Freitags 5nach6 - Osterkerze 2023

12. Mai 2023

342 5nach6 12.05.23_Osterkerze 2023                   Ps 23

Reden wir noch einmal über unsere Konfirmierten – bzw. über das, was sie uns hinterlassen haben: die Osterkerze. Da haben wir das Alpha und das Omega und die Taube mit dem Olivenzweig im Schnabel.

Ich stelle mir vor, dass der Ukraine-Krieg dazu geführt hat, dass die Wahl unserer jungen Leute zur Wahl dieser Kerze geführt hat. Die Taube gilt ja als Symbol des Friedens.

Trotzdem möchte ich mit dem Nachdenken über die Kerze beginnen mit den Buchstaben Alpha und Omega, dem ersten und dem letzten Buchstaben des griechischen Alphabets.

Dieses christliche Symbol geht zurück auf eine Stelle im Buch des Propheten Jesaja (44,6): 6So spricht Gott, … Ich bin der Erste und der Letzte.

Nehmen wir zunächst die Worte „ich bin“ – und denken erst einmal an Old Shatterhand, die alte Schmetterhand, die Karl May erfunden hat. Eigentlich ist es ein typischer Indianername. Die nahmen gern eine herausragende Eigenschaft eines Menschen und machten daraus einen Namen für ihn: der herausragende Boxer hieß Old Shatterhand, der flinke Läufer Schneller Fuß, der Muskelprotz Starker Bär. 

Jetzt schauen wir uns an, wie Mose Gott begegnet (vgl. 2Mose 3), denn in dieser Erzählung gibt Gott sich selbst so etwas wie einen Indianer-Namen:

Der junge Moses kam mit der Schafherde seines Schwiegervaters zum Berg Horeb. Da sah er einen Dornbusch. Er sah aus, als ob er in hellen Flammen stand. (Es gibt dort tatsächlich Dornbüsche, die große Blüten haben und die bei großer Hitze brennbare Aromen abgeben).

Mose ging näher und glaubte, plötzlich Gottes Stimme zu hören. »Ich bin der Gott deiner Väter. Ich habe die Not meines Volks in Ägypten gesehen. Die Klage über ihre Unterdrücker habe ich gehört. Ich weiß, was sie erdulden müssen. Deshalb bin ich herabgekommen, um sie aus der Gewalt der Ägypter zu befreien.  Nun geh! Ich sende dich zum Pharao. Du sollst mein Volk … aus Ägypten führen.«

Mose sagte zu Gott: »Wer bin ich denn, dass ich einfach zum Pharao gehe? Und wie soll ich die Israeliten aus Ägypten führen?« Gott antwortete: »Ich werde bei dir sein! 

Mose antwortete Gott: »Ich werde zu den Israeliten gehen und ihnen sagen: ›Der Gott eurer Väter schickt mich zu euch. ‹Was ist, wenn sie mich fragen: ›Wie heißt er? ‹Was soll ich ihnen dann sagen?«

Da sprach Gott zu Mose: »›Ich werde sein, der ich sein werde. ‹Das sollst du den Israeliten sagen: Der ›Ich-werde-sein‹ hat mich zu euch geschickt.

Theologen-Generationen haben sich über diese Selbstbeschreibung Gottes den Kopf zerbrochen.

Für mich ist wichtig: Gott war, Gott ist und Gott wird sein. Und wenn wir Anfang (Alpha) denken, ist Gott schon da. Und wenn wir Ende (Omega) denken, ist Gott immer noch da. Der Erste und der Letzte, d.h. vor allem anderen und nach allem anderen – ewig, über jede Zeit hinweg.

Aber – Gott ist nicht einfach nur da.

Wikipedia schreibt über den kath. Theologen Hans Küng(Er) nannte … als Übersetzungsmöglichkeiten: „Ich bin da, als der ich da bin“ oder „Ich bin da, als der ich da sein werde.“ Dies sei … eine Absichtserklärung zur Anwesenheit, zum dynamischen Dasein, Gegenwärtigsein, Wirklichsein, Wirksamsein, die keine (nähere) Festlegung oder Verfestigung eines Gottesbildes zulasse.

Wenn man die Legende vom Dornbusch nimmt, ereignet Gott sich dort in bestimmten Zusammenhängen – ohne dass er darin aufgeht!

Gott sagt aus dem Dornbusch von sich: Ich bin der „Ich bin da“, „Ich-bin-der-der-ich-sein-werde“. Aber er bleibt nicht ganz abstrakt und nebulös. Der Blick auf die ganze Erzählung, in der Gott sich „vorstellt“, zeigt: Er wird konkret! Er ereignet sich!

Er ist da, wenn Menschen unterdrückt werden – und zwar mittendrin.
Er ist da, wenn Menschen ihr Leid klagen – und zwar mittendrin.
Er ist da, wenn es um Befreiung aus Not und Unterdrückung geht - und zwar mittendrin.

Das ist der Punkt, an dem Gott die Schwelle der persönlichen und gottesdienstlichen Verehrung von sich aus überschreitet!

Wenn Gott damals das Elend seines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage … gehört hat, warum denn soll er die Klagen der Menschheit heute nicht kennen? Den Hunger der Armen, … das Stöhnen der Gefolterten … Wie bei den Propheten Amos und Jesaja nennt Gott auch uns in erschreckender Klarheit seine Schwerpunkte. Das Einhalten von Bußakten und Ritualen gefällt ihm nicht, wenn diese sich nicht niederschlagen in folgendem Tun: die Fesseln des Unrechts lösen,  … den Hungrigen das Brot austeilen, die obachlosen Armen … aufnehmen … (E.Mock in: G.Widmann (g.), Die Bilder der Bibel von Sieger Köder, Ostfildern, 2002, S.32)

Jetzt ist Zeit, an den 20. Todestag der ev. Theologin Dorothee Sölle zu erinnern.

Sie war überzeugt, „dass man Gott nicht mehr oben im Himmel, sondern im Laufe der Geschichte suchen müsse.“ (C.Fleischmann, Gott ereignet sich, in: Publik-Forum 8-2023, S.12). Der Himmel war in der Antike der unerreichbare, ganz andere Ort und somit geeignet als „Wohnsitz, als Reich Gottes“. Heute wird der Himmel von Satelliten und Raumschiffen durchflogen. Das Reich Gottes, Gott selbst ereignet sich unter uns – das wusste schon Jesus.

So war auch die Auferstehung Jesu für Sölle nicht bloß „göttliche Rettungsaktion für Jesus. Auferstehung geschehe, im Laufe der Zeit: in den Veränderungen der Welt, die Menschen gemeinsam erstreiten. Gott (und damit auch Auferstehung) ereignet sich, wenn Menschen die Verbindungen zu anderen Menschen und anderen Lebewesen erkennen, annehmen und pflegen.“ (C.Fleischmann, S.15)

Gott geht darin nicht auf, aber sein „Reich“ reicht eben so weit in unser Leben hinein.

In diesem Sinne schreibt Sölle: „Meine Tradition hat uns wirklich mehr versprochen! Ein Leben vor dem Tod, gerechtes Handeln und die Verbundenheit mit allem, was lebt, … Gott nicht oben und nicht später, sondern (auch schon) jetzt und hier. Bei uns, in uns.“

 

Sehr viel poetischer hat sie im folgenden Gedicht formuliert – und schließt sich der Kreis zu Ps 23, den wir anfangs gebetet haben:

 

Lasst uns Gehende bleiben.
Wir sind nicht ganz
zu Hause auf dieser Welt.
Wenn wir pilgern,
sind wir nicht nur wir.
Er geht mit. Er ist dabei.
Wir sind unterwegs
mit Dir, Gott,
durch Dunkel und Nässe,
durch Nebel
und oft ohne Weg,
und nicht selten ohne Ziel.
Wir sind Wanderer.
Wir sind Gehende.
Wir sind noch nicht
ganz angekommen.
So wandert Gott
mit uns und lehrt uns
das Gehen und das Suchen.