Freitags 5nach6 - Andacht: 4. Advent

17. Dezember 2021

291 5nach6_17.12.21 Lebkuchen                                      Ps 36

Quelle: S.Leonhard u.a., Leb-Kuchen – eine Weihnachtsandacht, in: RPI Loccum (Hg.), Loccumer Pelikan 3/2021, S.82ff – Zitate kursiv

Die Besucher*innen erhalten am Eingang einen Lebkuchen oder eine kleine Tüte mit Lebkuchen unterschiedlicher Formen (Stern, Herz, Brezel) sowie eine Tüte Lebkuchengewürz am Ausgang.


Die letzte Andacht vor Heiligabend ist in all den Jahren immer eine besondere gewesen. Wir haben im Kreis vor dem Altar gesessen und – meist selbstgebackene – Kekse sowie Lebkuchen genascht und Punsch oder Tee getrunken. Unter Corona-Bedingungen war das schon im letzten Jahr etwas befremdlich, heute wollen wir lieber ganz darauf verzichten, um uns diese Tradition nicht zu beschädigen. Aber ganz ohne Lebkuchen kann es nicht gehen – und deshalb gibt es heute nicht nur eine kleine Lebkuchentüte, sondern auch eine Lebkuchen-Andacht.

Viele Monate halten wir schon aus, warten wir schon, so kommt es uns manchmal vor. Leben war über weite Strecken ganz anders, wenig gemeinsam, viel auf Distanz, mit Vorsicht und Sorgen, für manchen mit Ruhe. … Wir warten. Warten, dass es anders und hoffentlich besser kommt als erwartet.

Im Advent warten wir sowieso – die Kleinen warten eher auf die Geschenke und den erleuchteten Weihnachtsbaum. Wir Großen warten vielleicht weniger auf die Geschenke, als darauf, ob und wie sich das Erscheinen Gottes auf Erden in der Gestalt des Krippenkindes konkret auswirken mag.

Vielleicht probieren Sie einmal einen Bissen von Ihrem Lebkuchen, den Sie auf Ihrem Platz vorgefunden haben.
 

…In diesen Tagen vor Weihnachten, in dieser Zeit pandemischer Dunkelheit? Ist Lebkuchen das, was wir brauchen?

 

Was braucht mein Körper, was braucht meine Psyche?

Ich denke wir brauchen Energie, die uns Kraft gibt! Und Lebkuchen hat die puren Power-Zutaten …: Haselnüsse, Walnüsse, Mandeln, Honig oder Zucker; manchmal auch Marzipan, Eier und Mehl. Dazu seine gepfefferte Würze: Zimt, Anis, Kardamon, Ingwer, Piment, Nelken, Muskat – je nach Rezept ...

Energiedichte, Kilokalorien … gut gegen den Hunger, gut in kraftlosen Zeiten; nicht gut fürs Hüftgold des Überflusses. Würze: gut gegen Lieblosigkeit und inneren Rückzug, gut gegen
das Gefühl, dass doch alles nichts bringt.

In Belgien im 12. Jahrhundert wurde erstmals Lebkuchen gebacken: Als Gebäck für hungernde Menschen war der Lebkuchen gedacht, insbesondere im Winter, wenn es an vielem fehlte; oft auch an allem.

Ist Lebkuchen das, was wir brauchen? …In diesen Tagen vor Weihnachten, in dieser Zeit pandemischer Dunkelheit?

Ich denke, wir brauchen nicht nur Energie für unseren Körper. Wir brauchen auch Energie, die unsere Seele heil macht!

Was braucht meine Seele?

Unsere Seelen brauchen die puren Power-Zutaten … der Weihnacht: das Kind in der Krippe, in Windeln gewickelt – den Friede-Fürst …, das große Licht, das über denen hell scheint, die in der Finsternis wandeln (vgl. Jesaja); die Botschaft des Engels: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude. Euch ist der Heiland geboren; dazu brauchen unsere Seelen die Würze … bunter Bräuche: Melodien, Texte, Rezepte aus vielen Ländern und verschiedenen Zeiten, Adventskränze und -kerzen, Christbaum …, Stollen und Lebkuchen …

Der Hoffnungsgehalt … der weihnachtlichen Botschaften ist gut gegen den Hunger der Seele, gut in Zeiten von Corona-Kraftlosigkeit! Die Würze der bunten Bräuche! Gut gegen Lieblosigkeit und Inhaltsleere des puren Konsums, gut gegen emotionale Taubheit.

Was sagen uns die Formen des Lebkuchens?

… Lebkuchen gibt es in verschiedenen Formen. Die drei häufigsten Formen sind der Stern, das Herz und die Brezel.

Der Stern deutet hin auf den Stern von Bethlehem. Dieser Stern hat damals den Weisen aus dem Morgenland den Weg nach Bethlehem gezeigt. … Der Stern führte sie zum Kind in der Krippe.

Das Lebkuchen-Herz steht für die Liebe, und zwar für die Liebe Gottes zu den Menschen. Diese Liebe Gottes liegt in der Krippe. Gottes Liebe wird ein Mensch.

Die Brezelform steht für die Anbetung. Die Hirten und die Weisen aus dem Morgenland haben das Kind in der Krippe angebetet. Manche Mönche im Mittelalter haben beim Beten die Arme gekreuzt, indem sie ihre Hand auf die gegenüberliegende Schulter gelegt haben. So ist die Brezel ein Symbol für die Anbetung ...

Lebkuchen. Mmmh. …
Beißen Sie doch noch einmal hinein.

 

Was sagt uns der Geschmack von Lebkuchen?

Wie schmeckt uns das Leben? In diesem Jahr oft etwas fade, nicht so süß, wenig herzhaft, manchmal gar bitter. Diese Leere in der Zeit spüre ich auch manchmal innen – und bleibe hungrig.

Weihnachten –
das ist die Verheißung, dass das Leben wieder schmecken wird. Einerseits eine Erinnerung, andererseits ein neuer Anfang dafür, Geschmack und Sinn des Lebens wiederzuentdecken …

Da ist ein Lebkuchen genau das richtige … Er hat so viele Geschmacksrichtungen in sich, die ich brauche. Zum Tee oder Kaffee ist Lebkuchen süß wie Honig – eine Grundenergie, das Süße, die Freude des Lebens lassen wir uns auf der Zunge zergehen.

Auf der Zunge und am Gaumen ist er einen Hauch salzig, aber vor allem ganz leicht scharf. Wo die Schärfe des Lebens zu schmecken ist, ist der Durst auf Leben besonders groß. Lebkuchen weckt diesen Durst und macht wach für
den Durst auf neues Leben, macht wach auf das, was kommt, macht wach für den, der an Weihnachten kommt.

Frisch schmeckt der Lebkuchen saftig – nach geballter Energie – so nahrhaft, dass sie das Leben anreichert, ihm Kraft und Saft gibt.

Lebkuchen schmeckt nach Weihnachten.  …
Schmeckt Lebkuchen nach Weihnachten.

 

Wie lange hält sich Lebkuchen? Wie lange hält Weihnachten?

 „Im Gegensatz zu knusprigem Weihnachtsgebäck schmecken Lebkuchen saftig am besten“, lese ich und begegne immer wieder ähnlichen Hinweisen: Es komme auf die richtige Aufbewahrung von Lebkuchen an, damit sie lange hervorragend schmecken. Der Lebkuchen ist wie Knäckebrot, eine Dauerbackware, die sich lange hält. Doch mit der Zeit werden sie hart.

All das lese ich und erinnere mich an ein Jahr, in dem ich Monate nach Weihnachten … eine Packung Lebkuchen entdeckte. Ich öffnete die Packung … biss hinein.
In der Tat - Lebkuchen können hart werden! Menschen können es auch … Und es gibt genügend Gründe dafür … in diesem Jahr!

Krankheiten können hart machen … Sorgen. Oder Einsamkeit. Manchmal sind es die vielen kleinen, fast unauffälligen Stiche
leien … , gegen die sich die Seele zu schützen versucht und hart wird.

Ich weiß noch, wie ich
an dem knüppelharten Lebkuchen zu kauen hatte. Doch langsam kam der verborgene Geschmack wieder: Zimt, Kardamom, Nelken, Honig. Trotz der Härte. Monate nach dem Fest!

Was ist, wenn Weihnachten auch über den 24., 25. Und 26. Dezember hinaus haltbar ist.
Was ist, …, wenn Weihnachten eher einer Dauerbackware gleicht, z.B. hartgewordenem Lebkuchen, an dem wir zu kauen haben? Was ist, wenn Weihnachten eine Art Widerstandskraft ist, eine Art Hoffnung ist, all dem zum Trotz, was Menschen hart und starr werden lässt? Eine Hoffnung auf deren Geschmack wir erst langsam wieder kommen, die uns wieder für sich gewinnt, wenn wir sie ausprobieren: „Ehre sei Gott in der Höhe, Frieden auf Erden, den Menschen sein Wohlgefallen“:

In einem Ratgeber lese ich: „Die Menschen sind unvernünftig, uneinsichtig und ichbezogen. Liebe sie trotzdem. Wenn du Gutes tust, wird man glauben, du hättest Hintergedanken. Tue trotzdem Gutes. Das Gute, das du heute tust, wird morgen vergessen sein. Tue trotzdem Gutes. Aufrichtigkeit und Freimütigkeit machen dich verwundbar. Sei trotzdem aufrichtig und freimütig.“ (Kent M.Keith, Anyway: Die paradoxen Gebote, München, 2014)

Weihnachten will sich halten, weil Gott zu uns halten will – über Weihnachten hinaus. Wie Lebkuchen, der auch im März oder Juni noch seinen Geschmack entfaltet. Am Ausgang liegen in einem Körbchen Tüten mit Lebkuchengewürz. Hängen Sie sich das in Ihrer Küche auf.

Zimt, Anis, Kardamon, Ingwer, Piment, Nelken, Muskat … Weihnachten bringt den Geschmack von Leben und Liebe. Und hält sich!  Wie Lebkuchen.


Gebet:

Lasst uns vertrauensvoll vor Gott bringen.

Alle, die mit uns lachen und alle, die uns über uns selbst schmunzeln lassen.
Alle, um die wir weinen und alle, die aus Freude oder Trauer um uns weinen.
Alle, die sich sorgen, wir könnten einsam sein, und alle, die dafür sorgen, dass das nicht passiert.
Alle, die mit ihrem Leid kämpfen, die nicht aufgeben wollen und deinen Beistand suchen.
Alle, deren Kraft aufgebraucht ist und die auszubrennen drohen.
Alle, die auf der Flucht sind, vor Gewalt, vor Hunger, vor der Todesnähe.
Alle, die sich für andere einsetzen und dem Unrecht und der Resignation widerstehen.
Alle, die an ihrem Ort Wege suchen, nach deinem Willen zu leben.
Alle, für die wir heute außerdem beten wollen, und alle, die ungefragt für uns beten.