Freitags 5nach6 - Mein Glück machen

02. September 2022

315 5nach6 02.09.2022_Mein Glück machen                      Seligpreisungen Mt 5,1-12

Wir haben nachgedacht über das Glück beglückender Freundschaften, das Glück der Erinnerung an beglückende Momente und das Glück glückverheißender Träume. Allen Formen des Glücks ist gemeinsam, dass da etwas von außen auf mich zukommt, ich ggf. etwas dazu tue und daraus Glück wird.

Nun wurde neulich in der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung Frau Knackstedt vorgestellt (A.Hempen, Dozentin Inka Knackstedt, Glück ist definitiv eine Entscheidung, in: HAZ, 09.08.22, S.14). Die ehemalige Lehrerin ist Coachin, also Trainerin, und gibt u.a. an der Volkshochschule Kurse zum Thema Glück. Da macht sie gewiss viel Segensreiches.

Einiges aus dem Artikel möchte ich herausgreifen (kursiv) und ein wenig bedenken.

Frau Knackstedt sagt: Jeder kann glücklich werden … man muss es nur selbst in die Hand nehmen. Ihr geht es nicht um den Sechser im Lotto oder Vergleichbares, sondern um das systematische Anpeilen von Glück.

Hm. Also „jeder ist seines Glückes Schmied“? Ich bin allein dafür verantwortlich, dass ich glücklich bin, sagt die Glücks-Trainerin. Kann man daraus folgern, dass der/die Unglückliche unfähig ist zum Glücklich-sein ist und selbst schuld ist, wenn er unglücklich ist?

Unter Christen/innen ist es nur ein kurzer Weg von der „Schuld“ zur „Sünde“. Ist der Unglückliche unglücklich, weil er ein Schuldiger, ein Sünder ist? Oder wird er zum Schuldigen, zum Sünder, weil er kläglich dabei versagt, an seinem Glück zu schmieden?

<Pause>

„Jeder ist seines Glückes Schmied“ … Das ist nicht nur ein Sprichwort! Das hat einen ausgesprochen politischen Hintergrund! In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 heißt es:

Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit.

In gewisser Weise verkörpert Donald Trump dieses „Streben nach Glück“ auf perfekte Weise. Er stellt sein Glück obenan und versucht es, in der amerikanischen Ellenbogen-Gesellschaft durchzusetzen – mit allen Mitteln und um jeden Preis.

Ich renne also ins Fitness-Studio, um körperlich leistungsfähiger zu werden. Ich renne zur beruflichen Weiterbildung, um im Job besser zu werden, weiter zu kommen, mehr zu verdienen. Ich renne zum Paartherapeuten, um ein guter Ehepartner zu werden. Ich renne zum Elternkurs der Volkshochschule, um ein besserer Vater zu werden. Ich renne ins Kosmetikstudio, um besser auszusehen. Ich renne in die angesagte Boutique, um nach der neuesten Mode gut angezogen und auch gut angesehen zu sein.

Und jetzt renne ich noch zur Glücks-Trainerin, damit ich glücklich werde.

Psychologen sprechen vom Selbstoptimierungswahn, also der wahnhaften, zwanghaften Anstrengung, mich selbst immer besser und immer glücklicher zu machen. Ja, das kann einen wahnsinnig machen.

Wenn man das „Streben nach Glück“ so hoch hängt, sollte man vielleicht nicht vergessen, dass das Wort „streben“ exakt die Buchstaben, enthält, die es auch für das Wort „sterben“ braucht. Womöglich braucht es für das „Streben nach Glück“ einen ähnlichen Warnhinweis wie die Zigarettenschachteln ihn aufgedruckt bekommen. „Das Streben nach Glück kann tödlich sein – für Sie und andere!“  

<Pause>

Deshalb ist es klug, auf den Dichter Bertolt Brecht zu hören. In seiner Dreigroschenoper singt der Bettlerkönig „das Lied von der Unzulänglichkeit des menschlichen Strebens“:

 

Ja, renn' nur nach dem Glück
Doch renne nicht zu sehr
Denn alle rennen nach dem Glück
Das Glück rennt hinterher
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht anspruchslos genug
Drum ist all sein Streben
Nur ein Selbstbetrug.

 Brecht glaubte in seinem Konzept des Theatermachens daran, dass der Mensch Produkt der ihn umgebenden Verhältnisse ist und dass er sie verändern kann und sich gleich mit - Lehr-Theater also im besten Sinne.

Was also lehrt uns „das Lied von der Unzulänglichkeit des menschlichen Strebens“?

 

  • Nicht besinnungslos dem angeblichen Glück hinterherrennen, mal stehenbleiben, innehalten, sich umschauen. Vielleicht ist das Glück ja schon hinter oder neben mir da!

 

  • Die Ansprüche an „Glück“ kritisch überprüfen? Was soll Glück für mich sein in einer Welt von trügerischen, ja, auch betrügerischen Glücksverheißungen? Sie können, wenn ich sie unkritisch übernehme, sehr schnell selbstbetrügerisch werden! Und dann renne ich einem Phantom hinterher!

Der Theologe Helmut Frank meint (H.Frank, Wo das Glück lauert, in: Ev. Zeitung THEMA: Glück – wie das Leben gelingt, Hamburg, 2013, S.4ff, Zitat S.9):

Für uns heute heißt das: Wir können aus der Geborgenheit Gottes leben, im Bewusstsein des (in Jesus Christus, UG) angebrochenen Reiches Gottes. Gott liebt uns ohne Vorbedingungen mit unseren Schwächen und Abgründen. Im Licht Gottes, der uns behütet und bewahrt, wächst unser Selbstwertgefühl und unser Selbstvertrauen (kann und darf es wachsen, UG).

Zufrieden und glücklich sein heißt nicht, keine Probleme zu haben. Es bedeutet, dass man lernt, mit ihnen umzugehen, und ihnen nicht erlaubt, dass sie den Blick für die Dinge trüben, über die man glücklich sein kann. Das Glück lauert überall. Manchmal müssen wir uns nur umschauen oder uns Dinge als Geschenk Gottes bewusst machen, die wir für selbstverständlich halten. Deshalb gibt es auch viele Wege zum persönlichen Glück, die jeder für sich selbst finden muss.

Na, dann suchen Sie mal schön … Tja, und wenn ich jetzt schließe, könnte man noch einmal Brecht zitieren Der gute Mensch von Sezuan – Epilog):
 

Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
den Vorhang zu und alle Fragen offen.

Werden wir also doch konkret … Die o.g. Glückstrainerin Inka Knackstedt gibt für diese Selbstfindung einige hilfreiche Anregungen. So schreibt sie über sich und ihr Glückgefühl - ohne dass sie das verallgemeinern möchte. Sie geht von sich aus und wir müssen prüfen, was für uns zutrifft:

Ich fand heraus, was mir guttut. Das war die Natur. Immer wenn ich draußen war, ging es mir gut. Da habe ich angefangen zu walken. Natur und Sport haben mein Glücksgefühl verstärkt …

Wer anderen Menschen hilft, fühlt sich besser …

Ich glaube, wir haben es einfach verlernt, uns begeistert auf den Tag zu freuen. Kinder … können das. Die wachen auf und freuen sich … Die fragen nicht: Oh Gott, was wird heute passieren?

Wenn ich immer nur dasselbe mache, bekomme ich immer nur dasselbe Ergebnis. Das heißt also: Ich muss mich auch mal aus den alten Bahnen herausbewegen …

Dankbarkeit ist eine (wichtige, UG) Stellschraube …

Beziehungen können glücklich machen, auch Stärken und Talente, die man hat – wenn man sie kennen, anwenden und schätzen lernt.

Musik-Oldies, die einen an schöne Erlebnisse erinnern … und Humor gehört dazu!

Und deshalb nun auch noch dies:

Wenn Hasenpfoten Glück bringen, hat der Hase dann auch Glück gehabt?

Gebet
Ach Gott, ich schaue zu dir auf und hoff, dass du mich siehst,
das du mich nimmst, so wie ich bin, und was ich brauch, mir gibst.
… du weißt, was ich begehr,
… und was ich wünsch so sehr.
Ich kleines armes Menschenkind, ich denk an Ruhm und Ehr,
an Gold und bunten Edelstein, doch brauch ich das so sehr?
In meinem kleinen Erdenkreis, da zählt sowas die Welt,
und richtig glücklich scheint zu sein, wer hat viel Ruhm und Geld.
Doch ist der wirklich so zufrieden, oder scheint’s nur so zu sein?
Scheint der, der wirklich reich am Geld, auch wirklich reich zu sein?
Ach, guter Gott, du kannst ins Herze sehn,
nur du kennst mich, nur du kannst mich verstehn.
So geb ich mich in deine Hand
und hoffe nun auf dich.
Und sollt ich schon am Abgrund steh’n, so, bitte, rette mich.
Mach aus diesem dürr Gestrüpp den schönsten Rosenstrauch,
und gib mir, was ich wirklich brauch.

Guido Hobitz