Freitags 5nach6 - Pfingsten 5

14. Juli 2023

350 5nach6 14.07.23_Pfingsten 5                                                   Ps 23

Im Gleichnis vom Säen auf verschiedenen Böden stellt Jesus fest, dass die Saat – gemeint ist das Wort Gottes – nicht überall aufgeht, nicht überall aufgehen kann. Doch er schließt hoffnungsvoll: 20Aber ein Teil wird auch auf guten Boden gesät. Er steht für die Menschen, die das Wort hören und aufnehmen. Bei ihnen bringt es viel Ertrag: Manche Pflanzen bringen dreißig, andere sechzig, andere sogar hundert Körner.« (Mk 4, 13-20)

Für den Landwirt ist es vergleichsweise einfach, den Ertrag zu messen und zu bewerten. Markus spricht von den Körnern, Landwirte heute eher von Tonnen oder Dezitonnen und vor allem von den Preisen, die sie für ihre Ernte erzielen können.

Aber was ist der Ertrag des Wortes Gottes? So hatte ich am letzten Freitag aufgehört.

Jesus geht es offensichtlich nicht um Mengen.

Natürlich wären volle Gottesdienste und Veranstaltungen schön. Aber Jesus sagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20)

Auch hohe Kirchensteuereinnahmen, Kollekten und Spenden wären schön. Aber für Jesus zählen die – im Vergleich zu heute – wenigen Cent, die eine arme Witwe im Tempel spendet, mehr als der 20 € - Schein des Reichen (Lk 21,4).

Ja, aber Macht und Einfluss wären doch nett. Doch Jesus sagt, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist (Joh 18,36) und dass der, der der Erste sein will, der soll der Letzte sein vor allen und aller Knecht (Mk 10,43). Und Paulus kennt dies Wort Gottes: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig (2Kor 12,9).

Wenn man Einfluss nehmen kann, hat das sicher auch Vorteile. Geld hilft auch. Geld ist eben auch nicht alles und auch ohne Geld ist nicht alles nichts! Grundsätzlich ist all das kein wichtiger Ertrag im Sinne Jesu.

Aber was ist dann der Ertrag des Wortes Gottes?

Vielleicht sollte erst einmal geklärt werden, für wen überhaupt Ertrag da sein soll.

Nach Einschätzung des Religionssoziologen Ebertz beginne der Mitgliederschwund mit immer knapper werdenden personellen und finanziellen Möglichkeiten, wodurch die Qualität der kirchlichen Angebote leide. …

Also doch das „liebe Geld“?

Aus Ebertz‘ Sicht drehe sich in der Kirche zu viel um die Kirche selbst. Die Kirche sei wie ein Karussell, das sich immer weiterdrehe, und niemand sehe die Menschen, die draußen stünden und mitfahren oder es erneuern wollten. (Religionssoziologe wirft katholischer Kirche „Visionslosigkeit“ vor | Evangelische Zeitung (evangelische-zeitung.de))

Und diese um sich selbst kreisende Kirche bietet dann womöglich Antworten auf Fragen, die keiner stellt!

Ah, es geht also gar nicht in erster Linie um die Kirche, es geht um die Menschen! Welchen Ertrag kann also – erst einmal unabhängig von „Kirche“ – das Wort Gottes im Einzelnen oder dem/der Einzelnen bringen?

Das ist schon sehr persönlich … Sei’s drum. Ich fang gleich mal an.

Aber für dieses Persönliche können Sie sich auch erst etwas Zeit nehmen (Stille).

Es gibt schon einige Bibelworte, die in mir etwas ausgelöst haben. Ob das wirklich eine reiche Ernte ist, sei mal dahingestellt …

In der Ev. Jugend in Hildesheim ist mir folgendes Bibelwort zum ersten Mal begegnet:

16 Wir haben erkannt, wie sehr Gott uns liebt, und wir glauben an seine Liebe. Gott ist Liebe, und wer in der Liebe lebt, der lebt in Gott und Gott lebt in ihm. (1.Johannes 4,16).

„Liebe“ ist also der zentrale Begriff und er trifft offensichtlich das Wesen Gottes – soweit wir das überhaupt erkennen können. Das hat z.B. in meinem politischen Denken und Handeln – vor allem im Studium – eine Rolle gespielt. Später war das dann auch in der Schule hilfreich. Der, der anders „tickt“, der anders denkt, der anders handelt, auch der, der mir das Leben schwer macht, der echte „Kotzbrocken“, jeder ist von Gott geliebt – wie ich.

Ich kann also gegen bestimmte Gedanken und Handlungen angehen – aber nicht gegen den Menschen, von dem sie ausgehen. Das „Mangelhaft“ oder die Zeugnisbemerkung beziehen sich auf bestimmte Leistungen, bestimmte Verhaltensweisen, aber nicht den ganzen Menschen. Da bleibt der Respekt vor dem anderen – auch wenn es vielleicht schwer fällt (und nicht immer gelingt).

Tja, und dann unser Trauspruch: „Trachtet zuerst nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit so wird euch alles andere zufallen.“ (Matth. 6.33).

Ich will jetzt nicht spekulieren, was das Reich Gottes ist, das würde hier den Rahmen sprengen. Ich will mich beschränken auf die ökumenische Formel von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Das hat für uns schon eine Rolle gespielt – und tut es noch.

Es geht mir um den zweiten Teil: So wird euch alles andere zufallen. Ja, wir haben ein schönes Haus und ein Auto. Ja, wir sind auch in den Urlaub gefahren. Ja, wir haben uns auch etwas gegönnt, wie mein Vater uns immer geraten hat. Wir haben auch schon etwas dazu getan, aber es stand nie im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns. Da waren andere Dinge in Familie und Beruf wichtiger – etwa im Sinne der obigen Formel. Und es ist wahr: Vieles ist uns in der Tat zugefallen. 

Für unseren Sohn Martin hatten wir folgenden Taufspruch ausgesucht: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein (1Mose 12,2).

Auch das Bewusstsein, gesegnet zu sein, hat mich in die Lage versetzt, zumindest zu versuchen, auch für andere ein Segen zu sein. Aus diesem Bewusstsein heraus hat es Mut, Kraft und Ideen gegeben, das eine oder andere zu versuchen.

Inwieweit mir das gelungen ist, darüber gibt es unter meinen ehemaligen Schüler/innen mit Sicherheit unterschiedliche Meinungen. Aber es gibt jedenfalls kein einhelliges „Mangelhaft“, das weiß ich sicher.

Und beim Rausgehen können Sie nachher mit meiner Frau auch gern darüber ins Gespräch kommen.

Mit 35 Jahren war ich zum ersten Mal im Krankenhaus – Blinddarm, und zwar akut. Und ich hatte nicht nur Schmerzen, ich hatte echt Angst. Naja, werden Sie vielleicht denken, Blinddarm … Angst ist eine sehr persönliche Sache, die kann man haben, egal wie ernst der Anlass ist. Wie auch immer: Ruhig wurde ich in Erinnerung eines Bibelverses.

38Ich bin zutiefst überzeugt: Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – nicht der Tod und auch nicht das Leben, keine Engel und keine weltlichen Mächte, nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges und auch keine andere gottfeindliche Kraft. (Rö 8,38)

Im Krankenhaus und danach noch oft haben mich diese Zeilen getröstet und mir Mut und Kraft gegeben.

All diese einzelnen Worte und das, was sie bei mir ausgelöst haben, was ich – und in der Folge vielleicht auch andere – ernten konnten, lässt sich für mich bündeln in Ps 23. Deshalb haben wir ihn am Anfang gebetet – und jetzt auch noch einmal.