Freitags 5nach6 - 7 W ohne Panik 1

28. Februar 2025

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„… und meine Darmbeschwerden waren wie weg!“ Hundertmal gehört, diesen Satz, oder? Werbung für das Medikament Kijimea, das bei Reizdarm hilft - oder helfen soll.

In einem neueren Werbefilm ist eine Frau zu sehen – nicht mehr jung, aber auch nicht alt – die einigermaßen hektisch zu erzählen weiß, wie vollgepackt und gehetzt ihr Alltag ist. Dann guckt sie dem Zuschauer direkt ins Gesicht und bekennt – etwas langsamer und leidend oder vielleicht auch schuldbewusst sprechend - verschiedene Darmbeschwerden: Völlegefühl, Durchfall … Und dann – leiser und verschämt sprechend – Blähungen. Dann hellt sich ihre Miene auf und sie erzählt, dass ihr Arzt ihr eben jenes Medikament empfohlen hat. „… und meine Darmbeschwerden waren wie weg!“

Warum erzähle ich Ihnen von dieser Frau?

Sie ist typisch für unsere Zeit. Die vielfältigen Herausforderungen unseres modernen Alltags führen bei vielen zu Überforderung, Erschöpfung, Ängsten zu versagen, Nervosität. Und irgendwann reagiert der Körper. Und was machen viele? Statt an der Ursache anzusetzen, wird der Körper mit Medikamenten dazu gebracht, die krankmachenden Lebensumstände besser zu ertragen!

Und wenn irgendwann Kijimea nicht mehr reicht und die Beschwerden zunehmen, sich vielleicht sogar auf die Seele legen. Dann heißt es nicht mehr voller Lebensfreude „Atemlos durch die Nacht“, dann quält man sich atemlos durch das Leben – jeden Tag! Dann kann aus der alltäglichen Hektik schnell Panik werden, Angststörungen treten auf, burn out, Depressionen …

Es ist vielleicht ganz gut, dass die diesjährige evangelische Fastenaktion - die 2025 vom 5. März bis zum 21. April unter dem Motto steht „Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“.

Unser Landesbischof Ralf Meister schreibt dazu (Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik | 7 Wochen Ohne):

Wir leben in atemlosen Zeiten. Gewalt und Hass sorgen uns. Panik verbreitet sich und treibt uns in die Enge. Eine Sprache der Dauerempörung macht uns taub. Immer schwerer wird es, ruhig zu atmen und sich dieser Überwältigung zu entziehen. Die Suche nach dem, was wir wirklich brauchen, die Frage nach den Quellen unseres Trostes und unserer Freude brauchen Zeiten des Luftholens. Am Meer oder anderswo. Ein- und ausatmen. Am Meer zu stehen und im Rhythmus der anbrechenden Wellen die salzige Luft zu atmen, wie gut tut das!
 

Vom ersten bis zum letzten Atemzug – unser ganzes Leben hängt davon ab, dass wir Luft holen. Rund 20 000 Mal am Tag atmen wir ein und aus, versorgen unseren Körper mit Sauerstoff, beeinflussen unseren Herzschlag und sogar die Stimmung.

Der Mensch ist von Anbeginn eng verbunden mit dem Atem Gottes. Gottes Odem schuf in der Schöpfungsgeschichte aus dem Klumpen Erde den ersten Menschen. Ohne Gottes Atem wäre der Mensch tote Materie geblieben. Diesem Odem nachzuspüren, ihn wieder in sich aufzunehmen, braucht bewusste Zeit. Sieben Wochen sind dafür eine gute Spanne: „Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“. Die Wochenthemen der Fastenaktion führen in eine Zeit, die quer zu der Atemlosigkeit unseres Alltags steht. Eine Zeit mit dem, der gekreuzigt wird und aufersteht. Jesus hat schon zu Lebzeiten für sich Rückzugsorte und bewusste Zeiten gefunden, um wieder mit Gottes Atem in Kontakt zu kommen.

Jesus in einer Auszeit? In einer Wellness-Oase?

Nun, ganz so war es wohl doch nicht. Der Evangelist Matthäus erzählt (Mt 4, 1-11 i.A.)

Danach wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt. Nichts war es mit Wellness. Absolute Reizlosigkeit statt animiertem Wellness-Programm, absolute Kargheit statt Obst, Säften, Yoga und sanfter Musik.

Jesus fastete 40 Tage und 40 Nächte lang. Dann war er sehr hungrig.

Und Hunger macht empfänglich für die unterschiedlichsten Reize, macht unruhig, kann im äußersten Fall auch zu Wahnvorstellungen führen … Wir haben ja auch manchmal einen „wahnsinnigen“ Hunger …

Da kam der Versucher und sagte zu ihm: »Wenn du der Sohn Gottes bist, befiehl doch, dass die Steine hier zu Brot werden!«

Natürlich, wer Hunger hat, hat als erstes Hungerphantasien. Das Märchen vom Schlaraffenland oder vom süßen Brei kommt mir in den Sinn.

Und wer arm dran ist sehnt sich nach Geld. Und wer ganz reich ist, vielleicht sogar noch mehr – geradezu gierig ist er danach. Wie viele hetzen danach (obwohl sie auskömmlich leben) und kommen nicht zur Ruhe.

Jesus aber antwortete: »In der Heiligen Schrift steht: ›Der Mensch lebt nicht nur von Brot. Nein, vielmehr lebt er von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt.‹«

Hunger mach empfänglich – ja, aber nicht nur für die gewohnten Dinge. Wenn Magen und Darm nichts zu tun haben, ist mein Denken irgendwann nicht mehr vom Hunger nach Brot oder Geld gefangen, der Kopf wird frei für anderes, z.B. für das Wort Gottes.  

Dann nahm ihn der Teufel mit in die Heilige Stadt. Er stellte ihn auf den höchsten Punkt des Tempels und sagte zu ihm: »Wenn du der Sohn Gottes bist, spring hinunter! Denn in der Heiligen Schrift steht: ›Er wird seinen Engeln befehlen: Auf ihren Händen sollen sie dich tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.‹«

Das wär’s doch. Ich springe von St.Johannis und bleibe unversehrt. Ulrich ist der Größte! Hunderte, Tausende von Followern wären mir sicher! Make Ulrich great again!

Die Jagd nach Anerkennung, nach Ansehen nach Einfluss – auch das treibt viele um. Wer hat meine Botschaft in den sozialen Medien gesehen? Wie viele haben sie gesehen und ein Emoji dazu gepostet? Das fragen sich viele nervös – oft über Stunden am Tag. Hektisch huschen die Finger über die Tasten des Handys, gebannt wird auf das Display geschaut, damit man nur ja nichts verpasst.

Jesus antwortete: »Es steht aber auch in der Heiligen Schrift: ›Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen!‹«

Ich muss Gottes Liebe nicht austesten. Gott hat sie mir in der Taufe zugesagt – und auf sein Wort ist Verlass. Ich muss ihn auch nicht eifrig, ja übereifrig mit allen möglichen guten Werken und frommem Geplapper zu bestechen versuchen und mich dabei unter Druck setzen. Ps 23 gilt: Der Herr ist mein Hirte … und ich werde bleiben in seinem Haus immerdar.

Wieder nahm ihn der Teufel mit sich, dieses Mal auf einen sehr hohen Berg. Er zeigte ihm alle Königreiche der Welt in ihrer ganzen Herrlichkeit. Er sagte zu ihm: »Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest!«

Tja, alle Reiche der Welt, alle Menschen, alle Bodenschätze könnten mir gehören, wenn ich nicht Gott sondern das goldene Kalb des Besitzens anbete, dessen Glanz meine Sinne gefangen nimmt und mich danach und nur danach streben lässt. Dabei verliere ich mich, dabei verliere Freunde, dabei verliere ich Gott – nun gut, dafür habe ich vielleicht Grönland, Panama, den Gazastreifen und die Bodenschätze der Ukraine.

Da sagte Jesus zu ihm: »Weg mit dir, Satan! Denn in der Heiligen Schrift steht: ›Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihn allein verehren!‹« Daraufhin verließ ihn der Teufel. Da kamen Engel und sorgten für ihn.

Jesus ist frei geworden, hat sich befreit. Befreit kann er nun durchatmen, aufatmen. Er ist ganz bei sich, ganz bei Gott.

Was verlockt uns, nimmt uns regelrecht gefangen und hält uns so von uns selbst, von Gott und von unseren Mitmenschen fern? Sich die eigenen „Gefangenschaften“ bewusst zu machen, zu erkennen, dass und wodurch man sich selbst und anderen fremd geworden ist – das ist der erste Schritt zur Befreiung.

Die vor-österliche Fastenzeit ist eine gute Zeit dafür.

Jesus ist frei geworden für andere und anderes. Matthäus erzählt weiter, dass er zum See Genezareth zieht und dort beginnt, zu predigen und Anhänger um sich zu scharen.

 

Gebet (nach: Hausgebet_Fastenzeit_2022.pdf):

Gott, gib du uns den Mut,
auf die Ohren des Herzens gut zu achten, um sie für dich zu öffnen.
Schenke du uns die Ruhe, die Stille und das Schweigen,
um auf deine Stimme zu hören und ansprechbar zu sein für dich.
Schenke uns die Bereitschaft uns von dir sagen lassen, worauf es ankommt.

Gott, gib du uns den Mut,
uns auf deine Gegenwart in deinem Wort einzulassen,
um dich darin zu erfahren und dir zu begegnen.
Offenbare uns das Geheimnis deiner verborgenen Wirklichkeit in allem.

Gott, gib du uns den Mut, ernsthaft nach dir zu fragen,
dich in allem zu suchen, um uns von dir finden zu lassen.
Du bist oft der ganz andere, als der, für den wir dich halten.
Schenke und erhalte uns ein Herz,
das sich von dir überraschen, beschenken und auch herauslocken lässt ins Wagnis der Liebe.

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St. Johannis Königsdahlum