Rütters