Freitags 5nach6 - St. Martin - Martin Luther

11. November 2022

324_5nach6_11.11.22_St_Martin_Martin Luther                   Ps 46

Martin Luther, geboren am 10.11.1483, wurde einen Tag später, am Tag des Hl. Martin, Bischof von Tours, auf eben diesen Namen getauft. Heute also Martinstag, gestern Luthers Geburtstag – ein guter Grund, danach zu suchen, was die beiden verbindet.

Zunächst aber eine Zwischenbemerkung zu unserer Sprache, von der man zu Recht sagt, dass Martin Luther sie wesentlich geprägt hat.

Einen Lego-Stein kann ich auf einer Platte festsetzen. Andere Steine kann ich davor oder dahinter setzen. Mit unserer Sprache geht das ähnlich. Nehmen wir das Wort „gehen“: Zu 5nach6 müssen Sie hingehen, später werden Sie weggehen, vielleicht werden sie auch mit Ihrer Nachbarin zusammengehen. Möchte sie noch mit jemandem klönen, werden Sie vielleicht auch schon mal vorgehen. Sie kommen in der Hoffnung, dass ich bei 5nach6 auch auf Sie eingehe und meine Sprache eingängig ist. In dem Fall wird die Botschaft von 5nach6 nicht vergehen, sondern in Ihrem Alltag aufgehen. So viel dazu …

Wenn man Menschen nach dem Hl. Martin fragt, kommt im Regelfall die Antwort: „Der hat doch seinen Mantel mit einem frierenden Bettler geteilt.“ Ich denke, es ist u.a. das Wort „teilen“, das St. Martin und Martin Luther verbindet. Damit und mit den Möglichkeiten unserer Sprache möchte ich ein wenig spielen …

Luther war ein begnadeter Mit-Teiler. Heute wäre er häufiger Gast in Talk-Shows, die Medien würden über ihn berichten und auch auf Facebook, Twitter usw. wäre er aktiv und hätte zahllose Freunde und Follower.

Zu seiner Zeit nutzte er ausgiebig die Möglichkeit, seine Gedanken in Flugblättern und – heute würde man sagen - Broschüren unters Volk zu bringen. Vor allem die Cranachs sorgten für eindrucksvolle Bilder. Nicht zuletzt verstand Luther es seine Gedanken in Liedtexte zu fassen und mit volkstümlichen, eingängigen Melodien zu unterlegen. Er beherrschte sowohl die ausgefeilte Sprache von Theologie und Kirche – Latein – als auch die volkstümliche Sprache.

Luther forderte, „dem Volk aufs Maul zu schauen.“ Er bemühte sich, so zu reden, dass die Leute ihn verstanden. Das heißt auch, das Wesentliche zu erfassen und nicht an den Worten kleben. Zu Luther amüsierte sich über wörtliche Übersetzungen. Christus' Worte „Ex abundantia cordis os loquitur“, so schrieb er im „Sendbrief zum Dolmetschen“, würden dann zu „Aus dem Überfluss des Herzens redet der Mund“ werden. Das aber sei Quatsch, meinte er, das verstehe kein Deutscher. Luther übersetzte stattdessen: Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über. Das ist als Sprichwort bis heute erhalten. (vgl. Wem hat Luther „aufs Maul geschaut“? – Luthers Einfluss auf die Sprache: Luther2017)

Diesen Ansatz beherzigte Luther auch in seiner Bibelübersetzung, die bis heute zwar immer wieder revidiert, d.h. auch dem veränderten Sprachgebrauch und neuen Erkenntnissen angepasst wird.

Mit seiner Bibelübersetzung gab Luther den Menschen An-Teil an der persönlichen und allgemeinen Entwicklung von Glauben und Kirche. Dazu war es natürlich unerlässlich, dass die Gläubigen seine deutsche Bibel auch lesen konnten. Die Allgemeine Schulpflicht hat eine beachtenswerte Wurzel in der Reformation, die eine allgemeine Bildung für Mädchen und Jungen forderte.

Die Reformation brachte mit ihren Bildungsbemühungen auch eine neue Ver-Teilung der Macht. Zum einen war Luther wichtig die persönliche und unmittelbare Beziehung des Einzelnen zu Gott. Sie sollte nicht allein abhängig sein von einer Zwischeninstanz wie dem Priester. Luther sprach konsequenterweise auch vom Priestertum aller Gläubigen. Er wollte eine stärkere Teil-habe des Einzelnen am Glaubensgeschehen.

Um dem gerecht zu werden, versuchte Luther komplizierte Glaubenszusammenhänge ein-zuteilen und zu unter-teilen, z.B. in den griffigen „Portionen“ des Großen und des Kleinen Katechismus.

Diese Er-Teilung von Macht spiegelte sich auch wider in der Ermächtigung des Einzelnen in Kirche und Politik. Im Gefolge der Reformation haben heute evangelische Kirchenvorstände und Synoden durchaus eine andere Macht als in der katholischen Kirche. Auch kennt der Protestantismus kein Lehramt, wie es z.B. der Papst ausübt. Der Rat der EKD gibt zwar Stellungnahmen und Denkschriften heraus, ist herausragende Stimme des Protestantismus in der Öffentlichkeit – aber nicht die einzige Stimme und eben auch keine lehramtlich verpflichtende Stimme.

Die Ablehnung des Papsttums ist bis heute eine unüberwindbare Hürde zwischen evangelischen Kirchen und der katholischen Kirche. Wobei Luther ursprünglich keine Zer-Teilung der Kirche wollte, sondern lediglich eine Reformation, also eine Erneuerung der alten Kirche.

Die Er-Teilung von Macht, die Ermächtigung des Einzelnen machte – zum Teil zum Entsetzen Luthers – auch vor der Politik nicht halt. Die „theologisch Ermächtigten“ forderten auch eine Änderung der politischen Verhältnisse, die dieser neuen Wertschätzung des Einzelnen gerecht wurde. Ihren schärfsten Ausdruck fanden diese Forderungen in den sog. Artikeln der Bauer und den Bauernkriegen. Die Zwölf Artikel der Bauern waren Anklagen der Bauern gegen herrschaftlichen Zwang und Gewalt. Sie beklagten die Leibeigenschaft, willkürliche Rechtsprechung, Enteignung von Gemeindeland u.a.m.

Diese Er-Teilung von Macht zeigte sich auch in einer stärkeren Be-Teiligung des Einzelnen am Gottesdienst durch Luthers Deutsche Messe. Gottesdienstsprache und auch Gesangssprache war nunmehr im Regelfall Deutsch. Jede/r konnte verstehen und mitsprechen und -singen. Das Abendmahl wurde in Brot und Wein an alle aus-geteilt.

Im Abendmahl und im verkündeten Evangelium wird in Luthers Verständnis allen die Liebe Gottes zu-teil. In seiner griffigen Sprache formulierte Luther: Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe. Gott ist empathisch würde man heute vielleicht sagen, voller Anteil-Nahme. Das war nicht nur eine theologische Aussage, das war eine Ansage, die hineinreichte hinein bis in die Auf-Teilung des kirchlichen Eigentums!

Nach der Reformation im Jahr 1517 richtete der Wittenberger Rat 1522 den Gemeinen Kasten ein, in dem alle kirchlichen Einnahmen unter paritätischer Verwaltung von Rat, Gemeinde und Predigern zusammengefasst wurden. Aus ihm wurde z.B. die Armen- und Krankenpflege finanziert – um Vor-Teil der zahllosen Armen, die bis dahin auf gelegentliche Almosen angewiesen waren. Der Gemeine Kasten ist eine Wurzel der kirchlichen Diakonie und unseres heutigen Sozialstaats. 

Von der Teilung des Mantels bei St. Martin hin zum Beteiligungs- und Teilhabe-Gedankens der Reformation - das war ein weiter Weg. Wichtig ist, dass wir die Gedenktage zur Reformation und die Erinnerung an St. Martin dazu nutzen, uns dieses Weges bewusst zu werden – und ihn weitergehen.

Unsere Unzulänglichkeiten, Fehler und auch Scheitern auf diesem Weg ist dabei von Gott einkalkuliert. Luther hat das so formuliert:

„Es wird aber ein Mangel unter uns bleiben, dass wir es nicht vollkommen tun können, wie es Christus getan hat. Er ist die reine, helle Sonne, darin kein Nebel ist; dagegen ist unser Licht kaum wie ein angezündeter Strohhalm gegen diese Sonne. Dort ist ein glühender Backofen voll Feuers und vollkommener Liebe; dennoch ist er zufrieden, wenn wir nur ein Kerzlein anzünden und uns ein wenig stellen, als wollten wir die Liebe hervorleuchten und brennen lassen. Dies ist nun ein Mangel, den wir alle untereinander sehen und spüren; aber darum soll beileibe niemand urteilen und sprechen: ‚da ist nicht Christus‘! … Er könnte uns wohl verdammen um unserer Torheit willen; dennoch … wirft er uns … nicht hinweg, sondern tröstet uns.“ (zit. nach M.Käßmann, Mehr als ja und Amen, München, 2013, S.262f)

… dennoch ist Gott zufrieden, wenn wir nur ein Kerzlein anzünden und uns ein wenig so stellen, als wollten wir die Liebe hervorleuchten und brennen lassen.

Da trifft es sich gut, wenn zeitglich zu unserer Andacht die Kinder unseres Dorfes mit ihren Martin-Laternen durch die Straßen ziehen und sich nachher unter Betreuung von Ortsratsmitgliedern und dem Kinderkirchen Team Würstchen und Kakao – ja, TEILEN 😊

Gebet (nach einem Gebet des Katholikentages 2022 in Stuttgart)

Gott, jeden Tag lässt du uns teilhaben an deiner Nähe,

wir teilen mit dir Atem und Brot,

wir teilen mit dir Geist und Liebe.

In Jesus Christus hast du auch unser Leben angenommen.

Du hast Freude und Hunger,

Größe und Erbärmlichkeit mit den Menschen geteilt.

In großen und kleinen Zeichen, mitten im Alltag unseres Lebens,

bist du unter uns und gibst uns Anteil an dir.

Aus deiner Fülle teilen auch wir

Glaube und Hoffnung,

Brot und Rosen,

Freude und Leid,

Zeit und Geld,

Träume und Ideen,

Wissen und Können.

Wir bitten dich, Gott, begleite und beseele uns.

Gib deinen Geist in die Sprache und Sprachlosigkeit der Kirche.

Gib deinen Geist in das Leben und Miteinander der Menschen.

Gib deinen Geist allen Christen weltweit und Frieden.

 All unsere Arbeit und Sorge wandle in Segen. Amen.