Freitags 5nach6 - Jahreslosung 3

03. Februar 2023

331 5nach6 03.02.2023_Jahreslosung 3        Ps 22

Quellen: A) K.Ilgenfritz, Schau mir in die Augen, in: Ev. Zeitung, 15.01.23, S.4f (Zitate kursiv)

              B) A.Kurschus, Raus aus dem Versteck, in: Ev. Zeitung, 22.01.23, S.4f (Zitate kursiv)

              C) S.Sterzik, Streit von Gut und Böse, in: Ev. Zeitung, 22.01.23, S.5 (Zitate kursiv)

 

„Du bist ein Gott, der mich sieht!“

Für Menschen ist es schlimm, wenn sie nicht gesehen werden. Oft entstehen … daraus Konflikte ...

Diese Konflikte können sich in das Innere des „übersehenen“ Menschen verlagern. Dann steigt das Risiko für Depressionen. Auch die körperliche Widerstandsfähigkeit lässt nach. … Andere Menschen wenden sich in ihrer Enttäuschung nach außen und werden aggressiv. Aggressionen sind oft ein Ruf nach Aufmerksamkeit, sagt die Psychologin Simone Weiß. Andere passen sich extrem an in der Hoffnung, gelobt zu werden. In einer Untersuchung von Jugendlichen wurde festgestellt: Je weniger sie sich in ihrer Familie wichtig fühlten, desto mehr zeigten sie aggressives, gemeinschaftsfeindliches und selbstzerstörerisches Verhalten, also z.B. Ritzen, Drogenkonsum.

Die Reaktionen auf das Nicht-Gesehen-Werden sind verschieden, Hauptsache, jemand nimmt Notiz von dem Übersehenen.

Hagar, die Sklavin, die „Leihmutter“, bekam von Abraham ein Kind. Seine Frau Sara konnte nämlich nicht schwanger werden. Hagar wurde von Sara nicht wirklich angesehen. Sie floh in die Wüste und brach dort erschöpft zusammen.

Die Flucht diente nicht nur Hagars Schutz. Sie war auch eine Aggression der Nicht-Angesehenen gegen ihre Herrschaft, denen nun die Sklavin und werdende Mutter fehlte. Hagars körperliche Erschöpfung war nicht nur der lebensfeindlichen Wüste geschuldet, sie war auch eine Folge des Nicht-Angesehen-Seins.

In der Wüste macht Hagar eine Gottes-Erfahrung. Sie staunt: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“   

Diese Überzeugung, dieser Glaube hilft ihr bei der Rückkehr in die bedrückende Situation bei ihren „Herrschaften“ Abraham und Sara. Sie kann überleben, sich sogar leidlich anpassen, weil sie sich gesehen fühlt – nicht von Abraham und Sara, aber von Gott.

Das Angesehen-werden hat eine ganz konkrete Seite, ist wörtlich zu nehmen!

„Es ist wichtig, wirklich den Menschen in den Blick zu nehmen und sich nicht auf Äußerlichkeiten zu konzentrieren. Dem anderen zu vermitteln, dass es mich interessiert, wie es ihm geht und ich ihm zuhöre, … das wird bei dem anderen mit Sicherheit etwas auslösen“, sagt Simone Weiß.

Jesus wusste das offensichtlich (Lukas 19, 1-10 i.A.).

19,1Jesus kam nach Jericho ….2Dort lebte ein Mann, der Zachäus hieß. Er war der oberste Zolleinnehmer und sehr reich.3 (Zolleinnehmer arbeiteten mit der römischen Besatzungsmacht zusammen und erhoben im Namen des römischen Staats Zoll. Sie bekamen keinen Lohn vom Staat, sondern lebten von dem Geld, das sie auf die festgesetzten Steuern aufschlugen. Deshalb hatten sie ein schlechtes Ansehen.) Zachäus wollte unbedingt sehen, wer dieser Jesus war. Aber er konnte es nicht, denn er war klein, und die Volksmenge versperrte ihm die Sicht.4Deshalb lief er voraus und kletterte auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus sehen zu können – denn dort musste er vorbeikommen.5Als Jesus an die Stelle kam, sah er zu Zachäus nach oben und sagte zu ihm: »Zachäus, steig schnell herab. Ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.«6Sofort stieg Zachäus vom Baum herab. Voller Freude nahm er Jesus bei sich auf.

7Als die Leute das sahen, ärgerten sie sich und sagten zueinander: »Bei einem Sünder ist er eingekehrt!«8Aber Zachäus stand auf und sagte …: »Herr, die Hälfte von meinem Besitzwerde ich den Armen geben. Und wem ich zu viel abgenommen habe, dem werde ich es vierfach zurückzahlen.«

Wie sagte die Psychologin doch? „Es ist wichtig, wirklich den Menschen in den Blick zu nehmen und sich nicht auf Äußerlichkeiten zu konzentrieren. Dem anderen zu vermitteln, dass es mich interessiert, wie es ihm geht und ich ihm zuhöre, … das wird bei dem anderen mit Sicherheit etwas auslösen“. Offensichtlich.

Jesus macht es genau richtig. Er sieht den anderen an. Er nennt ihn bei seinem Namen. Er sucht seine Nähe und sogar das Gespräch mit ihm. Dabei ist ihm egal, was die anderen denken und tuscheln.

Und Zachäus? Er antwortet darauf, dass Jesus ihn sieht. Er übernimmt Verantwortung!

Er übernimmt Verantwortung für sein Handeln und für die Gemeinschaft, die er geschädigt hat. Und es bleibt nicht bei einem folgenlosen Bekenntnis „ich übernehme die Verantwortung (wie bei Politikern oder Managern, die dann zurücktreten, sich satte Abfindungen auszahlen lassen und von der Bühne verschwinden). Er stellt sich seiner Verantwortung nicht nur, er handelt auch – eben verantwortungsbewusst. Zachäus handelt nicht bloß auf Grund moralischer Überlegungen. Er ist angesehen worden und hat eingesehen, dass er Verantwortung übernehmen muss.

Also – wie Zachäus – runter vom Baum, raus aus dem Versteck, dem Schneckenhaus.

Wir können Verantwortung übernehmen ohne den Wahn, alles zu müssen, und ohne die Angst, nichts zu schaffen. Wer Verantwortung trägt (bzw. übernimmt), muss bereit bleiben zu lernen (d.h. sich zu verändern). Muss sich trauen in aller Unvollkommenheit anzufangen – da, wo wir anfangen können. Verantwortung ist der Weg und nicht das Ziel (B)

Viele Menschen scheuen sich davor, Verantwortung zu übernehmen. Sie fürchten sich vor den Konsequenzen und haben Angst, etwas falsch zu machen. Dabei wird leicht übersehen, dass wir auch für das verantwortlich sind, was wir nicht tun.

Wer sich grundsätzlich davor scheut, Verantwortung zu übernehmen, hat womöglich ein schwaches Selbstbewusstsein, traut sich nichts zu. Deswegen ist es wichtig, dass z.B. Eltern sich nicht davor scheuen, ihrem Kind etwas zuzutrauen. Aufgaben übernehmen und Verantwortung tragen, stärkt die Entwicklung der Persönlichkeit.

Allerdings kann es auch ungesund sein, zu viel Verantwortung für andere zu übernehmen. Wer sich für zu viel verantwortlich fühlt, überfordert sich. … Verantwortung hat man eben nicht nur für die anderen, sondern auch für sich selbst.

Aber warum soll ich überhaupt Verantwortung für andere übernehmen? Wenn jeder an sich denkt, ist doch an jeden gedacht!

Verantwortung übernehmen heißt, sich einsetzen, bei der Wahrheit bleiben, Schuld eingestehen, auch gegen Widerstand für andere einstehen. Warum? Weil Menschen Gottes Ebenbilder sind. Die Gottesebenbildlichkeit ist der entscheidende Grund dafür, das Leben eines Menschen … zu erhalten und den anderen zu respektieren … Die Heiligkeit des Menschen als Gottes Ebenbild gibt ihm eine Würde und macht ihn zu Gottes Partner ... Menschen leben aus dem von Gott geschenkten Ja zu ihnen und sie antworten darauf, indem sie die Schöpfung bewahren und sich verantwortlich zeigen für den Nächsten und Schutzlosen. (C)

Es gibt viele Möglichkeiten, Verantwortung zu übernehmen. Eine kommt im nächsten Jahr - die Wahlen zum neuen Kirchenvorstand auch in St. Johannis Königsdahlum!

Gebet:

Gott, ich bitte dich darum,

dass du mich siehst und erkennst.

Lass mich spüren,

dass du bei mir bist und mich führst.

Hilf mir,

deine Gegenwart in meinem Leben zu erkennen und zu erfahren.

Gib mir Kraft, Verantwortung zu übernehmen in Worten und Taten.

Ich vertraue darauf,

dass du mich niemals verlässt und immer bei mir bist. Amen.

 

Dieses Gebet ist kein richtiges Gebet, auch wenn es danach klingt. Es stammt von einer Maschine. Von der Künstlichen Intelligenz (KI) ChatGPT, die gerade mit ihren erstaunlichen Fähigkeiten für Furore sorgt. Ich habe ChatGPT aufgefordert, ein Gebet zu schreiben, dass das »Gesehenwerden« thematisiert.

Axel Reiman, Redakteur, Andere Zeiten e.V. im Newsletter