Freitags 5nach6 - Hoffnung für Kids – die Sintflut_Tradition

18. Februar 2022

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Für mich gehört die Zeitungslektüre nach dem Aufstehen und beim Frühstück einfach zum Start in den Tag. Wobei die Zeitungslektüre an manchen Tagen schon zum Horrortrip werden und mir den Start in den Tag verdunkeln und trüben kann. Corona, Kriegsgefahr, Inflation, Gefährdung der Demokratie durch Extremisten – und immer wieder die Bedrohung durch den Klimawandel. Und dann halte ich uns am letzten Freitag den Klimawandel auch noch zum Ausklang des Tages bei 5nach6 vor Augen.

Ja, wir hätten beim letzten Mal noch gut singen können das Abendlied von Matthias Claudius „Der Mond ist aufgegangen“ … Darin heißt es u.a. (Strophe 4 und 7):

Wir stolzen Menschenkinder
sind eitel arme Sünder
und wissen gar nicht viel;
wir spinnen Luftgespinste
und suchen viele Künste
und kommen weiter von dem Ziel.

So legt euch denn ihr Brüder
in Gottes Namen nieder.
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen
und lass uns ruhig schlafen
und unsern kranken Nachbarn auch
.

 

Wir Menschenkinder sind Sünder und laufen Gefahr von Gott mit Strafen belegt zu werden, denn so ist Gott – wie ein Richter, der Verfehlungen bestraft.

Zwischenbemerkung: So ist Gott … Ich denke, wir sollten mit solchen Sätzen sehr vorsichtig sein. Sie kommen als unumstößliche Erkenntnis und Wahrheit daher – und sind letztlich nichts anderes als unsere eigenen Vorstellungen. Es gilt, dass Gott „höher ist denn alle Vernunft, …“ (Phil 4,7), also immer noch ganz anders.

Ist also der Klimawandel, über den wir beim letzten Mal nachgedacht haben, vielleicht eine Strafe Gottes für die Zerstörungen, die wir an seiner Schöpfung anrichten?

Woher kommen solche Fragen? Sie kommen daher, weil wir als Menschen über Vergangenheit und Zukunft nachdenken können – und weil wir nach Erklärungen suchen für das, was uns widerfährt; weil wir nach Antworten suchen auf die Fragen, die uns umtreiben. Und immer, wenn wir keine Erklärungen finden, keine Antworten erhalten, bringen wir Gott ins Spiel.

Als im Juli letzten Jahres im Ahrtal Häuser weggerissen, Dörfer und Straßen zerstört wurden, viele Menschen starben, tauchte auch die Frage auf: Warum? Verschwörungstheoretiker mutmaßten, ob die Katastrophe eine von Gott herbeigeführte Sintflut sei.

Wasser und Gott, das wird gern zusammengebracht. Kein Wunder! Wir wissen, dass Wasser das lebensspendende und höchst lebensbedrohliche Element zugleich ist.

Viele Norddeutsche kennen vielleicht noch die Ballade „Trutz, blanke Hans“ von Detlev von Liliencron (1844 – 1909): Sie handelt vom Untergang der auf einer Nordseehallig gelegenen Stadt Rungholt. Diese Stadt gab es tatsächlich und sie soll außerordentlich wohlhabend gewesen sein. Im 14. Jahrhundert wurde sie von einer Sturmflut überrannt, in die Tiefe gerissen und vom Meer verschluckt. Der „blanke Hans" ist das personifizierte Meer und „Trutz" der Wille der Küsten- und Inselbewohner, seinen Gewalten zu trotzen.

Trutz, Blanke Hans

Heut bin ich über Rungholt gefahren,
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Noch schlagen die Wellen da wild und empört,
Wie damals, als sie die Marschen zerstört.
Die Maschine des Dampfers schütterte, stöhnte,
Aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte:
Trutz, Blanke Hans.

Und überall Friede, im Meer, in den Landen.
Plötzlich wie Ruf eines Raubtiers in Banden:
Das Scheusal wälzte sich, atmete tief,
Und schloss die Augen wieder und schlief.
Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen
Kommen wie rasende Rosse geflogen.
Trutz, Blanke Hans.

 

Ein einziger Schrei - die Stadt ist versunken,
Und Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
Schwamm andern Tags der stumme Fisch. -
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Trutz, Blanke Hans?

 

Flutlegenden wollen – wie alle großen Erzählungen – einschneidende Erfahrungen und Erkenntnisse in der Erinnerung der Gesellschaft wachhalten, um daraus zu lernen. Deshalb wollen sie auch Fragen beantworten: Woher kommt der Regen? Warum ist manchmal zu viel und manchmal zu wenig davon da? Flutlegenden kommen daher in vielen Kulturen vor: z.B. die mesopotamischen Hochwassergeschichten. Der Hinduismus und die chinesische Sagenwelt kennen sie ebenso wie die griechische und die nordische . Die mesopotamische Flutlegende ist es, die die uns vertrauteste Flutlegende maßgeblich beeinflusst hat: die große Erzählung von der Sintflut (1Mos 6,5– 9,17).

Die Sintflut-Erzählung zeichnet zunächst ein sehr menschliches Bild von Gott.

Gott sieht, wie die Menschen mit sich selbst, miteinander und mit seiner Schöpfung insgesamt umgehen. Es ist schlicht böse, verdorben und voller Gewalt. Das betrübt Gott, denn die Menschen liegen ihm am Herzen.

Aus der Betrübnis Gottes wird wilde Wut, aus wilder Wut wird Zerstörungswille. Er will einfach nur vernichten, was so verdorben ist.

Aus dem blindwütigen Zerstörungswillen wird dann ein kalkulierter Zorn. Gott schaut genau hin: Noah ist gerecht. Er soll die Arche bauen und darin mit seiner Familie überleben, zusammen mit Paaren von Tieren. Bei Licht besehen, steckt in dieser Zerstörungswut etwas von Neuschöpfung. Die Sintflut ist Vernichtung und Reset zugleich.

Danach schickt Gott die zerstörerische Flut.

Schließlich lässt Gott das Wasser weichen und Noah verlässt auf sein Geheiß die Arche.

Er baut einen Altar und stellt mit einem Opfer von sich aus eine Verbindung zu Gott her.

Gott lernt und ist gnädig. Er erkennt, dass in seinem Geschöpf, dem Menschen, von Grund auf auch die Möglichkeit zum Bösen angelegt ist. Gott hat den Menschen nicht als Marionette geschaffen, deren Fäden er in der Hand hält. Der Mensch hat also die Möglichkeit, sich zu entscheiden zwischen Gut und Böse. 

Gott gibt aus dieser Einsicht heraus ein Versprechen. Nie wieder will er seine Schöpfung mit so einem Zerstörungswerk bestrafen.

Der Regenbogen, diese einzigartige Verbindung zwischen Himmel und Erde, wird zum Zeichen des ewigen Bundes zwischen Gott und Mensch.

Vorhin habe ich gesagt: Flutlegenden wollen – wie alle großen Erzählungen – einschneidende Erfahrungen und Erkenntnisse in der Erinnerung der Gesellschaft wachhalten, um daraus zu lernen. Besonders gut lernen wir mit Zeichen und Symbolen. So haben sich aus der Sintflut-Erzählung eine Reihe von Symbolen über die Zeiten gehalten (vgl. H.Zirker u.a., Zugänge zu biblischen Texten – Altes Testament, Düsseldorf, 1981, S.48):

Wasser als Symbol für Chaos und Zerstörung, aber auch als Symbol für Reinheit und Leben. Wir bewahren dieses Symbol z.B. in der Taufe.

Die Taube, die den Olivenzweig von ihrem Flug zurückbringt. Das zeigt: Die Schöpfung ist befriedet, Friede herrscht, Leben ist möglich. Wir kennen die Friedenstaube.

Der Regenbogen, die Verbindung, der Bund zwischen Gott und Mensch. Gott will das Leben in seiner Vielfalt bewahren. So wollen im Zeichen des Regenbogens sich auch heute Menschen für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen.

In einer Handreichung für Lehrkräfte ist zu lesen: Dem Kind sollte der Eindruck vermittelt werden, dass Gott der Herr über Leben und Tod ist. Es sollte aber nicht in Angst vor Gott leben: Gottes Barmherzigkeit gibt dem Menschen immer Hoffnung … Wenn man mit Gott geht und … nicht gegen Gott rebelliert, darf man immer mit dem Wohlgefallen Gottes rechnen. … Wir sind alle Teil seiner Schöpfung, die er gut geschaffen hat. Gott verspricht die Aufrechterhaltung seiner Schöpfung. Er wird sein Wort sicher halten. Wir können sie aber selbst zerstören. (H.Zirker, ebd.)

Gebet: Gott gab uns Atem (EG 432 bearbeitet)

Gott, du gabst uns Atem, damit wir leben.

Du gabst uns Augen, dass wir einander sehn.

Du hast uns diese Erde gegeben,

dass wir auf ihr die Zeit bestehn. …

 

Gott, du gabst uns Ohren, damit wir hören.

Du gabst uns Worte, dass wir verstehn.

Du willst nicht diese Erde zerstören.

Du schufst sie gut, du schufst sie schön. …

 

Gott, du gabst uns Hände, damit wir handeln.

Du gabst uns Füße, dass wir fest stehn.

Du willst mit uns die Erde verwandeln.

Wir können neu ins Leben gehn. …