Freitags 5nach6 - Hans im Glück

09. September 2022

316 5nach6 09.09.2022_Hans im Glück                      Seligpreisungen Mt 5,1-12

Hänsel und Gretel, Dornröschen, Froschkönig … sofort können wir uns noch erinnern: Märchen! Figuren tauchen vor unserem inneren Auge auf. Sie sind in gruselige, heimelige, fröhliche und traurige Handlungen verstrickt. Und wir erinnern uns an Situationen, in denen uns die Märchen erst erzählt wurden, in denen wir sie später selbst lesen konnten.

Märchen stecken voller Lebenserfahrungen. Sie enthielten Botschaften für die Menschen der Zeit, in der sie entstanden sind. Haben sie auch Glücksbotschaften für uns in so ganz anderen Zeiten, wenn wir sie im Jahr 2022 hören? Erzählen sie uns etwas vom Glück? Schauen wir mal, z.B. auf den „Hans im Glück“ der Gebrüder Grimm.

Hans wollte nach Jahren der Arbeit heim zu seiner Mutter und bekam von seinem Arbeitgeber einen Klumpen Gold.

Hans packte ihn auf die Schulter und machte sich auf den Heimweg.

Wie er so dahinging …, kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem muntern Pferd vorbeitrabte. 'Ach,' sprach Hans ganz laut, 'was ist das Reiten ein schönes Ding! Da sitzt einer wie auf einem Stuhl, … und kommt fort, wer weiß wie weit.' Der Reiter, …, hielt an und rief: 'Ei, Hans, warum läufst du auch zu Fuß?' 'Ich muss ja wohl,' antwortete er, 'da habe ich einen Klumpen heim zu tragen: es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht gerad halten, auch drückt mir‘s auf die Schulter.'

Glücksbotschaft 1: Reichtum, Gold und Geld, können ein Glück sein. Aber: Reichtum kann Menschen auch bedrücken und verformen (hier den Kopf, u.U. nicht nur äußerlich).  

Und dann tauschte Hans sein Gold gegen das Pferd ein.

Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferde saß … und fing an mit der Zunge zu schnalzen ... Das Pferd setzte sich in Trab, und ehe sich‘s Hans versah, war er abgeworfen und lag in einem Graben, ... Das Pferd wäre auch durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer aufgehalten hätte, der des Weges kam und eine Kuh vor sich hertrieb.

Glücksbotschaft 2: Mobilität kann glücklich machen: Entspannt weit reisen, die Welt sehen, auch die täglichen Wege bequem zurücklegen. Aber sie hat ihre Schattenseiten. Das wissen wir 2022 nur zu gut: Unfälle mit schweren Folgen, Umweltbelastungen ...

Hans suchte seine Glieder zusammen ... und sprach zu dem Bauern: 'Es ist ein schlechter Spaß, das Reiten, …Da lob ich mir Eure Kuh, da kann einer mit Gemächlichkeit hinterhergehen, und hat obendrein seine Milch, Butter und Käse jeden Tag gewiss. …'

'Nun,' sprach der Bauer, 'geschieht Euch so ein großer Gefallen, so will ich Euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen.' Hans willigte mit tausend Freuden ein: der Bauer schwang sich aufs Pferd und ritt eilig davon.

Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her …Die Hitze ward drückender, je näher der Mittag kam, und Hans befand sich in einer Heide, ... Da ward es ihm ganz heiß, so dass ihm vor Durst die Zunge am Gaumen klebte. 'Dem Ding ist zu helfen'' dachte Hans, 'jetzt will ich meine Kuh melken und mich an der Milch laben.'

Doch die Kuh gab nicht so recht Milch und versetzte ihm zudem noch einen heftigen Tritt. So tauschte er die Kuh bei einem Schlachter, der daherkam, gegen ein Schwein.

'Ei, ei,' sprach Hans … Ja, wer so ein junges Schwein hätte! Das schmeckt und dabei noch die Würste.' Hans zog weiter ... Es gesellte sich danach ein Bursch zu ihm, der trug eine schöne weiße Gans unter dem Arm. … Hans fing an, von seinem Glück zu erzählen, und wie er immer so vorteilhaft getauscht hätte. ... 'Hebt einmal,' fuhr der Bursche fort …, 'wie schwer sie ist, die ist aber auch acht Wochen lang genudelt worden. …'

Und es kam, wie es kommen musste: Hans tauschte sein Schwein gegen die Gans.

'Wenn ich‘s recht überlege,' sprach er mit sich selbst, 'habe ich noch Vorteil bei dem Tausch: erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, die herausträufeln wird, das gibt Gänsefettbrot auf ein Vierteljahr, und endlich die schönen weißen Federn, die lasse ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will ich wohl bequem einschlafen.

Glücksbotschaft 3: Essen und Trinken zu haben, ist ein Glück. Aber, das wusste schon Jesus: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, und auch nicht von Milch, Wurst und Gänsebraten. Das Federkissen steht für Gemütlichkeit, guten Schlaf. Auch ein Glück, wer das hat. Aber das Glück kann auch trügerisch sein, dabei ist eine trockene und hinterhältige Kuh noch das geringere Übel. 

Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein Scherenschleifer mit seinem Karren, … Hans sprach: 'Euch gehts wohl, weil Ihr so lustig bei Eurem Schleifen seid.' 'Ja,' antwortete der Scherenschleifer, 'das Handwerk hat einen güldenen Boden. … Ihr müsst ein Schleifer werden wie ich; dazu gehört eigentlich nichts als ein Wetzstein, das andere findet sich schon von selbst.

Das hörte sich gut an und so tauschte Hans den Wetzstein gegen die Gans ein.                       

Glücksbotschaft 4: Arbeit zu haben, ist ein Glück und Voraussetzung für vieles andere.

Hans lud den Stein auf und ging mit vergnügtem Herzen weiter; seine Augen leuchteten vor Freude, 'ich muss in einer Glückshaut geboren sein,' rief er aus … Indessen, weil er so lange auf den Beinen gewesen war, begann er müde zu werden; auch plagte ihn der Hunger, …zudem drückten ihn die Steine ganz erbärmlich. … Wie eine Schnecke kam er zu einem Brunnen geschlichen, wollte da ruhen und sich mit einem frischen Trunk laben: damit er aber die Steine nicht beschädigte, legte er sie bedächtig neben sich auf den Rand des Brunnens …da stieß er ein klein wenig an und beide Steine plumpten hinab.

Glücksbotschaft 5: Arbeit allein erschöpft, bedrückt und man kann sie leicht verlieren.

'So glücklich wie ich,' rief er aus, 'gibt es keinen Menschen unter der Sonne.' Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war.

Glücksbotschaft 6: Zum Glück gehören auch Orte, an denen man sich beheimatet fühlt, und Beziehungen zu Menschen, die einem eine „soziale Heimat“ bieten.

Um nicht missverstanden zu werden. Dies Märchen hat ja etwas Komödiantisches, man könnte schmunzeln über die Einfalt und Dümmlichkeit des Hans. Dabei dürfen die angesprochenen Glücksvorstellungen aber nicht verächtlich gemacht werden.

Diese ständigen Tausche zeigen doch nur, dass Glück vorläufig und flüchtig ist, dass sich die Vorstellungen von Glück je nach Lebenssituation wandeln können. Somit ist das Leben immer auch eine ständige Suche nach dem Glück, der Weg ist das Ziel.

Gebet
Ach Gott, ich schaue zu dir auf und hoff, dass du mich siehst,
das du mich nimmst, so wie ich bin, und was ich brauch, mir gibst.
… du weißt, was ich begehr,
… und was ich wünsch so sehr.
Ich kleines armes Menschenkind, ich denk an Ruhm und Ehr,
an Gold und bunten Edelstein, doch brauch ich das so sehr?
In meinem kleinen Erdenkreis, da zählt sowas die Welt,
und richtig glücklich scheint zu sein, wer hat viel Ruhm und Geld.
Doch ist der wirklich so zufrieden, oder scheint’s nur so zu sein?
Scheint der, der wirklich reich am Geld, auch wirklich reich zu sein?
Ach, guter Gott, du kannst ins Herze sehn,
nur du kennst mich, nur du kannst mich verstehn.
So geb ich mich in deine Hand
und hoffe nun auf dich.
Und sollt ich schon am Abgrund steh’n, so, bitte, rette mich.
Mach aus diesem dürr Gestrüpp den schönsten Rosenstrauch,
und gib mir, was ich wirklich brauch.

Guido Hobitz