389_5nach6_26.07.24_In Ängsten und wir leben Ps 111
Quelle: J.Kegler u.a., Kursbuch Bibel, Stuttgart, 2009, S.126f, Zitate kursiv
Egal, ob bei der morgendlichen Zeitungslektüre oder der abendlichen Tagesschau - ein Satz passt immer: „Wir leben in finsteren Zeiten!“ Ich erspare uns jetzt die bedrückende Aufzählung all dessen, was die Gegenwart bis weit in die Zukunft hinein verdunkelt.
Und dann lese ich in der Zeitung vom vergangenen Samstag das Wort zum Sonntag zum Bibelwort „Wandelt als Kinder des Lichts!“ Was für ein Kontrastprogramm!
Aber gleich wieder der verzagende, zweifelnde Gedanke: „Wie kann das gehen in finsteren Zeiten?“ Das Bibelwort ist doch gerichtet an Menschen in einer ganz anderen Zeit, in einer ganz anderen Weltgegend!
Ich zeichne mal meinen Weg der Auseinandersetzung mit dem Vers nach.
Also erst einmal seinen Hintergrund klären. In einer Bibelkunde sollte ich nachlesen.
„Wandelt als Kinder des Lichts!“ Das steht im Epheser-Brief Kapitel 5 Vers 8b.
Paulus – oder wie viele vermuten: ein Mitarbeiter von ihm – wendet sich mit diesem Brief (etwa um 90 n.Chr.) an die junge christliche Gemeinde in Ephesus.
Ach, junge Gemeinde? Dann sind das mit Sicherheit nicht viele gewesen, die sich aktiv zu dieser Gemeinde gehalten haben. Das passt ja durchaus zu uns!
Weiter in der Bibelkunde: Ephesus war in der Antike eine Weltstadt an der Mittelmeerküste auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Hier begegneten sich Menschen aus aller Welt. Unterschiedliche Kulturen trafen aufeinander.
Der Atlas zeigt: Ephesus liegt in der Nähe von Izmir (Westtürkei). Es ist heute noch als Ruinenstadt z.T. erhalten Da, wo heute Menschen aus aller Welt und aus unterschiedlichen Kulturen (!) Urlaub machen! Gar nicht so ein riesiger Unterschied zu damals!
Was können wir noch wissen über diesen Brief und seinen Hintergrund?
Der Schreiber weiß, dass die christlichen Familien verunsichert sind. Sie leben mitten unter Römern (ah, das gehörte damals ja alles zum römischen Weltreich!), die einen anderen Glauben haben.
Wie heute. In Ephesus, der bedeutenden Hafenstadt, kamen Menschen zusammen, die die unterschiedlichsten Religionen mitbrachten. Oder die an gar nichts glaubten, sondern ihr Leben „einfach so“ lebten … Multi-kulti, schon damals. Ähnlich wie heute! Sollte der Epheserbrief aktueller sein, als der Unterschied von rund 2000 Jahren vermuten lässt?
Was schreiben die Bibelkundler weiter über den Epheserbrief?
Die Gemeindeglieder leben in einer Gemeinde, in der jeder seinen eigenen Weg im Glauben gehen will.
Aha, also durchaus nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen! Auch damals schon Diskussionen um den Weg zum richtigen und gelingenden Leben. Ich werde immer neugieriger und lese weiter.
Glauben aber braucht Gemeinschaft … Wie kann das geschehen, wenn jeder glaubt, nur sein Weg sei richtig?
(Christliche) Gemeinschaft entsteht durch das Handeln Gottes. Er hat sich allen Menschen zugewandt. Seine Liebe will uns zu Geschwistern machen. Er hat uns durch Jesus Christus frei gemacht, indem er uns unsere Verfehlungen vergeben hat. Aus Gnade sind wir erlöst. Er hat die Mauer der Feindschaft zwischen Gott und Mensch eingerissen … Wir sind im Glauben an Jesus Christus miteinander verbunden … Der Glaube macht aus ungleichen Menschen Geschwister.
Hm. Eigentlich ein sehr moderner Gedanke! Diversität. Einheit in Vielheit. Auf einer gemeinsamen Grundlage kann man den anderen in seinem anderen Denken, Handeln und Leben akzeptieren und Gemeinschaft bilden. Wie in unserem Kirchenvorstand. Wie in der 5nach6-Gruppe. Wie in unserer Gemeinde.
In den folgenden Zeilen wird es noch deutlicher:
Glaube schenkt den Glaubenden Einheit. Sie sind wie ein Körper (mit unterschiedlichen Gliedern!), haben einen Geist (wie in unserer Liturgie: der Hl. Geist, in dem Gott uns nahe bleibt), eine Hoffnung (klar, ewiges Leben in der liebenden Geborgenheit Gottes) … Die Glaubenden sind getauft mit der einen Taufe und glauben an einen Gott, den Vater aller Menschen.
Als Christ leben bedeutet dann z.B., Gott nachzueifern; zu lieben, wie er liebt; sein Leben bewusst zu gestalten und nicht … Süchten und Abhängigkeiten zu verfallen. Der Schreiber (des Epheserbriefes) beschreibt den christlichen Lebensstil mit einem Bild: Ein Christ soll im Licht leben, Licht im Dunkel sein – soll tun, was das Leben fördert, nicht zerstört.
Na, da ist ja aus einer reinen Information über den Epheserbrief schon eine kleine Predigt geworden. Kein Wunder. So ist der Epheserbrief wohl auch gemeint.
Schlusswort aus der Bibelkunde: Nach dem Willen Gottes als Christ zu leben, das hat Auswirkungen auf den Alltag, auf das tägliche Miteinander.
Jawoll! Das klingt gut. Aber was heißt das nun für mich im Juli 2024 in Königsdahlum? Was heißt das für mich in meinem Alltag? In meiner ohnmächtigen Verzweiflung, die mich bei der morgendlichen Zeitungslektüre oder abends bei der Tagesschau umfängt?
Ich weiß jetzt einiges über den Epheserbrief. Ich weiß jetzt, dass die Christen in Ephesus Vergleichbares erlebten. Vergleichbares, aber doch eben nicht Gleiches.
„Wandelt als Kinder des Lichts!“ Das muss stärker in meine Lebenswirklichkeit hinein.
Als Religionslehrer habe ich gelernt, wie man sich über die Hintergründe eines Bibeltextes informiert. Das habe ich gemacht. Aber wie nun weiter?
Als Deutschlehrer weiß ich, dass man genau auf einzelne Worte achten soll. Also dann!
Wandeln – das ist wie „wandern“, also nicht still stehen, sondern in Bewegung bleiben. Wir sprechen ja auch vom Lebensweg und nicht vom Lebensparkplatz. Wobei es natürlich auch auf dem Lebensweg die Raststätten zur Erholung, zum Innehalten braucht, wo man sich (und andere) nach Orientierung fragt, nach dem Woher und dem Wohin.
Als Deutschlehrer schaut man natürlich noch mal in den Duden. Und siehe da – „wandeln“ meint also nicht ein strammes, zielstrebiges Wandern, sondern mehr ein Hin- und Her – Gehen, eine Bewegung, die das Umschauen, das Suchen, das Hinschauen kennt; eine Bewegung, die auch Richtungsänderungen kennt. So sind wir dann auch schnell beim Ver-wandeln, dem Sich-Verändern und auch andere oder anderes Verändern.
Als. Als Kinder des Lichtes sollen wir wandeln. Was bedeutet dieses Als? Als ob? So, wie man sich im Fasching als Prinz verkleidet oder ihn z.B. im Theater bloß spielt? Man ist es nicht, man soll oder will nur so tun als ob, ohne es zu sein?
Nein! Wir sind es! Wir sind Kinder des Lichts! Wie wir Eltern, Großelter, Deutsche, Königsdahlumer sind, so sollen wir das auch leben, leben, was wir sind!
Kinder – Kinder sind sich entwickelnde Wesen. Sie fallen hin, machen Fehler, lernen – Kinder sind nicht perfekt. Können sie auch nicht sein. Wir können es auch nicht sein, auch mit 71 noch nicht.
Deshalb ist es klug und entlastend, wenn unser Pastor in seinem samstäglichen Video betet: Unser Abendgebet steige auf zu dir, Herr, und es senke sich auf uns herab dein Erbarmen. Lass im Dunkeln uns leuchten das Licht deiner Wahrheit uns. Geleite uns zur Ruhe der Nacht und einmal auch zur ewigen Vollendung.
Wir entwickeln uns, wir lernen (hoffentlich).Aber zur Perfektion, zum Menschen, wie er von Gott gemeint ist, vollenden kann uns nur einer – Gott selbst.
Licht. Licht ist Leben. Ohne Sonnenlicht gibt es kein Leben. Und wie heißt es doch im Kirchenlied (EG 611): Gottes Liebe ist wie die Sonne!
Und Ostern, ja, jeder Segen erinnert uns daran: Wir sind Kinder des Lichts, wir dürfen unser Leben im Licht der Liebe Gottes, im Licht der österlichen Auferstehung sehen und leben – die Osterkerze erinnert uns daran.
Wandelt als Kinder des Lichts! Tja, das waren nun die Sichtweisen von Religions- und Deutschlehrer. Theorie … Wie wird es praktisch?
Gebet (nach EG 611, Gottes Liebe ist wie die Sonne)
Gott, deine Liebe ist wie die Sonne.
Sie ist immer und überall da.
Hilf uns, dass wir uns von ihr beleben lassen.
Hilf uns, dass wir in ihrem Licht wandeln, uns bewegen und auch verwandeln.
Hilf uns, dass wir deine Liebe leben und weitergeben.
Gott, wir dürfen uns darauf verlassen:
Nichts kann uns von deiner Liebe trennen,
was auch immer es sei.
Du bleibst uns treu.
Spruch „Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Epheser 5, 8b. 9 Psalm 48, 2–3a. 9–15 Lieder EG 262/263: Sonne der Gerechtigkeit EG.E 25: Lass uns in deinem Namen, Herr AT-Lesung Jesaja 2, 1–5 Epistel Epheser 5, 8b–14 Hallelujavers Psalm 115, 1 Evangelium Matthäus 5, 13–16 Predigttext Epheser 5, 8b–14 -
ein Satz passt immer: „Wir leben in finsteren Zeiten!“