Freitags 5nach6 - Kirchenvorstand

21. Juni 2024

384_5nach6_21.06.24_Kirchenvorstand                         Ps 119

Meine Güte, was für ein Menschenauflauf, was für ein Lärm. Wir schreiben das Jahr 30 n.Chr. Es ist Feiertag in Jerusalem.

Pentekoste heißt er in der damaligen Weltsprache, das war Griechisch. Auf Deutsch heißt das „der 50. Tag“. Am 50. Tag nach dem Passafest kommen die Juden zu einem Erntefest in der Stadt ihres Tempels zusammen.

Der Trubel ist wie jedes Jahr. Aber dann geschieht etwas Einmaliges. Eine Gruppe Männer und Frauen stellt sich auf und einer tritt hervor – Petrus. Er beginnt von Jesus, seiner Kreuzigung und seiner Auferweckung zu predigen. Seine Begeisterung schwappt über. Immer Menschen hören ihm zu. Viele sind so hingerissen von Petrus‘ Worten, dass sie sich der Gemeinschaft der Jesus-Freunde anschließen. Was für eine Freude! Und das ist erst der Anfang: Hunderte, Tausende kommen hinzu in Israel und vor allem in den Gebieten an der nördlichen Mittelmeerküste bis nach Italien und Spanien, später in ganz Europa und im Laufe der Jahrhunderte auch auf den anderen Kontinenten.

Aus Pentekoste wurde im Deutschen „Pfingsten“ – und das Pentekoste im Jahre 30 war das erste Pfingstfest. Christen verstehen es als „Geburtstag“ der Kirche. Eine weltweite Bewegung nimmt ihren rauschenden Anfang.

Und heute, rund 2000 Jahre danach?

Manchmal denke ich, dass es keine Zufälle gibt. Kurz nach Pfingsten 2024 erscheinen unser Gemeindebrief und das Wochenblatt 22 der kath. Pfarrgemeinde. Sowohl Pastor Strack als auch Pfr. Lampe befassen sich mit der „Verfassung“, dem Zustand des Geburtstagskindes. Hören wir einmal hinein!

Pfr. Lampe bezieht sich zunächst vor allem auf den sonntäglichen Gottesdienst:

Mit der frechen Bezeichnung „Auslaufmodell“ für den normalen Sonntagsgottesdienst hat eine evangelische Pastorin eine recht interessante Diskussion angestoßen. "Es stellt sich die Frage, ob man mit dem Sonntagsgottesdienst – um der wenigen und Älteren willen – kleinlaut weitermachen sollte, bis keiner mehr kommt", schrieb sie in der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“. Für eine kleine Schar, darunter treue Kirchgänger, Alte und solche, die mit Liturgie, Gesang und Predigt zufrieden sind, werde am Sonntagmorgen eine Volkskirche „inszeniert“, die es inzwischen nicht mehr gäbe. Dabei sei der Sonntagsgottesdienst ein Relikt vergangener Zeiten, er habe nicht nur an Zulauf, sondern auch an Strahlkraft verloren, meint sie ... Kritisch sei ihr zufolge die Situation vor allem für uns Katholiken, die sonntags zum Gottesdienstbesuch verpflichtet seien. "Doch mehr als 94 Prozent der Katholiken setzen sich über diese Pflicht hinweg, Tendenz steigend", schreibt sie. Ganz Unrecht hat sie nicht.

P.Strack wird grundsätzlicher:

Wenn man im Augenblick von „Kirche“ hört oder liest, dann sind das eigentlich immer schlechte Nachrichten. Die Missbrauchsfälle und ihre manchmal zu langsame Aufarbeitung, Kirchenaustritte, schrumpfende Mitgliederzahl – das scheint alles zu sein, was es von Kirche zu berichten gibt.

Pfr. Lampe fährt fort:


Ich greife diese unbequeme Diskussion einmal auf und lade Sie zum Mitdenken ein. Alle großen kirchlichen Feste der ersten Jahreshälfte liegen nun hinter uns. Ohne Hellseher zu sein, weiß ich, dass am kommenden Samstag / Sonntag auch unsere vier Messen eher mau besucht sein werden. Sechs Prozent Kirchenbesuch haben wir übrigens schon seit Covid nicht mehr. Was tun? Sich der veränderten Situation verschließen und einfach weitermachen? Einiges in mir sagt: Ja! …

,Anderes in mir sieht ein, dass es ohne entlastende Veränderungen nicht weitergehen kann. In den dreieinhalb (!) Monaten eines jeden Jahres, in denen nur e i n Seelsorger bei uns vor Ort ist, kann es wohl nicht lange gut gehen, wenn dieser eine an jedem Wochenende vier Eucharistiefeiern vorsteht, plus Taufen und Hochzeiten an fast jedem Sonnabend, plus Ehejubiläen, plus drei Werktagsgottesdienste in der Woche, plus drei bis vier Beerdigungen, plus den dazugehörigen Trauergesprächen, plus Krankensalbungen, Hausbesuchen und so weiter.

Der „Fachkräftemangel“ betrifft also auch die Kirchen, und zwar beide. P.Strack kann ein ähnliches Lied von seiner Arbeit singen.

Und wie soll es weitergehen?

Hören wir Pfr. Lampe:

Die sonntägliche Eucharistiefeier (Abendmahls-Gottesdienst) ist in meinem Verständnis eindeutig kein Auslaufmodell. Ihr zur Seite gestellt werden sollte aber die behutsame Entwicklung eines weniger eucharistie- und priesterzentrierten Gemeindeverständnisses, das die … veränderten Gegebenheiten gelassen in den Blick nimmt. Die Abkehr von flächendeckender Seelsorge ist nötig, und das Bekenntnis zu einer „Leuchtturm-Pastoral“ an ausgewählten Orten. (Also weniger Abendmahls-Gottesdienste und weniger Konzentration auf die Hauptamtlichen, mehr Aufgabenübernahme durch Ehrenamtliche und Gottesdienste an zentralen Orten und nicht in jeder Kirche.)

Da sind wir längst dran. Ein erster guter Schritt ist die Wiederentdeckung alter Andachtsformen und die bereits begonnene Ausbildung von ehrenamtlichen Wortgottesdienst-leiter/innen …

Nein, Jesus ist nicht durch Galiläa gezogen und hat gesagt, sonntags um 10 Uhr müsst ihr kommen und beten. Dort, wo der Gottesdienst noch gut besucht ist, wird er sicher auch in Zukunft weiter gepflegt. Und wenn es nicht der Sonntag ist: Auch der Donnerstagabend in Bad Gandersheim und der Freitagabend in Bilderlahe sind eine gute Gelegenheit zum Trinken aus der „köstlichen Quelle“ (des Abendmahls).

(Das Wochenblatt der kath. Kirche im Pastoralraum der Pfarrgemeinden Bad Gandersheim, Seesen und Wohldenberg, Nr. 22-2024)

Wir in St.Johannis können sagen: Da sind wir auch schon. Einmal im Monat ein Gottesdienst mit dem hauptamtlichen Pastor, freitagsabends die Andacht 5nach6 mit einem ehrenamtl. Kirchenvorsteher – erstmals am 02.01.2009, also immerhin seit 15 Jahren.

Im nächsten Jahr geht die bisherige Zusammenarbeit mit St.Pankratius Bockenem über in einen Zusammenschluss zu einer Gemeinde. Ende 2025 geht P.Strack in den Ruhestand. Die Stelle wird neu besetzt, aber wann das geschieht, ist völlig ungewiss.

Und wer kümmert sich dann um das „Geburtstagskind“ Kirche?

Nun, zunächst der Kirchenvorstand – sicher unterstützt von Vertretungspastoren/innen, der Superintendentin und dem Kirchenamt in Hildesheim. So hilfsbereit sie auch sein mögen – sie sind weit weg und auf Königsdahlum dürfte angesichts ihrer eigenen Belastungen nicht ihr Hauptaugenmerk liegen.

Meine Kirchenvorstandskollegin Sabine und ich, wir könnten eine ähnliche Aufzählung präsentieren wie die, die wir von Pfr. Lampe gehört haben. Aber wir haben uns entschieden und bei unserer Verpflichtung am 02. Juni gelobt:

… Verantwortung zu übernehmen für den Gottesdienst, für die pädagogischen, diakonischen, ökumenischen und missionarischen Aufgaben der Gemeinde sowie für Lehre, Einheit und Ordnung der Kirche, …
https://www.ekir.de/www/downloads/erprobungsagende_berufung_einfuehrung.pdf

Und es gibt sie ja, die Hoffnungszeichen. P.Strack nennt einige:

Gerade in der letzten Zeit habe ich mit vielen Familien die Taufen ihrer Kinder gefeiert. Gerade erst gab es an einem Samstag gleich zwei kirchliche Trauungen. Und ja: Natürlich werden auch unsere Toten würdig zur letzten Ruhe geleitet. Wir feiern schöne Feste, wie zuletzt im Biergarten des Freibades am Pfingstmontag. Da hat der fröhliche Gottesdienst und das muntere Miteinander beim Frühschoppen und Essen weit über 100 Menschen Freude gemacht. Auf dem Weinberg kommen in der Sommerzeit … zum Gottesdienst unter freiem Himmel zusammen. Und natürlich werden auch Konfirmandinnen und Konfirmanden unterrichtet. … Wir haben am 2. Juni in unseren Gemeinden verdiente Kirchenvorsteherinnen verabschiedet – aber eben auch neue Kirchenvorstände in ihr Amt eingeführt, Menschen, die Verantwortung übernehmen in unserer Kirche.

Und ich möchte ergänzen: Und mit Marion Imholz haben wir eine frisch ausgebildete und erst kürzlich eingeführte Lektorin für unsere Gottesdienste.

Für ein Religionsbuch habe ich einmal eine Science-Fiction-Geschichte, eine Vorstellung von der Zukunft der Kirche entworfen:

Deine Seite „Bis gleich, Dustin“, sagt Herr Schnarr und löffelt seinen Eintopf in unserer Schulmensa. Er ist Kirchenvorsteher in unserer Kirchenregion, einzelne Gemeinden gibt es nicht mehr, weil die Menschen, die zur Kirche gehören wollen, weniger geworden sind. Der Pastor hält nur noch Gottesdienste, tauft, traut und beerdigt Menschen. Herrn Schnarrs Aufgabe ist die Arbeit mit uns Konfirmanden. Eigentlich ist er ja Frisör, aber alle zwei Monate betreut er den Konfirmandentreff in unserer Ganztagsschule. Zwischen den Treffen reden wir in unserem Chat miteinander. Außerdem sehen wir uns bei den monatlichen Jugendgottesdiensten. Einige finden noch in der Kirche statt, andere in der Schule, neulich war einer auf dem Sportplatz und einer in der Disco. Wer konfirmiert ist, sucht sich eine Freiwilligen-Arbeit in unserer Kirchenregion. Dazu gehören immerhin 18 Dörfer. Ich will dann beim Newsletter „Unsere Kirche“ mit ­ machen, der alle zwei Wochen aktuell ins Netz gestellt wird. Aus meiner Klasse sind wir drei, die konfirmiert werden wollen. Die anderen gucken zwar ein bisschen komisch, wenn das Gespräch darauf kommt, aber ich find’s gut. Man erfährt und denkt doch noch mal etwas anderes. Das fällt unseren Klassenkameraden auch auf. Außerdem sind wir schon eine besondere Gemeinschaft, die zusammenhält und in der man sich gegenseitig hilft. Das merkt man auch sonntags, wenn sich die Christen aus unserem Ort bei Dr. Bertram im Wartezimmer zur Andacht treffen. Die Kirche ist geschlossen, das ist zu teuer, und Dr. Bertram hat seine Praxis sonntags geschlossen. Die anderen Ärzte arbeiten ja durch. Nächsten Montag ist Herr Schnarr in unserer AG „Was ist was?“. Da erzählt er allen etwas über Jesus, denn Religionsunterricht, den es zu seiner Schulzeit gab, haben wir heute nicht mehr. Ich will das alte Buch mitnehmen, das ich letzte Woche auf dem Dachboden gefunden habe. „Mitten ins Leben“ heißt es, ein „Religionsbuch“. Ich will Herrn Schnarr fragen, ob das so etwas ist wie unsere Internet -Bibel

(aus: U.Gräbig u.a., Mitten ins Leben – Religion 2, Berlin, 2009, S. 147)

Es wird sich manches ändern, aber Kirche bleibt.

 

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St. Johannis Königsdahlum