336 5nach6 10.03.2023_7 Wochen ohne Verzagtheit 2 Goliath Ps 121
Kennen Sie das? Sie gehen die Fußgängerzone entlang und er kommt Ihnen entgegen. Groß, schwarz gekleidet, leicht übergewichtig und breitbeinig, viel Metall am Körper und im Gesicht, gefärbte Haare und unübersehbare Tattoos am entblößten Unterarm, dazu ein Gesichtsausdruck, der sagt: „Wenn du dich mit mir anlegst, dann leg ich dich flach!“ Und was tun Sie – Sie wechseln frühzeitig auf die andere Seite. Das könnte man Verzagtheit nennen. Verzagtheit, ein Schlüsselwort dieser Fastenzeit. Und dagegen sollen wir leuchten! Leuchten? Soll ich diesen Menschen etwa anlächeln?
Steigern Sie Ihr Gefühl in dieser Situation um ein Vielfaches – und dann können Sie sich in etwa vorstellen, wie der Hirtenjunge David sich gefühlt hat. Er brachte seinen Brüdern Verpflegung an die Front. Dort kämpften die Israeliten gegen die Philister. David erlebt, was die Kämpfer schon seit Tagen immer wieder erlebten (1. Sam 17,4‒11 i.A. ( Basisbibel):
Aus den Reihen der Philister trat ein Kämpfer hervor. Er hieß Goliat ... Er war weit über zwei Meter groß. Auf seinem Kopf trug er einen Helm aus Bronze und am Leib einen bronzenen Schuppenpanzer. Dessen Gewicht betrug fast 60 Kilogramm. Dazu trug er Beinschienen aus Bronze und ein bronzenes Sichelschwert. Bewaffnet war er außerdem mit einer Lanze … Ihre Spitze bestand aus reinem Eisen … Goliat stellte sich hin und rief den Schlachtreihen Israels zu: „Warum seid ihr hierhergekommen und habt euch zur Schlacht aufgestellt? Stehe ich hier nicht für die Philister? Ihr aber seid doch nur die Knechte eures Königs Saul! Sucht euch einen aus, der gegen mich antritt! … Dann schrie der Philister: „Ja, heute habe ich Israel lächerlich gemacht und seine Schlachtreihen verspottet. Denn ich habe gesagt: Schickt mir einen Mann! Wir wollen miteinander kämpfen.“ Das also waren die Worte des Philisters. Saul und ganz Israel konnten sie hören und bekamen schreckliche Angst.
Allein der Anblick dieses Kämpfers könnte seine Gegner verzagen lassen, doch er beginnt auch noch zu reden: „Wozu seid ihr hier? Nur weil euer König es euch befohlen hat! … Regeln wir die Sache wie Männer! Schickt mir einen, der es mit mir aufnimmt! Was? Niemand? Ihr seid lächerlich!“ Die Reaktion der Israeliten: Verzagtheit! …
Ohne dass Goliath irgendetwas von seiner Kampfesstärke beweisen muss, werden seine Gegner zu Kaninchen, die die Schlange vor sich anstarren. Das gelingt Goliat nicht zuletzt dadurch, dass er mit Ängsten und Zweifeln spielt, die in den Israeliten sicherlich längst angelegt sind. Er kann davon ausgehen, dass sich jeder Mann, der in den Krieg zieht, fragt, wofür er das tut und ob dieser Grund es wert ist, dafür zu sterben.
Goliat kommt täglich wieder, stellt sich hin und verhöhnt die Israeliten, bis – aber das wissen Sie natürlich. Goliat wird besiegt. Ein Stein aus Davids Steinschleuder trifft ihn an der Stirn und als er bereits tot am Boden liegt, wird ihm mit seinem eigenen Schwert der Kopf abgeschlagen. … Davids Sieg über Goliat wird sprichwörtlich. Doch wie gelang es seinem Bezwinger, die Verzagtheit zu überwinden?
Nun, er verfügt über ein paar andere Vorteile in diesem Kampf. David ist von Beruf Hirte, d.h., dass er häufig auf sich allein gestellt ist im Kampf gegen wilde Tiere und andere Bedrohungen. Er verfügt zweitens durchaus über erhebliches Selbstbewusstsein. ... Drittens ist er geschickt im Umgang mit einer Fernwaffe. … Und: Weil er nicht zu den Soldaten gehört, kann er die Situation von außen anschauen …
Ich möchte nicht sein unendliches Selbstvertrauen, aber ich möchte mir wie er Sachen „von außen“ anschauen können. Ich möchte Verzagtheit wahrnehmen und neue Motivation finden. (Frank Muchlinsky, Fastenmail 2: Meine Ängste, Hrsg. vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, 01.03.23).
Verzagtheit zulassen, wahrnehmen – und dann Wege finden, mit ihr umzugehen, vielleicht sogar sie zu überwinden. Ich muss ja nicht gleich mit Steinen werfen!
Lassen wir uns anregen von Ps 23! In Vers 5 lesen wir: Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Ich bin bedroht, das verschweigt der Vers nicht. Aber in dieser Bedrohung erinnert er mich daran, dass mit Gott auch einer für mich da ist und für mich sorgen will. Gott.
Paulus nimmt diesen Gedanken auf (2Kor 6, 4f+9 i.A. )
4 … in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten, 5in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhr, in Mühen, 9… und siehe, wir leben;
Zum Umgang mit meiner Verzagtheit rate ich zum Fernglas.
Hätte David ein Fernglas gehabt, hätte er sich nach dem ersten Erschrecken und Zittern den Goliat näher herangeholt und hätte ihn genau betrachtet. Und er hätte seine Schwachstelle erkannt – das unvollkommen geschützte Gesicht. Vielleicht hätte er das Fernglas auch umgedreht. Dann hätte Goliat relativ klein und weit weg ausgesehen.
Beides ist wichtig: sich der Bedrohung und der eigenen Verzagtheit zu stellen. Aber auch zu erkennen, dass die Bedrohung ihre Lücken hat, nicht total ist.
Der Tisch ist für mich gedeckt im Angesicht der Bedrohung und meiner Verzagtheit – ich lebe! Und ich werde leben, auch jenseits der Grenze dieses Lebens. Das verkleinert die Bedrohung vielleicht – und wenn nicht, verkleinert sie vielleicht meine Verzagtheit.
Und gelegentlich entpuppt sich die furchterregende Bedrohung auch nur als Schein.
Kennen Sie Herrn Turtur. Michael Ende stellt ihn in seinem Buch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ vor:
Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer haben sich auf eine lange Reise begeben und kommen dabei in eine Wüste. Dort erleben sie ein aufregendes Abenteuer: Jim wollte etwas sagen, als er zufällig nach hinten hinausblickte, doch ihm blieb das Wort im Halse stecken. „Da!", konnte er nur noch flüstern. Lukas drehte sich um. … Am Horizont stand ein Riese von ungeheurer Größe, ... „Oh!“, stieß Jim hervor. „…Schnell weg, Lukas! Vielleicht hat er uns noch nicht gesehen!" „Immer mit der Ruhe!", erwiderte Lukas. Dabei beobachtete er den Riesen scharf. "Ich finde", stellte er fest, "außer seiner Größe sieht der Riese ganz nett aus." „W..., w..., was?!", stotterte Jim entsetzt. „Nun ja", meinte Lukas, „nur weil er groß ist, muss er doch kein Ungeheuer zu sein, oder?" Jetzt streckte der Riese sehnsüchtig die Hand aus. Hoffnungslos ließ er sie wieder sinken und ein tiefer Seufzer schien seine Brust zu heben …: „Bitte, bitte, ihr Fremden, lauft nicht weg! Ich tue euch nichts!"
Mit Entsetzen beobachtete Jim, dass Lukas höflich die Mütze zog und mit seinem Taschentuch winkte. Jetzt würde gleich das Unheil über sie hereinbrechen! Der Riese ... schien unschlüssig und verwirrt. Er fragte: „Heißt das, ich darf nähertreten?" „Jawohl!!", schrie Lukas und ging dem Riesen winkend und fest entschlossen entgegen.
Jim verschwamm vor Entsetzen alles vor Augen. … Auf jeden Fall konnte Jim seinen Freund Lukas nicht allein in solch eine Gefahr hineinlaufen lassen. Deswegen rannte er hinter Lukas her, obwohl ihm dabei die Knie zitterten. „Na, siehst du!", sagte Lukas und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Das ist schon viel besser. Man muss seine Ängste überwinden. Wenn man Angst hat, sieht meistens alles viel schlimmer aus, als es in Wirklichkeit ist!".
… Auch der Riese setzte sich in Bewegung und schritt auf Lukas und Jim zu. Was nun geschah, war sehr erstaunlich. Der Riese kam Schritt für Schritt näher und bei jedem Schritt wurde er ein bisschen kleiner. … und als er schließlich bei den beiden Freunden ankam, war er genauso groß wie Lukas, der Lokomotivführer - er war sogar einen Kopf kleiner! „Guten Tag, ich heiße Herr Tur Tur und bin ein Scheinriese. Je weiter ich entfernt bin, desto größer sehe ich aus. Und je näher ich komme, desto mehr erkennt man meine wirkliche Gestalt." „Sie meinen", fragte Lukas, „Sie werden gar nicht wirklich kleiner, wenn Sie näherkommen? Sie sind auch nicht wirklich so riesengroß, wenn Sie weiter entfernt sind, sondern es sieht nur so aus?" „Sehr richtig.", sagte Herr Tur Tur, „Daher bin ich nur ein Scheinriese." "Siehst Du, Jim", sagte Lukas, "genauso habe ich das mit der Angst gemeint."
Und das nächste Mal gehe ich in der Fußgängerzone auf den vorgeblichen Unhold zu und frage ihn freundlich lächelnd nach der Uhrzeit oder nach dem Weg zum Bahnhof. Nur mal so – um zu lernen, mit meiner Verzagtheit umzugehen.
Gebet:
Gott,
wie zerbrechlich unsere Sicherheiten sind,
wie gefährdet unsere Ordnungen,
das erleben wir in diesen Tagen.
Wütend und fassungslos erleben wir,'
wie Machthaber die Freiheit und das Leben vieler Menschen gefährden.
Wie am Rand Europas ein furchtbarer Krieg begonnen wurde.
'Was geschieht als Nächstes?
'Welchen Informationen können wir trauen?
Was können wir tun, das helfen oder etwas bewegen könnte?
Sieh du die Not.
Sieh unsere Angst.
Wie so viele suchen wir Zuflucht bei dir und Schutz,
innere Ruhe und einen Grund für unsere Hoffnung.
Wir bringen dir unsere Sorgen.
Wir bitten dich für die, die um Leib und Leben fürchten,
und für die, die sich auch angesichts von Gewalt und Krieg
beharrlich für friedliche Lösungen einsetzen.
Wir beten mit Worten aus Psalm 121:
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.
Woher kommt mir Hilfe?
Alle: Meine Hilfe kommt vom Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,
und der dich behütet, schläft nicht.
Amen.