Freitags 5nach6 - Jahreslosung 2 2024

19. Januar 2024

368 5nach6 19.01.2024 Jahreslosung_2 2024

Gottesdienst-Institut der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (Hg.), Thomas Melzl, Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. Jahreslosung 2024, (Zitate kursiv). Die verwendete Verteilkarte ist ebenfalls dort erschienen und unter diesem Link zu sehen: "Die Liebe macht's". Gottesdienst zur Jahreslosung 2024 (gottesdienstinstitut.org)

Wir haben davon gehört: In der Gemeinde von Korinth hat es handfesten Krach gegeben. Von Spaltungen ist da die Rede, von Anhängern, die nur für eine Seite Partei ergreifen, von Beziehungsproblemen, von sozialen Ungleichheiten, von Leuten, die sich alles rausnehmen und von solchen, die sich bei allem ein Gewissen machen, von Glaubenszweifeln und von Christen, die sich auf ihr Christsein etwas einbilden.

Wo immer man auch hinschaut in dieser Gemeinde, es gibt immer irgendwo Ärger, der Gemeindesegen hängt schief und eigentlich muss man befürchten, dass einem die ganze christliche Eintracht krachend um die Ohren fliegt.

Paulus schreibt sich in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth die Finger wund, argumentiert, was das Zeug hält, beschwichtigt und bestärkt, stellt richtig und übt Kritik, lässt einen hochkarätigen theologischen Satz nach dem anderen vom Stapel, … und am Ende soll so ein einfacher Satz alles richten? Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

Jetzt ist natürlich alles klar. „So einfach kann das sein“, sagen sich da die Korinther, fassen sich an den Händen und tanzen im Kreis. Und all ihre Konflikte, die sie untereinander in aller Heftigkeit und Schärfe ausgetragen hatten, lösen sich wie von selbst in Luft auf. Jeder Streit ist vergessen. Alle haben sich furchtbar lieb.

… Natürlich … ich übertreibe ... Und Sie werden zurecht anführen, dass das so doch gar nicht gemeint sein könne. Man dürfe es schließlich nicht übertreiben mit solchen Sätzen aus der Bibel. Man müsse doch die Kirche im Dorf lassen, …

Ja, das gebe ich gerne zu. Aber, wie soll es denn dann gemeint sein, wenn nicht in genau der Radikalität, die uns dieser Satz am Ende des ersten Korintherbriefes – der Jahreslosung für das Jahr 2024 – nahelegt? Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

Kann das überhaupt gelingen? Ist das ein Satz, der in einer angemessenen Weise von uns erfüllt werden kann?

Es gibt Sätze im Leben, die sind einfach nicht hilfreich – und doch hören wir sie ständig, und manchmal können wir uns selbst dabei ertappen, wie wir sie sagen.

Zu diesen Sätzen gehört z.B.: „Wenn du mich lieben würdest, dann würdest du …“, … Die Liste ließe sich beliebig lange erweitern ...

Es gibt Sätze, die uns keine Chance lassen, deren Anspruch wir, egal was immer wir auch tun, gar nicht erfüllen können, Sätze, … die uns belasten und überfordern,…

Gehört unsere Jahreslosung zu diesen Sätzen?

Ich gebe es ehrlich zu, dass ich vor diesem Satz oder besser vor dem Anspruch, den er an mich stellt, ein wenig zurückschrecke.

Wenn ich ihn höre, dann regen sich ganz unterschiedliche Gedanken und Gefühle in mir.

Mein erster Gedanke ist: Das Wörtchen „alles“ klingt ziemlich überzogen, irgendwie unrealistisch. Ich könnte mich damit anfreunden, wenn es hieße: „manches“ oder „das eine und das andere“. Aber „alles“? Mal Hand aufs Herz: Ich weiß nicht, ob ich wirklich immer alles aus Liebe tue, geschweige denn tun kann. …

Mein zweiter Gedanke: Liebe ist ein ziemlich großes Wort. Geht es nicht auch eine Nummer kleiner? Ich meine, ich kann mir vorstellen, dass ich manches einfach aus Freundlichkeit heraus tue, aber das ist dann nicht die große Liebe, die dahinter steht. Oder anderes tue ich einfach aus Notwendigkeit. Es gibt Dinge, die einfach getan werden müssen. Aber Liebe spüre ich dabei beim besten Willen nicht. Und schließlich gibt es auch Dinge, bei denen eine gehörige Portion Berechnung dabei ist. Da weiß man, … welche Worte man sagen muss, um etwas Bestimmtes zu erreichen. …

Mein dritter Gedanke: Wenn das wahr wäre, wenn sich alle Menschen – oder für den Anfang wenigstens alle Christinnen und Christen – so von der Liebe bestimmen lassen würden, dann müsste sich doch etwas radikal ändern auf diesem Planeten. Was würde da nicht alles anders werden in den Beziehungen zwischen den Menschen? Überall nehmen Menschen aufeinander Rücksicht und gehen respektvoll miteinander um. Da ist niemand mehr, der alleine gelassen ist, keine mehr, die Angst haben muss, wenn sie im Dunkeln nach Hause geht. Da tun sich die Häuser der Menschen auf und man lädt sich gegenseitig ein. Fröhliche Feste werden gefeiert und man hilft einander, wo man nur kann. Da ist niemand mehr nur auf das Eigene bedacht, sondern auch auf das, was dem anderen nützt. …

Ja, es gibt sie: Sätze, die eine Wirkung entfalten. Manche entfalten eine verhängnisvolle Wirkung. Dieser Satz unserer Jahreslosung hat die Chance, eine segensreiche Wirkung zu entfalten.

Wie schaut nun ein Leben aus, das sich diesen Satz zueigen gemacht hat? Wie schaut ein Leben aus, für das dieser Satz nicht nur eine Jahreslosung, sondern eine Lebenslosung ist? … Wie geschieht denn etwas, wenn es „in Liebe“ geschieht?

Die Kalenderkarte, …, kann uns auf die Spur einer Antwort bringen.

Auf der einen Seite sehen Sie ein Bild. Es zeigt zwei Hände, die - von der Sonne angestrahlt - einen Schatten auf ein Stück Holz werfen. Die Finger sind so zusammengelegt, dass sie die Form eines Herzens ergeben.

Wenn etwas in Liebe geschehen soll, dann geht das nur, wenn ich etwas konkret in den Blick nehme. Die beiden Hände, die zu einem Herz geformt sind, sind ja auch so etwas … wie eine Kameralinse in Herzform.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir diesen großartigen Satz unserer Jahreslosung handhabbar machen. Bei so allgemeinen Aufträgen besteht nämlich leicht die Gefahr, dass sie uns zu groß sind, dass wir uns zu viel vornehmen, dass wir scheitern und es dann bleiben lassen. … Darum ist es besser, damit anzufangen, dass wir uns eine ganz konkrete Sache vornehmen. Die nehmen wir sozusagen mit dem Herzen in den Blick.

Daran schließt sich gleich das Zweite an, auf das uns die Kalenderkarte hinweist. Da sind zwei Hände zu sehen. … Es hat einen tiefen Sinn, dass es ausgerechnet zwei Hände sind. Denn, wenn etwas in Liebe geschehen soll, dann geht das nur, wenn ich wirklich etwas tue. Liebe geschieht nicht, wenn ich mir denke: Na, da müsste doch jemand mal was tun. Wenn das alle denken, tut am Ende niemand etwas.

Und noch ein Drittes fällt mir auf, wenn ich mir diese Hände anschaue. Durch das Herz, das die Hände bilden, scheint das Licht. Wo etwas in Liebe geschieht, dort wird es hell und warm in der Welt. …

Eine letzte Frage ist noch zu klären, ... Wenn wir diese Frage nicht beantworten können, … dann können Sie das alles, was wir bisher … gesagt haben getrost vergessen. Es wird dann … Kraftanstrengung, die in einer geistlichen Verkrampfung endet.

Die entscheidende Frage lautet: Wie kommen wir in diese Liebe hinein? Wie werden wir zu Liebenden? Liebe lässt sich ja bekanntlich nicht erzwingen.

Das gilt für die Liebe zwischen zwei Menschen …

Das gilt aber auch für die Liebe, die Paulus bei seinen Worten im Sinn hat. Die Liebe, an die Paulus hier denkt, ist nicht unbedingt die erotische Liebe zwischen zwei Menschen, nicht der Hormoncocktail in unserem Hirn, nicht die Schmetterlinge im Bauch. … Über diese Liebe hat er dies großartige Gedicht geschrieben …: Die Liebe ist langmütig und freundlich, sie eifert nicht, sie sucht nicht das ihre, sondern das, was dem anderen dient.

Und doch: Wenn ich das so höre, dann klingt das wieder leicht nach einer Überforderung, nach einem Maßstab, der an meine Liebe angelegt und mit dem gemessen wird, ob meine Liebe dieser Liebe entspricht. Wenn ich das so höre, dann höre ich nichts, das meine Liebe entfachen könnte. Im Gegenteil.

Darum lassen Sie uns mal etwas anderes versuchen. Wir wollen einmal probehalber den Namen „Jesus Christus“ für die Liebe einsetzen. Dann klingt das gleich ganz anders: Jesus Christus ist langmütig und freundlich. Jesus eifert nicht, er sucht nicht das seine, sondern das, was dem anderen dient.

Es ist nicht nur ein psychologischer, sondern auch ein theologischer Grundsatz, dass Liebe aus Liebe entsteht. Weil ich geliebt bin, darum kann ich lieben. ... Liebe hat immer einen Auslöser. Etwas wird in mir zum Schwingen und Klingen gebracht. Meine Liebe ist Resonanz auf die Liebe, die ich in meinem Leben erfahren habe. Meine Liebe ist ein Spiegel der Liebe, die auf mich trifft. Meine Liebe ist eine Reaktion auf die Liebe, mit der ich mich geliebt und getragen weiß. Liebe entsteht aus Begegnung. Die Liebe, die Paulus meint, entsteht aus der Begegnung mit Jesus Christus. Das Geheimnis dieser Liebe, von der Paulus in unserer Jahreslosung spricht, besteht darin, dass wir lieben, weil Jesus uns zuerst geliebt hat.

Auch diese Erfahrung ist nicht einfach machbar, kann man nicht … durch kluge Argumente herbeiführen. Sie entsteht dort, wo die Liebe Gottes zu finden ist, dort, wo wir jeden Tag ganz neu an diesem einen Satz festhalten, der alles verändern kann:

Du - bist - ein - geliebtes - Kind - Gottes.