340 5nach6 28.04.23_Ostern Ps 73
(Quelle: Gottesdienstinstitut der ELKB, Passionsandachten 2023, Nürnberg, 2023, Art.Nr. 2312, Zitate kursiv)
Als die Frauen sich um den Leichnam Jesu kümmern wollen, finden sie stattdessen einen Engel in der Grabhöhle vor, der ihnen sagt: Jesus wurde von den Toten auferweckt. Er geht euch nach Galiläa voraus (Mt 28,7). D.h.: Ostern lässt sich nicht eingrenzen auf einen bestimmten Ort oder diesen einen Morgen nach dem Sabbat. Ostern breitet sich aus, reicht weiter, über Jerusalem hinaus, über jenen Tag ungefähr im Jahre 30 hinaus.
Da kann ich also getrost auch noch einige Wochen nach Ostern selbst hier in Königsdahlum über Ostern nachdenken. Aber – Ostern reicht nicht nur bis nach Königsdahlum, es reicht auch bis nach Odessa, dieser Hafenstadt in der Ukraine. Dort findet man in der Kirche St.Paul diese Darstellung von Kreuz und Auferstehung.
(Bild "Christus" (St.Paul, Odessa, Tobias Kammerer, 2002) (gottesdienstinstitut.org)
Aus der Arbeitshilfe des Gottesdienstinstituts der ELKB ist Folgendes zu erfahren:
Das Bild des süddeutschen Malers Tobias Kammerer ist in einem Gebäude zu sehen, das Jahrzehnte eine Ruine war. Einsam ragte er in den Himmel, der Turm der Kirche St. Paul im Zentrum von Odessa, der schönen Stadt am Schwarzen Meer. Fast wie ein mahnender Zeigefinger, damit niemand die Spuren des 2. Weltkriegs und der kommunistischen Zeit vergisst.
Kann aus Ruinen je wieder etwas entstehen? Angesichts der Bilder aus der Ukraine, die im Moment um die Welt gehen, kann man das fast nicht glauben. Und doch…
Im Jahr 2002 vollendete der Maler Tobias Kammerer die Ausmalung der Kirche St. Paul in Odessa. … Für die Altarwand verwendete er … das alte Kruzifix. Er platzierte es in der Mitte und setzte es auf eine schmale, golden farbige Linie. Das Leid, der gefolterte Leib des umgebrachten Jesus, muss sichtbar bleiben, so der Maler.
Hellrote Farbflächen, die die Luftigkeit von Aquarellmalerei aufnehmen, setzte er hinter das Kreuz. Dadurch bekommt das Kruzifix etwas Schwebendes.
Das wird unterstützt durch eine Besonderheit der Malerei Tobias Kammerers: Ihm gelingt es, auch in ganz großen Formaten, Farbflächen zu gestalten, als seien sie hingetupft, zufällig entstanden: Wie schnelle Striche oder beiläufige Farbtupfer.
Rot, das für die Farbe des Blutes steht, bekommt dadurch etwa Leichtes. Es könnten auch Blütenblätter sein, die da hinter das Kreuz geweht sind – als Zeichen wie von wo anders her. Auch wie zwei Rosenblätter sehen die beiden runden Farbflächen aus. Sie sind fast zärtlich übereinandergelegt. Und scheinen zu schweben, ganz leicht, hinter dem Körper des Gekreuzigten. Die Farbe von Blüten, die man Toten aufs Grab legt, nimmt der Maler auf. Blumen als Geste, die zeigt, wie wertvoll einem jemand ist.
Ein blaues Farbband führt links neben dem Kreuz nach unten. In der Kirche läuft es weiter bis zum Boden. Es führt von dort weiter auf dem Boden bis zum Taufstein.
Damit hat Tobias Kammerer eine Idee der alten Malerei aufgenommen. Blau steht für Wasser, Taufe. Rot steht für Blut, Abendmahl. Taufe und Abendmahl wirken von Jesu Tod aus bis in die Gegenwart weiter und stärken die Gemeinde.
Ein goldener Bogen, wie der Glanz der aufgehenden Sonne am Auferstehungstag, umgibt alles: Zeichen für das Leben selbst angesichts des Todes. Mit Christus als Mitte.
Mutig ist der Künstler, der Schönheit schafft, wo Zerstörung war. Der Blutstropfen in Blüten verwandelt. Und damit die Geschichte weitererzählt, dass das Schreckliche im Leben nicht das letzte Wort haben darf. Das erzählt uns die Wandmalerei der Kirche St. Paul in
Odessa. Auferstanden aus Trümmern. Gut zu wissen, gerade in dieser Zeit.
Soweit die Informationen aus der Arbeitshilfe. Aber – warum habe ich uns dieses Bild heute mit in unsere Andacht gebracht? Weil es ehrlich ist. Und weil es Hoffnung stiftet.
Das Bild ist ehrlich, weil es das Leid nicht ausblendet, sondern aufnimmt, ja, sogar in den Mittelpunkt rückt. Und es geht dabei nicht nur um den leidenden Jesus am Kreuz. Der „flatterhafte“ Blutstropfen franst aus nach rechts oben. Er reicht bis zu uns, bis zu unseren Leiden. Sie sind Teil dieses Kreuzes.
Dem entspricht jene Zeile aus dem 73. Psalm, den wir anfangs zusammen gebetet haben: „Wenn mir Leib und Seele verschmachten …“ Jede und jeder von uns hat das in unterschiedlichen Formen erlebt.
Aber schauen Sie noch einmal auf die goldene Linie, die die roten Felder umrahmt. Das Leid ist nicht ausgeschlossen! Es ist Teil des Ganzen, Teil des Lebens, das Gott in seiner Hand hält.
Und doch – schauen Sie mal, wie sich das Rot verändert. Im Umfeld des Kreuzes wird das Rot blasser. Nicht, dass es verschwindet! Aber der goldene Lichtstrahl, auf dem das Kreuz zu schweben scheint, dringt durch das Kreuz hindurch und verändert das Rot.
Im Konfirmationsgottesdienst in unserer Kirche am vergangenen Sonntag haben wir das Lied „Morgenlicht leuchtet“ gesungen. Darin heißt es:
EG 455:3 Mein ist die Sonne, mein ist der Morgen, Glanz, der zu mir aus Eden aufbricht!
Dank überschwänglich, Dank Gott am Morgen! Wiedererschaffen grüßt uns sein Licht.
Das ist das Licht, das von Gott ausgeht, das ist sein Versprechen: 4Er wird jede Träne abwischen von ihren Augen. Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben,kein Klagegeschrei und keinen Schmerz. Denn was früher war, ist vergangen.« (Offb. 21,4).
In diesem Licht wird aus dem Kreuz ein Hoffnungszeichen. In diesem Licht verblasst das blutrote Leid. Eben deshalb geht der Psalmvers von vorhin weiter! „Wenn mir Leib und Seele verschmachten, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost, mein Teil.“
Ich habe vorhin gesagt, dass das obere rote Feld nach rechts oben ausfranst. Man könnte das auch so verstehen: Dieses rote Feld steht für eine Bewegung nach links unten. Es zieht eine Spur von Spritzern hinter sich her.
Das heißt: Ostern ist ein dynamisches Geschehen. Es sprengt den Rahmen. Es lässt sich nicht festnageln (!) auf ein Kreuz und ein Grab im Jerusalem der 30er Jahre. Es bleibt nicht im Leid stehen. Es geht darüber hinaus. Bis in unsere Zeit, bis nach Odessa und auch bis nach Königsdahlum.
Und warum ist die blaue Linie so ausgefranst, brüchig, blass bis zum fast völligen Verschwinden? Weil unser Glaube genauso ist, immer wieder so wird in den Leiden und Zweifeln unseres Lebens: ausgefranst wie ein oft gebrauchtes Handtuch, brüchig wie angeschlagenes Geschirr, blass wie ein ausgebleichtes Foto. Aber – er ist da. Nicht weil wir ihn uns machen oder besitzen wie wir ein Haus oder ein Konto haben. Er wird immer wieder gespeist aus diesem göttlichen Licht, auf dem das Kreuz zu schweben scheint und um das herum das Leid verblasst.
Da ist es gut, dass wir im Kirchenjahr das Licht immer wieder erleben: Der Stern von Weihnachten, den wir mit unseren Kerzen aufnehmen. Das Osterlicht, das wir uns in unserer Kirche immer wieder neu entzünden. Die roten Feuerzungen von Pfingsten, die uns für die Sache Jesu immer wieder aufs Neue begeistern und entflammen wollen.
Gebet (vgl. Arbeitshilfe):
Ich komme zu Kräften.
Ich schaue auf andere, die es besser haben als ich,
die reicher sind und glücklicher vielleicht,
die gut reden können - vor allem über sich selber.
Das macht mich neidisch. Tief innen spür ich Stiche und Gift.
Das will ich auf Dauer nicht! Es tut mir nicht gut!
Ich bleibe bei dir. Enttäusche mich nicht!
Egal, was ich habe, egal, was ich kann -
du stehst zu mir, wie ich bin.
Ich muss nicht erst werden, was ich gern wäre.
Wer nicht auf dich setzt, schneidet sich selber ab und hat auf lange Sicht keine Zukunft.
Wo du bist, Gott wird meine Seele gesund.
Ich komme zu Kräften Mein Selbstbewusstsein kann heilen.
Ich richte mich auf, mein Humor kommt zurück und der Dank. Amen.