Freitags 5nach6 - 3. Advent

15. Dezember 2023

364.3 5nach6 15.12.2023 3. Advent                                                                      Ps 24

3. Advent
Wie soll ich dich empfangen?
So haben die Alten gesungen
Und ich singe mit
Und weiß keine Antwort
Bin einfach da
Und öffne mein Herz
Und denke: Du wirst den Weg schon finden (zu mir)

D.Joachim, Kleine Liturgie im Advent, in: dies.,KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S.34

Was haben die Alten gesungen? Nun – diese Zeilen von Paul Gerhardt (1607 – 1676):

Wie soll ich dich empfangen
und wie begegnen dir,
o aller Welt Verlangen,
o meiner Seele Zier?
O Jesu, Jesu, setze
mir selbst die Fackel bei
damit, was dich ergötze,
mir kund und wissend sei.

Ganz offensichtlich gab es schon im 17. Jhdt. eine gewisse, tief sitzende Unsicherheit, wie mit Jesus und seiner Botschaft gerade vor Weihnachten umzugehen ist. 1653 ist es erstmals gedruckt worden, fünf Jahre nach Ende des Dreißigjährigen Krieges. Die Bilder aus Israel und Gaza lassen uns ahnen, wie es damals in den Menschen und um sie herum ausgesehen hat.

Pauk Gerhardts Unsicherheit, seine Irritation ist uns ja durchaus auch nicht fremd. Wer soll was geschenkt bekommen? Wen soll ich zum Fest einladen oder besuchen? Was muss ich im Haushalt noch erledigen, welche Deko will ich, damit es zu Weihnachten schön ist bei mir daheim? Welche Weihnachtsmärkte und Weihnachtsfeiern stehen an? Was will und – für viele: vor allem - was kann ich mir leisten?

Wie soll ich dich empfangen? Und ich weiß keine Antwort – das habe ich eingangs vorgelesen. Die Schriftstellerin Susanne Niemeyer hat vielleicht keine Antwort, aber sie hat eine Idee, wie man mit der Frage umgehen kann.

Jesus klingelt. Es ist Mittwoch vor Weihnachten. Elisabeth betritt mit nackten Füßen die Küche. Sie schaut zur Uhr und bemerkt, dass die Zeit stehen geblieben ist. Die Zeiger verharren. Kein Ticken. Es ist ganz still. Elisabeth setzt sich auf einen Stuhl und ist auf einmal sehr müde. Sie hat frei. Heute hat sie frei.

Das macht sie immer so, weil der Advent ein einziges Vorbereiten ist. Geschenke suchen, Kekse backen, ins Weihnachtskonzert gehen, und irgendwann will sie ja auch noch andächtig sein. Deshalb hat sie vor Jahren beschlossen, einen Tag nur sich selbst zu gönnen. Keine Aufgaben, keine Verpflichtungen. Gestern noch stellte sie sich vor, gleich morgens ein Rosenholzbad zu nehmen. Und in der Wanne den ersten Kaffee zu trinken. Was für ein Luxus! Aber merkwürdigerweise fehlt ihr jetzt die Lust.

Sie sieht die moosgrünen Schränke, die sie schon so lange austauschen will. Sie träumt von einer Küche aus Buchenholz, in der die Wärme eines Spätsommerabends hängt. Wo sie Ravioli mit Frischkäse füllt und am Tisch sitzen die Freunde und lachen. ... Ihr Blick bleibt an den Wänden hängen und sie bemerkt, wie vergilbt das Weiß schon ist. …

Elisabeth wartet und weiß nicht, worauf. Nur unglückliche Menschen warten, denkt sie. Glückliche Menschen haben etwas vor. Sie schreiben Einkaufslisten und überlegen, am Wochenende ein Huhn zu braten. Sie telefonieren mit der Mutter oder gehen mit den Kindern in den Zoo, und die Kinder sind blond und heißen Finn und Lea. Glückliche Menschen steigen in Straßenbahnen oder Autos.

Sie haben ein Ziel, dem sie entgegeneilen. Jemand erwartet ihr Kommen, und wenn sie sich verspäten, dann lachen sie über einen verrückten Straßenbahnschaffner oder über ein Papier, das ihnen zugeweht ist und auf dem Worte zu lesen sind, die wie eine Botschaft klingen. Und dann planen sie einen Urlaub, ein Fest oder ein Kind.

Da klingelt es an der Tür. Elisabeth schaut hoch. Erst will sie nicht aufmachen, denn sie trägt ja nur ihren Morgenmantel und die Zähne hat sie auch noch nicht geputzt. Aber dann geht sie doch. Vielleicht ist es der Postmann mit einem Paket.

Sie öffnet die Tür - und Jesus steht da. „Hallo“, sagt er, „ich bin’s.“ Er sieht ein bisschen verlegen aus. „Oh.“ Mehr fällt Elisabeth nicht ein. „Aber“, stammelt sie, „es ist doch noch gar nicht Weihnachten.“ „Ich bin inkognito hier. Mir geht der Rummel auf die Nerven. Die ganzen Lieder. Die Kerzen. Überall ‚Stille Nacht‘. Ich muss mal verschnaufen. Darf ich reinkommen?“ „Ja. Sicher. Bitte.“

Sie weiß nicht so recht, wohin mit ihm, also führt sie ihn in die Küche. „Entschuldige, hier ist nicht aufgeräumt. Ich habe heute nämlich meinen Pausentag.“ „Pause? Wovon?“ „Von den Weihnachtsvorbereitungen.“ „Ach“, sagt er und setzt sich.

Sie schaltet den Wasserkocher ein. „Was bereitest du denn so vor?“ „Tja, bisher habe ich fünf Dosen Kekse gebacken, elf Geschenke besorgt, die selbst gebastelten nicht eingerechnet, drei Briefe und zwölf Karten geschrieben, einen Mistelzweig aufgehängt und zweiundfünfzig Strohsterne gebastelt, von denen zwanzig erst halb fertig sind. Das Weihnachtsoratorium habe ich nur zur Hälfte gehört, dann bin ich eingeschlafen. Jetzt muss ich noch den Baum schmücken, Essen kaufen und sauber machen.“

„Oh!“ Er sieht sie erstaunt an. „Das ist wirklich viel.“ „Wem sagst du das! Willst du Kaffee?“ „Gern, danke.“ „Was machst du denn so zu Weihnachten?“ Jesus nippt an seiner Tasse. „Nicht so viel. Ich bringe Frieden.“ „Richtig“, nickt Elisabeth. „Die alte Geschichte. Klappt aber nicht so gut, oder?“ Nachdenklich wiegt er den Kopf. „Ich habe jedenfalls genug davon.“ „Warum verteilst du dann nicht mehr Frieden?“ „Ich bringe ihn jedem einzelnen Herzen.“ „Ach.“ „Ja.“ Schweigen. Dann wendet sie ein: „Aber Streit gibt es trotzdem. Unzufriedenheit. Rastlosigkeit.“ „Wenn ein Herz zu ist, nützt es nichts. Dann komme ich nicht rein. Das ist wie eine geschlossene Tür. Ich kann mein Geschenk nur davor ablegen.“ „Oh. Das muss frustrierend sein.“ „Ich habe mir Langmut angewöhnt. Ich mache das ja schon seit zweitausend Jahren.“

Elisabeth knabbert an einem Keks und sinnt darüber nach. Dann fragt sie: „Und du? Wünschst du dir was?“ „Liebe.“ „Du?“ „Ja.“ „Aber − du bist doch die Liebe!“ „Die Liebe will geliebt werden. Sonst ist sie nicht ganz.“ „Das klingt kompliziert.“ „Gar nicht. Ich war mal auf so einem Fest. Es war ein bisschen langweilig, lauter so Wichtige-Leute-Gespräche. Da kam plötzlich eine Frau herein. Sie trug ein Fläschchen mit Öl. Du weißt schon, so ein Duftöl, ein sehr teures. Man sah, dass diese Frau überhaupt nicht hierher passte zwischen all die feinen Gäste. Aber sie ging geradewegs auf mich zu, und dann nahm sie meinen Kopf in ihre Hände und salbte ihn mit dem Öl. Ich weiß nicht, warum sie das tat. Die meisten wollen was von mir. Sie wollte nichts. Es war das Schönste, was ich je erlebt habe.“

„Tatsächlich?“ Elisabeth schaut ihn neugierig an. Wie er da sitzt vor dem Berg aus Mandelmakronen und halb fertigen Strohsternen. Ein Mann mit Augenringen und grünem Kapuzenshirt. Sie hat noch nie darüber nachgedacht, wie Jesus wohl aussieht, außer, dass er auf den meisten Bildern einen Bart trägt. Sie mag keine Bärte. Er nickt. „Ich will lieben und geliebt werden.“ Genau wie sie.

„Weißt du was?“, fragt sie plötzlich und macht eine einladende Geste. „Bleib doch hier. Wir tun einfach gar nichts. Das wird unser Tag.“ Und so wurde Weihnachten in Elisabeths Küche.

Aus: Susanne Niemeyer, In: Jesus klingelt, © 2019 Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Br. / Quelle im www: HP_Gemeindebrief_Nr._12__Dezember_2019_bis_Februar_2020.pdf (kirche-jever.de)

Die kleine Einleitung endete vorhin so: (Ich) Bin einfach da / Und öffne mein Herz /
Und denke: Du wirst den Weg schon finden (zu mir)

Genau. Offen sein. Für mich selbst. Für andere. Für Gott.

Gebet:

Gott, du Anfang und Ende
Sei bei uns mit der Kraft deiner Liebe
Deiner Gnade
Deiner Barmherzigkeit
Heute, morgen und allezeit.

D.Joachim, Kleine Liturgie im Advent, in: dies.,KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S.35