Freitags 5nach6 - 7 Wochen ohne 1 Licht an

03. März 2023

335 5nach6 03.03.2023_7 Wochen ohne 1 Licht an             Ps 104

Russlands Krieg in der Ukraine, immer noch Corona, Inflation, insbesondere bei den Energie- und Lebensmittelpreisen, auch die Klima-Krise macht keine Pause – Aschermittwoch-Stimmung breitet sich aus. Und dann kommt auch noch die Kirche und ruft die jährliche Fastenaktion aus! Als hätten wir nicht schon auf genug verzichtet!

Im Vorwort zum Fastenkalender 2023 schreibt unser Landesbischof Ralf Meister:

In dunklen Zeiten braucht es Licht, um den Mut nicht zu verlieren. Die Fastenaktion „7 Wochen Ohne“ der evangelischen Kirche steht deshalb in diesem Jahr unter dem Motto „Leuchten! Sieben Wochen ohne Verzagtheit“.In den sieben Fastenwochen geht es nicht allein um innere Erleuchtung, sondern auch um die Ausstrahlung auf andere. Werden wir unser Licht auch anderen schenken? Werden wir Helligkeit bringen? Mit unseren Worten, Gesten, unserem Tun?
(Ralf Meister, Liebe Mitfastende …, in: Gemeinschaftswerk der Ev. Publizistik, Leuchten. 7 Wochen ohne Verzagtheit, Fastenkalender, Leipzig, 2022, S.3)

Die erste Fastenwoche stand im Zeichen der Schöpfungserzählung:

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag. (1. Mose/Genesis 1,1–5)

In dieser Fastenzeit wollen (sollen? können?) wir leuchten. Aber wir starten mit der Finsternis. Die Bibelstelle … führt ganz an den Anfang. Auf der Erde herrscht Tohuwabohu. Das ist das hebräische Wort für Durcheinander, Wirrwarr', Chaos. Das scheint ganz gut zu passen zu diesen finsteren Zeiten!

Es geht drunter und drüber. Ein schwarzes Loch, das alles verschluckt. Ein Dunkel, das runterzieht. Und dann sagt Gott: „Es werde Licht!“ Ein kurzer Satz. Und es wird Licht. Das ändert alles. Aus Tohuwabohu wird Schöpfung. Gott schafft die Finsternis nicht ab, auch nicht die Finsternisse unserer Tage. Aber er begrenzt sie. Sie bekommt ihren Platz und ihre Zeit. Das Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel, zwischen Tag und Nacht bestimmt unser Leben. Situationen, in denen es bei mir drunter und drüber geht, wechseln sich ab mit anderen Situationen voller Klarheit und Helligkeit. Finsternis für immer gibt es nicht. Also: Licht an! (M.Vorländer, Text für den 23.02.23 im Fastenkalender)

„Leuchten! Sieben Wochen ohne Verzagtheit.“ Ich? Leuchten? Ich bin doch eher ein „kleines Licht“. Oder?

Manche denken über einen vielleicht auch, dass er ein „Armleuchter“ oder „nicht die hellste Kerze auf der Torte ist“. Und dann fühlt man sich als kleines Licht und ist verzagt. Doch: Verzagt wird man nicht unbedingt geboren, verzagt wird man gemacht.

Ein Beispiel: Klasse 5 in meiner Hauptschule, Vorstellungsrunde. Jeder sagt seinen Namen, woher er kommt, wie alt er ist und was er sonst noch sagen möchte. Die Reihe ist an Lars. Nachdem er brav Auskunft gegeben hat, ergänzt er noch: „Und ich bin dumm.“

Auf meine verdutzte Nachfrage, wer das denn gesagt habe, antwortet er: „Na, alle in der Schule. Auch die Lehrer. Und die müssen es ja wissen.“

Lange hat es gedauert, bis ich ihm über kleine Erfolgserlebnisse und Zugewandtheit einen Weg aus dieser Verzagtheit zeigen konnte. Manchmal hat er dann richtig geleuchtet.

Licht ist wichtig! Denken Sie an die Kerzen in Fenstern, denken Sie an Lichterketten, mit denen Menschen in schwierigen Zeiten Verbundenheit mit anderen zeigen. Und denken Sie an Ihren Adventskranz, der Licht in dunkle Dezembertage gebracht hat.

„Leuchten! Sieben Wochen ohne Verzagtheit.“ … Ein merkwürdiges Motto.  Sie könnten in den kommenden Wochen vielleicht folgendes Gespräch führen: Jemand fragt sie: „Was fastest du dieses Jahr?“, und Sie antworten: „Du, ich verzichte dieses Jahr auf Verzagtheit.“ Ich ahne, dass dieses Gespräch interessant werden könnte.

Verzagen ist kein Wort aus den Top Hundert unseres aktiven Wortschatzes. Es verlangt augenblicklich nach Erläuterung. Man kann sich durchaus etwas darunter vorstellen. Gerade in Zeiten von nahem Krieg und katastrophalem Klima lässt es sich gut verzagen. Wir stehen so großen Schwierigkeiten gegenüber, dass Verzagen sozusagen die natürliche Reaktion ist.

Das Wort „verzagen“ kommt aus dem Mittelhochdeutschen. Wer zagte, war unentschlossen und zögernd, weil er ängstlich, schüchtern, unsicher war oder Bedenken hatte. Sehr schnell wurde daraus feige und furchtsam.

Wer in einer schwierigen Situation verzagt, hat die Zuversicht, die Hoffnung, das Selbstvertrauen und die Lust zum Handeln verloren. Er zaudert, er wartet ab und wägt ab, bevor er handelt.

Das klingt alles eher negativ. So ist es ja auch gemeint, wenn man unserem Bundeskanzler zum Ukraine-Krieg „Zaghaftigkeit“ vorwirft. Ich muss gestehen, dass ich das gar nicht so negativ finde. Mir ist an der Spitze unseres Staates jemand lieber, der vielleicht einmal mehr nachdenkt bevor er entscheidet und handelt.

Der Kampfruf des Verzagens lautet: „Das nützt auch nichts!“ Friedensverhandlungen nützen nichts, sich an der Straße festkleben nützt nichts, in Europa auf Kohle verzichten nützt nichts, zur Wahl gehen nützt nichts, Kinder kriegen nützt nichts. Die Liste ist lang, und ich mag sie nicht weiter ausführen.

„Worauf verzichtest du dieses Jahr?“ „Ich verzichte darauf, es mir einfach zu machen, indem ich sage: Es nützt nichts. Ich verzichte darauf, es mir in der Verzagtheit bequem zu machen.“ … Das kann ein langer Weg sein, … Und der Bibeltext von heute steht … ganz am Anfang. …

Die Beschreibung erinnert an ein Schlafzimmer am Morgen. Die Schöpfung liegt noch im Dunkel. Sie liegt unter zwei Decken: „Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ Das könnte ein sehr friedliches Bild sein, doch anscheinend war die Nacht unruhig. Das Bett ist zerwühlt, die Erde ist Tohuwabohu (Hebräisch für wüst und leer). Dann macht Gott das Licht an. Die eine Decke, die Finsternis, wird der Schöpfung weggenommen. Aber Gottes Geist schwebt weiterhin über all dem. Die Schöpfung bleibt unter Gottes Geistdecke liegen, auch als das Licht angeht.

Dann ist es also hell, aber nun läuft es anders ab als gewöhnlich in einem Schlafzimmer am Morgen. Gott sieht das Licht an und stellt fest, dass es gut ist. Die Schöpfung liegt immer noch da, als Gott ein wenig für Ordnung sorgt und Dunkel von Hell trennt: „So, Licht, du heißt jetzt Tag, und dich, Dunkel, nenne ich Nacht.“ …

Was für ein wundervoller Start! Kein In-die-Hände-Spucken, kein Ran-an-den-Speck. Stattdessen umschauen, Gutes entdecken, liegen bleiben, Licht genießen, der Dunkelheit einen Namen geben und eine Zeit. Das könnte ein wirksames Mittel gegen Verzagtheit sein, zumindest für den morgendlichen Beginn. … Machen Sie morgen nach dem Aufwachen das Licht an oder lassen Sie es herein, falls es draußen schon hell ist, … Bleiben Sie bewusst noch eine Viertelstunde bei Licht unter Ihrer Decke liegen. Denken Sie an Gottes Geistdecke und daran, wie gut das Licht ist.
(Frank Muchlinsky, Fastenmail 1: Licht an! Hrsg. vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, 22.02.23)

Und dann? Nach dem Aufstehen? Dann sind wir vielleicht Erleuchtete, aus denen heraus göttliches Licht strahlt. Dann wird vielleicht wahr, was Jesus uns zuruft:

Ihr seid das Licht der Welt. ... Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.
So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, ...    (Matthäus 5,14-16 i.A.)

Also, vertreiben wir Dunkelheiten aus unserem Leben und dem Dunkel anderer – mit dem Licht in uns. Damit Sie das Licht in Ihnen nicht vergessen, habe ich Streichhölzer mitgebracht. Manchmal braucht es ja eine Zündhilfe. Da ist es gut, dass der Heilige Geist gelegentlich als Feuerzunge über unseren Köpfen dargestellt wird.  

Gebet: Morgenlicht leuchtet (EG 455)

Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang. Frühlied der Amsel, Schöpferlob klingt.
Dank für die Lieder, Dank für den Morgen, Dank für das Wort, dem beides entspringt.

Sanft fallen Tropfen, sonnendurchleuchtet. So lag auf erstem Gras erster Tau.
Dank für die Spuren Gottes im Garten, grünende Frische, vollkommnes Blau.

Mein ist die Sonne, mein ist der Morgen, Glanz, der zu mir aus Eden aufbricht!
Dank überschwänglich, Dank Gott am Morgen! Wiedererschaffen grüßt uns sein Licht.