Freitags 5nach6 - Die Sintflut_ Tradition

03. Juni 2022

305 5nach6 03.06.2022_Die Sintflut_Tradition     Ps 104

„Alles Gute kommt von oben“ – wie der Regen am Wochenende vor Himmelfahrt, als dieser Text entstanden ist.

„Alles Gute kommt von oben“ – wie der Heilige Geist, der zu Pfingsten – wie es erzählt wird - aus dem Himmel über die Jünger gekommen ist.

„Alles Gute kommt von oben“ – wie der Regenbogen, den Gott nach der Sintflut über die Erde an den Himmel spannt und durch den er sich unauflöslich mit uns Menschen verbindet, verbündet. Und der Regenbogen macht anschaulich die Zusage „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (1Mose 8,22)“. So will es Gott für uns. Welch ein Segen ist dies Versprechen!

Der Segen. Auch er ist etwas Gutes, das von oben über uns kommt.

Wenn unser Pastor die Täuflinge, die Konfirmanden/innen oder die Hochzeitspaare segnet, legt er denen, die vor ihm knieen, die Hände auf. Und wenn er uns am Ende des Gottesdienstes segnet, erinnern die ausgebreiteten Arme auch an den Regenbogen und damit an die Verbindung, die Gott mit uns sucht. „Der HERR segne dich und behüte dich; Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; Der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“ Leicht erhöht steht unser Pastor dabei auf den Stufen vor dem Altar. Das Gute kommt also auch in diesem Fall „von oben“.

Die Gesten sind vertraut, die Worte sind vertraut. Das ist wichtig, das drückt eine Verlässlichkeit aus, in der man sich geborgen fühlen kann.

Es gibt auch Missverständnisse mit Blick auf den Segen:

Das magische Missverständnis der Unverwundbarkeit, das Siegfried-Missverständnis. Sie erinnern sich? Das Bad im Drachenblut machte Siegfried unverwundbar. (Blöd nur, dass sich das Lindenblatt auf sein Schulterblatt setzte und das Drachenblut dort nicht hinkam. Und genau da traf ihn dann der tödliche Speerwurf des Verräters.) Der Segen schützt nicht. Auch als Gesegnete können wir Fehler machen, Opfer des Bösen werden, Unfälle und Krankheiten erleiden, ja, und am Ende sterben wir.

Und was nutzt dann der Segen, wenn er uns davor nicht bewahrt? Wie der Regenbogen wölbt sich der Segen Gottes über unser Leben, fängt schon vor der Geburt an und hört mit dem Tod nicht auf. Anfang und Ende des Regenbogens sehen wir nicht. Und in all den genannten schwierigen Situation will Gott bei uns sein. Wie heißt es doch in unserer Eingangsliturgie? Wir sind nicht allein. Wir sind verbunden mit Gott, in dem alles Leben und Sterben gut aufgehoben ist.

Gott bewahrt uns nicht vor dem Leid, aber auch im Leid ist er bei uns, er begleitet uns. 

Dann ist da noch das magische Missverständnis des Materiellen, das Sterntaler-Missverständnis. Sie erinnern sich? Das arme Sterntaler-Kind hält sein Hemdchen auf und vom Himmel fallen die Goldtaler hinein. Wer den Segen als Garantie für Wohlstand, Wohlergehen, Erfolg und Ansehen sieht, verwechselt Segen mit Zauberei. Die Begriffe Erntesegen, Geldsegen zeigen, wie tief dieses Missverständnis in unserer Sprache und damit in uns verwurzelt ist.

Und was nutzt dann der Segen, wenn er uns nichts Greifbares bringt? Gott verbindet das Setzen des Regenbogens mit der Zusicherung „Es sollen nicht aufhören Saat und Ernte“ Wachsen und Werden, einen Prozess des Lebens sichert er uns zu. Er verspricht uns einen Wachstumsprozess, der das Landwirtschaftliche einschließt, aber darüber hinausgeht. Auch wir haben die Möglichkeit zu wachsen, zu werden, zu reifen – und letztlich reifen wir auf Gott zu. Wir reifen auf unsere Vollendung bei und in Gott zu. Wie heißt es doch in unserer Liturgie: Wir sind verbunden ... mit dem Heiligen Geist, in dem Gott uns nahe bleibt. Und bleiben heißt wirklich – bleiben, immer und ewig.

Es gibt aber noch andere Seiten des Segens – ungewöhnliche. Pfarrerin Jasmin El-Manhy erzählt vom Segenbüro in Berlin-Neukölln. (Jasmin El-Manhy, Was möglich ist im Leben, in: Andere Zeiten e.V., andere zeiten 02/22 – Magazin zum Kirchenjahr, Hamburg, S.10f – Zitate kursiv)

Die kleinen Dinge zählen. So sagte es Jesus. Wenn ich an Segen denke, dann sage ich mir das immer wieder. Diese kleine Geste, das kleine Wort – das zählt. Nicht, weil etwas Großes daraus wird, sondern weil es wird. Aus dem kleinen Senfkorn wird ja nicht ein großes Senfkorn, sondern es wird ein Baum … So ist es mit dem Segen. Er hilft uns zu wachsen im Sinne von Werden. …

Im Glaubenszusammenhang meint Werden … ein Werden, das unabhängig ist von dem, was ich leiste. Werden als ein offener Prozess der Veränderung. Segen fördert und stärkt diesen Prozess. Segen feiert ein Werden, das außerhalb jeder Bewertung und Verwertung stattfindet. Segen ist Öffnung hin zu dem, was möglich ist in der Liebe, im Leben und darüber hinaus.

Die kleinen Dinge zählen. So sagte es Jesus. Und er verschenkte lauter kleine Gesten. … Er teilte ein paar Brote und wenige Fische. Eine kurze Begegnung, eine Berührung, ein paar kleine Worte. Er tat das unterwegs, beim Essen, im Tempel im Haus, auf dem See wo er (und die anderen Menschen, UG) gerade war.

Für Menschen, die darum wissen, bietet die Kirche (immer wieder und besonders, UG) zu den großen Festen des Lebens eine Segnung an: Taufe, Konfirmation, Eheschließung, und auch bei der Bestattung.

Wenn man nichts davon weiß, ist es schwer, dieses Angebot zu finden. Deshalb gibt es in Berlin ein Segensbüro: ein kleines Büro, besetzt mit zwei Pfarrstellen, einer Künstlerin … einer halben Küster:innenstelle. Wir sitzen in einem Glaskasten auf einem sehr belebten Platz in Neukölln. Der Glaskasten ist an eine Kirche angebaut und vorn an der Tür steht groß SEGENSBÜRO. Den ganzen Tag kommen Menschen rein und wollen irgendetwas. Alles Mögliche. Sie fragen nach Öffnungszeiten, nach Angeboten, sie haben Ideen und suchen einen Ort dafür, sie wollen spenden, sie wollen Segen, sie wollen Geld, ein Gespräch, eine Toilette.

Wir sind dabei, Segen zu verschenken. Überall da, wo Menschen in ihren Beziehungen und in ihrem Leben herausgefordert sind, zu WERDEN. … Weil sie ein Baby haben … Weil sie Geburtstag haben … Weil sie kirchlich heiraten wollen. Weil sie schwanger sind …  Die kleinen Dinge zählen. Auch in einer großen Stadt wie Berlin.

Wir spüren alle hier deutlich, dass etwas WIRD an diesem Ort. Wir sind mitten im offenen Prozess von Veränderungen. Und das bedeutet auch, dass alles Mögliche schiefgeht. Der Heilige Geist tickt offensichtlich anders als wir. Oft haben wir das Gefühl, nicht zu dem zu kommen, was wir uns eigentlich vorgenommen haben. Weil wieder jemand reinschneit und uns ablenkt. Und dann wieder merken wir, dass in der Ablenkung das Eigentliche stattfindet – die Begegnung, der Austausch. Die Heilige Geistkraft weht, wie sie will. Beim ersten Pfingstfest ging es angeblich ja auch drunter und drüber …“

Wir haben es einfach nicht in der Hand! Mag man im Alltag denken, dass jeder seines Glückes Schmied ist und man mit Selbstoptimierung vorankommt – all das führt an Grenzen.

Der Theologe Fulbert Steffensky schreibt (Die Grundgeste des Glaubens – Der Segen, in: Das Haus, das die Träume verwaltet, Würzburg, 2009):

Wer sich nur als Macher gerechtfertigt sieht, kann nicht mit Situationen fertig werden, in denen er nichts mehr machen kann und in denen er an seine Grenzen stößt (S.28) … Du birgst dich nicht in deiner eigenen Hand, denn du bist geborgen … ehe du dir einen Namen gemacht hast … Der Segen ist der Ort höchster Passivität (an dem alles eigene Machen und Tun aufhört, UG) … Es ist der Ort, an dem wir werden, weil wir angesehen werden; es leuchtet ein anderes Antlitz über uns als das eigene (S.29) … Im Segen wird inszeniert, was Gnade ist: nicht selbst erringen müssen, wovon man wirklich lebt. (S.33) Der Segen hat sein Feuer dadurch, dass er die Dramatisierung großer Wünsche, großer Leiden und großer Hoffnungen ist. Der Segen ist mit Lebenssituationen verbunden: mit Tod, Geburt, Heirat, Schuld, Krankheit – und immer wieder mit Begrüßung und Abschied. Die Begrüßung und Abschiedsformeln sind oft Segensformeln: Shalom, Heil, Salud, Adios, Adieu … (S.41) Deutsch: Sei du Gott befohlen, Gott anvertraut.

Übriges: In weiten Teilen des deutschen Sprachraums sind Abwandlungen wie das norddeutsche Tschüss (adjüs von adieu und ade) oder das rheinische tschö gebräuchlicher. Mittlerweile ist unter Jugendlichen in ganz Deutschland vor allem das italienische ciao gebräuchlich.    

Gebet und Segen

Alter irischer Reisesegen

Möge dein Weg dir freundlich entgegenkommen,
möge der Wind dir den Rücken stärken.

Möge die Sonne dein Gesicht erhellen
und der Regen um dich her die Felder tränken.

Und bis wir beide, du und ich, uns wieder sehen,
möge Gott dich schützend in seiner Hand halten.

Gott möge bei dir auf deinem Kissen ruhen.

Deine Wege mögen dich aufwärts führen,
freundliches Wetter begleite deinen Schritt.

Und mögest du längst im Himmel sein,
wenn der Teufel bemerkt, dass du nicht mehr da bist.