Freitags 5nach6 - Hoffnung für Kids 2 – die Sintflut_ Tradition

20. Mai 2022

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„Nach mir die Sintflut“ – diese Redewendung veranschaulicht genau das, was Gott meint, wenn die Verfasser des 1Mos in sagen lassen: Denn von Jugend an haben sie nur Böses im Sinn (8,21). Es ist diese totale Ausrichtung des Lebens auf mich selbst, die eigene Gruppe, das eigene Land. Nur meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche, nur mein eigenes Wohlergehen, nur meine eigenen Vorteile zählen. Was vor mir war, was nach mir kommt, wer neben mir auch gut leben will, das zählt nicht, das kann getrost der Zerstörung anheimfallen. In der Ukraine wird uns das aufs Schlimmste vorgeführt.

Wie sieht diese böse Lebensweise aus? Manchmal werden mir Dinge klarer, wenn ich sie mir aus einer gewissen Entfernung betrachte. Schauen wir also einmal aus einer gewissen Entfernung auf die Lebensweise, die in unserer Zeit recht verbreitet scheint. Schauen wir mal mit Detlev von Liliencron (1844 – 1909) auf unsere Zeit. Schauen wir – noch einmal, wie am letzten Freitag - durch die Brille seiner Ballade „Trutz, blanke Hans“.

Die Ballade handelt vom Untergang der auf einer Nordseehallig gelegenen Stadt Rungholt. Diese Stadt gab es tatsächlich und sie soll außerordentlich wohlhabend gewesen sein. Im 14. Jahrhundert wurde sie von einer Sturmflut überschwemmt und in die Tiefe gerissen. Der „blanke Hans" ist das personifizierte Meer mit seinen Wogen und Stürmen und „Trutz" der Wille der Küsten- und Inselbewohner, seinen Gewalten zu trotzen.

 Heut bin ich über Rungholt gefahren
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren
Immer noch schlagen die Wellen … wild und empört
Wie damals, als sie die Marschen zerstört.

Und für Liliencron war es damals so:

Rungholt ist reich und wird immer reicher
Kein Korn mehr fasst selbst der größeste Speicher
Wie zur Blütezeit im alten Rom
Staut hier alltäglich der Menschenstrom
Die Sänften tragen Syrer und Mohren
Mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren
Trutz, blanke Hans.

Worum ging es in Rungholt? Um immer mehr Land, das man dem Meer abzwingen wollte. Ums Viel-Haben, ums Mehr-Haben, ums Reich-Werden und ums Immer-Reicher-Werden. Natürlich soll dieser Reichtum auch zur Schau gestellt werden – z.B. mit Goldblech und Flittern in den Nasen und Ohren der Arbeitssklaven.

Ja, das gehört auch dazu: Armut und Unterdrückung der anderen sind die Kehrseite dieses Lebensstils. Wer viel besitzt, der hat auch viel Macht, die er entweder selbst ausübt oder ausüben lässt von seinen Beschäftigten, von Firmen oder Banken, denen er sein Geld zur Verfügung stellt – oder von bewaffneten Truppen.

Und das Bestreben, endlich auch reich und mächtig zu werden oder zumindest etwas reicher und etwas mächtiger zu werden, das hält dieses Hamsterrad des rastlosen Raffens auch für die weniger Reichen in Gang. Aber auch Angst ist im Spiel. Die Angst, etwas von seinem Ansehen, seinem Land, seinem Besitz und seiner Macht – und sei beides auch noch so klein – zu verlieren, verleiht diesem Hamsterrad zusätzlichen Schwung. Und es dreht sich ohne Rücksicht auf Verluste nach dem Prinzip „nach mir die Sintflut“!

Liliencron beschreibt Rungholts Zeit weiter – beschreibt er auch unsere Zeit?

Auf allen Märkten, auf allen Gassen
Lärmende Leute, betrunkene Massen
Sie ziehen am Abend hinaus auf den Deich
„Wir trutzen dir, blanker Hans, Nordseeteich!“

Trutz, blanke Hans

Lärm – Ausdruck des hemmungslosen Genusses, krampfhafter Versuch, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, sich – gern auch auf Kosten des anderen - in den Mittelpunkt zu stellen, ja, auch Zur-Schau-Stellung eigener Macht bis hin zur Gewalttätigkeit.

Trunkenheit – im Rausch von Drogen, aber auch im Rausch des Kaufens und Konsumierens, im Rausch von Bildern und Musik mir meine Welt schaffen, in der ich mein ganz persönliches Glück genießen – und die Augen vor der Wirklichkeit verschließen kann.

Die Rungholter rufen: Trutz, blanke Hans – also „verpiss dich, Meer!“ Ja, und wenn ich die Wirklichkeit um mich herum, die Natur, schon mal wahrnehme, dann verachte ich sie (Teich) dann bedrohe ich sie. Heute nicht mit Fäusten, da haben wir mehr und feinere Möglichkeiten gefunden.

Ein einziger Schrei, die Stadt ist versunken
Und Hunderttausende sind ertrunken
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch
Schwamm andern Tags der stumme Fisch!
Heut bin ich über Rungholt gefahren
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren
Trutz, blanke Hans???

Nein, es wird nicht gut gehen.

Die Priester, die das erste Mose-Buch verfasst haben, scheinen von tiefer Weisheit geprägt gewesen zu sein. Sie lassen Gott sagen:

Von Jugend an haben die Menschen nur Böses im Sinn. (1Mo 8,21)

Die Menschen in Rungholt sind ein gutes bzw. schlechtes Beispiel. Und wir?

Die Priester lassen Gott nach dieser deprimierenden Einsicht fortfahren:

»Seid fruchtbar, vermehrt euch und bevölkert die Erde! 2Furcht und Schrecken soll von euch ausgehen für alle Tiere: … Ich gebe sie in eure Hand.3Alles, was sich regt und lebt, soll eure Nahrung sein. Bisher waren es nur Pflanzen, nun gebe ich euch alles zu essen.4Nur Fleisch, in dem noch Blut und damit Leben ist, dürft ihr nicht essen! (1Mo9,1-4)

Ups, d.h. dass unsere Lebensweise, mit der wir Schrecken über die Welt bringen, ganz im Sinne Gottes ist? Ich denke nicht.

 „Ich gebe alles in eure Hand.“, sagt Gott. Es liegt an uns, ob es eine schützende Hand oder ein Würgegriff, eine Faust wird … Wir sind so frei – nach Gottes Willen

Und die Priester lassen Gott noch einen Hinweis geben (1Mo 9,5): 5Wenn aber euer Blut vergossen wird, fordere ich Rechenschaft für euer Leben. Ich fordere sie von jedem Tier und ebenso vom Menschen. Jedes vergossene Blut, jedes zerstörte Leben zählt bei Gott – all lives matter! Und wer es gefährdet und zerstört, muss dafür Rechenschaft abgeben vor Gott.

Wie das geht? Jüngstes Gericht? Gibt es am Ende eine große himmlische Gerichtsverhandlung mit Freispruch zum Paradies oder Verurteilung zur Hölle? Ich halte wenig von diesem alten Bild. Gott gegenüberstehen, Rechenschaft ablegen, als ob Gottes Auge ein Spiegel ist, in dem ich mich und mein Tun und Lassen sehe, in dem ich mir selbst begegne, mit mir konfrontiert werde – ja, ich denke schon.

Vielleicht sollten wir weniger Vermutungen über das Jüngste Gericht anstellen und mehr über das Gericht der Jüngsten nachdenken. Damit wären wir dann bei unseren Kindern, Enkeln und Urenkeln … Wie stehen wir da vor diesem Gericht der Jüngsten? Immerhin bedenken wir an Weihnachten, dass Gott die Gestalt eines Kindes angenommen hat. Vielleicht stehen wir ja – wenn wir vor dem Gericht der Jüngsten stehen – zugleich auch vor Gott … ­­­­­

Kein Jüngstes Gericht – mit Himmel und Hölle? Ich denke, dass der Bund Gottes mit mir und uns über meinen und unseren Tod hinaus reicht. Der Regenbogen der Liebe Gottes vom Ende der Sintflut-Erzählung wird sich auch nach dem Tod über uns wölben.

 

Gebet: Gott gab uns Atem (nach: EG 432)

Gott, du gabst uns Atem, damit wir leben.
Du gabst uns Augen, dass wir einander sehn.
Du hast uns diese Erde gegeben,
dass wir auf ihr die Zeit bestehn. …

Gott, du gabst uns Ohren, damit wir hören.
Du gabst uns Worte, dass wir verstehn.
Du willst nicht diese Erde zerstören.
Du schufst sie gut, du schufst sie schön. …

Gott, du gabst uns Hände, damit wir handeln.
Du gabst uns Füße, dass wir fest stehn.
Du willst mit uns die Erde verwandeln.
Wir können neu ins Leben gehn.