Freitags 5nach6 - Was tun zum 1. Mai?

29. April 2022

301 5nach6 29.04.2022_Was tun zum 1. Mai?

Was tun bei 5nach6? Was liegt an? Diese Frage hat mich am vergangenen Wochenende wirklich umgetrieben.

An verschiedenen Orten wird wieder in den Mai getanzt: Soll es vielleicht mal gehen um Freude und Bewegung in Gemeinschaft – nach all den Corona-Entbehrungen?

Oder … im Harz wird der Hexensabbat betrieben. Wäre Aberglaube ein Thema oder die unsägliche Schuld, die die Kirchen mit ihrer Hexenverfolgung auf sich geladen haben?

Und dann der 1. Mai, der Tag der Arbeit! Gott als Handwerker, nämlich als Töpfer, der den Menschen aus Lehm formt? Gott als Gärtner im Paradies? Jesus, der Handwerkersohn? Sein Gleichnis vom Weinbergbesitzer, der allen gleichen, lebenssichernden Lohn zahlt, obwohl sie unterschiedlich lange gearbeitet haben?

Oder soll ich den österlichen Aufbruch, z.B. in der aufgrünenden und aufblühenden Natur bedenken und den Auftrag des Menschen, diese immer wieder neue Schöpfung zu bewahren und zu bebauen, zu kultivieren.

Also – der Tanz in den Mai! Ein Fest des Frühlings nach der Dunkelheit und der – relativen - Kälte des Winters. Die Sonne scheint heller und länger, diese langen, lichten Tage locken das Leben heraus. Das gilt nicht nur für die Natur. Auch die Menschen kommen aus ihren Häusern, man sieht sich, trifft sich, hat einander viel zu erzählen. Die Freude aneinander und miteinander bricht sich Bahn und findet einen Ausdruck in Musik und Tanz. Das alles haben wir bitter nötig nach den zurückliegenden Monaten.  

Jedoch – es ist wie auf dem Luxusdampfer Titanic. Während unten der Eisberg das Schiff aufreißt, Wasser hereinbricht und Menschen ertrinken, wird oben noch zu flotter Musik in feiner Abendgarderobe getanzt. Während wir den Mai, das Leben feiern, werden im mörderischen Krieg in der Ukraine zahllose Leben auf grausamste Weise vernichtet.

Also doch lieber Hexen und Dämonen? Wie praktisch das doch war: Man erfand Fabelwesen oder – schlimmer noch – man nahm wirkliche Menschen, vorzugsweise Frauen, machte sie auf in gruseligen Phantasien Weise zu Dämoninnen – und schob ihnen die Schuld an allerlei Unheil in die Schuhe. Und die öffentliche Verbrennung dieser Menschen wurde zum gruselig-erregenden Schauspiel für das Volk.  

Jedoch - während man inzwischen durchaus kritisch auf diese Hexenverfolgung schaut, feiert das Laster der Dämonisierung fröhliche Auferstehung: Putin, die Bestie, der Teufel! Der Krieg in der Ukraine ist Putins Krieg! Und wenn sie könnten, wie sie wollten, würden Hunderttausende selbst den Scheiterhaufen anzünden, auf dem der russische Präsident verbrannt wird. Noch ein Selfie mit dem brennenden Diktator im Hintergrund und das Ganze schnell bei Facebook oder YouTube eingestellt.

Dabei ist das grausige Geschehen in der Ukraine in seinen Ursachen und mit seinen weltweiten Folgen wohl doch etwas vielschichtiger …

Also, dann vielleicht besser der 1. Mai, der Tag der Arbeit. „GeMAInsam Zukunft gestalten“, das ist das Motto des Deutschen Gewerkschaftsbundes für diesen Tag der Wertschätzung von Arbeit und derer, die sie als abhängig Beschäftigte tun. Wer den Tag nicht als Familientag verlebt, sondern zu Kundgebungen oder Demonstrationen geht, stellt sich hinter die Forderungen nach Solidarität und Gerechtigkeit in Arbeitswelt und Gesellschaft, wenn es um die Bewältigung der großen digitalen und ökologischen Aufgaben in der Arbeitswelt geht.

Jedoch – der Krieg in der Ukraine beherrscht auch die Arbeitswelt! Energie wird knapp, Lieferketten reißen, Rohstoffe werden knapp, Produktionskosten und Verbraucherpreise steigen in ungeahnte Höhen, der Staat muss Unsummen zuschießen, um das schlimmste zu verhindern. Und in der Ukraine werden die Ergebnisse von jahrzehntelanger Arbeit von Panzerketten zermalmt, von Bomben zerstört. Und die Arbeiter und Arbeiterinnen und ihre Angehörigen sterben zu tausenden auf den Straßen, in den Städten der Ukraine. Die Arbeit selbst wird vielerorts auf Kriegsbedingungen und -erfordernisse umgestellt.

Sie merken es, ich komme nicht los vom Krieg in der Ukraine, der immer mehr zu unser aller Krieg in Europa und der Welt wird.

Staaten auch außerhalb Europas beteiligen sich an den vor allem wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Russland. Wegen des Krieges fehlendes Getreide wird in Afrika und in Asien zu Hunger und neuen Flüchtlingsbewegungen führen. Wirtschaftliche Verwerfungen mit neuer Kurzarbeit, u.U. Arbeitslosigkeit und die unaufhaltsamen Preissteigerungen machen auch bei uns Menschen das Leben schwerer.

Kürzlich hatte ich Heraklits Satz bemüht „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ – nun, wenn es so ist, dann ist es ein Rabenvater!

Was also ist zu tun?

Tanz in den Mai, Maibowle mit Freunden, das ist richtig, denn wir brauchen zu dem alltäglichen Wahnsinn Gegenerfahrungen. Das ist sonst nicht auszuhalten. Der Krieg und diejenigen, die ihn anheizen, sorgen schon dafür, dass wir ihn nicht vergessen.

Folklore und traditionelle Maifeiern mit dem Aufstellen eines Maibaumes erfüllen den gleichen Zweck. Es muss ja keine Hexenverbrennung sein.

Die Ziele der gewerkschaftlichen Mai-Kundgebungen sind gerade in Kriegszeiten wichtig.

Und sonst?

Die Jahreslosung für 2019 lautete: Suche Frieden und jage ihm nach. (Psalm 34,15b)

Suche“, das ist die Einzahl. Es kommt nämlich auf jeden Einzelnen an – egal, ob er auf hoher politischer Ebene oder in den „Niederungen“ des Alltags der sog. kleinen Leute lebt.

Suche“, das ist auch Befehlsform, Aufforderung an jede/n Einzelne/n. Frieden ist nichts, was die Mächtigen mir einfach so bereiten. Um Frieden muss gerungen werden, er muss gestaltet werden – von jedem Einzelnen und von vielen gemeinsam. Dazu gehört auch, den anderen, den Gegner, den Feind aufzusuchen und mit ihm zu sprechen – denn ohne ihn wird es keinen Frieden geben.

Das Suchen, nicht das endgültige Finden des Friedens, ist wohl das Ziel. Es gibt nicht einfach „den“ Frieden. Was Frieden ist, muss für jeden und für jede Situation neu überlegt und ausgehandelt werden - leichter geht es nicht! Jedes Bemühen um Frieden wird also Stückwerk bleiben – wie ein Puzzle, bei dem immer mindestens ein Stück fehlt.

Nachjagen - das klingt nach Anstrengung. Ja. Ohne sie wird es nicht gehen. Suchen, hören, finden, weitergehen. So erging es den Frauen, die den toten Jesus suchten. So erging es den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus. Lauter friedliche Szenen - aber nicht von Dauer. Sie müssen wieder los. Auferstehung – und Frieden ist eine Form von Auferstehung – ist ein langer und anstrengender Weg. Er muss gegangen werden. Aber es gibt Ostern, d.h. es gibt Hoffnung. Das macht es leichter.

Die Blütenmeere dieser Tage können uns als Hoffnungs- und Mutmacher dienen – wie im Lied vom blühenden Mandelzweig:

 

Freunde, dass der Mandelzweig
Wieder blüht und treibt,
Ist das nicht ein Fingerzeig,
dass die Liebe bleibt?

Dass das Leben nicht verging,
Soviel Blut auch schreit,
Achtet dieses nicht gering,
In der trübsten Zeit.

Tausende zerstampft der Krieg,
Eine Welt vergeht.
Doch des Lebens Blütensieg
Leicht im Winde weht.

Gebet: (Ökumenisches Friedensgebet 2022, nach: Seesener Beobachter, 25.02.22)

Gütiger Gott, wir sehnen uns danach,
miteinander in Frieden zu leben.
Wenn Egoismus und Ungerechtigkeit überhandnehmen,
wenn Gewalt zwischen Menschen ausbricht,
wenn Versöhnung nicht möglich erscheint,
bist du es, der uns Hoffnung auf Frieden schenkt.
Wenn Unterschiede in Sprache, Kultur oder Glauben uns vergessen lassen,
dass wir deine Geschöpfe sind und
dass du uns die Schöpfung als gemeinsame Heimat anvertraut hast,
bist du es, der uns Hoffnung auf Frieden schenkt.
Wenn Menschen gegen Menschen ausgespielt werden,
wenn Macht ausgenutzt wird, um andere auszubeuten,
wenn Tatsachen verdreht werden, um andere zu täuschen,
bist du es, der uns Hoffnung auf Frieden schenkt ...
Schenke uns mutige Frauen und Männer,
die die Wunden heilen,
die Hass und Gewalt an Leib und Seele hinterlassen.
Lass uns die richtigen Worte, Gesten und Mittel finden,
um den Frieden zu fördern …
lass unsere Stimmen laut vernehmbar sein
gegen Gewalt und gegen Unrecht. Amen.