Freitags 5nach6 - Trösten

18. August 2023

354 5nach6 18.08.2023 Trösten                                                  Ps 126

Psalm 126 – ein wahrer Trost oder billige Vertröstung? Nun, das muss jede/r von Ihnen selbst entscheiden. Die Bedeutung des Wortes Trost schwankt genau zwischen diesen beiden Polen.

Dabei ist Trost spenden eine Gabe, die im Christentum hochgeschätzt ist:

8Wenn jemand die Gabe hat zu trösten, soll er trösten. (Rö 12,8) Er baut die Gemeinde auf, er ermutigt die Menschen und tröstet sie. (1Kor 14,3)

 

Und wie tröstet man? Im Buch des Propheten Jesaja stellt Gott sich auch als Tröster vor. 13Ich will euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet. (Jes 66,13)

 

Ich bitte um Verständnis und Nachsicht, wenn ich nun als Mann – aber immerhin auch als Vater – etwas über tröstende Mütter sage … Ich möchte lediglich meine Beobachtungen schildern, nicht etwa für Mütter sprechen … 😊

Der zweieinhalbjährige Paul spielt in der Küche, wo seine Mutter das Mittagessen vorbereitet. Sie kann ihn nicht sehen, aber mit einem halben Ohr ist sie in der Ecke, in der Paul sich beschäftigt.

Plötzlich hört sie einen Fall und dreht sich um. Paul ist noch etwas wackelig auf den Beinen und ist umgefallen. Die Mutter sieht seinen Kopf unmittelbar neben dem Tischbein.

Sie nimmt Blickkontakt zu Paul auf.

Trösten heißt: Ich nehme dich wahr.

Paul hat jetzt die Möglichkeit zu bestimmen, wie die Situation weitergeht. Braucht er Trost und Hilfe, weil er sich weh getan hat oder einfach enttäuscht ist, weil sein Spiel nicht so funktioniert hat, wie er wollte, oder zieht er sich am Stuhl hoch und spielt weiter.

Nein, Paul spielt nicht weiter. Er verzieht das Gesicht und beginnt zu schluchzen.

Die Mutter unterbricht ihre Arbeit, wischt sich die Hände am Handtuch ab und geht in die Hocke. „Nanu, Paulchen, warum weinst du denn?“, fragt sie fürsorglich.

Trösten heißt: Ich sehe dich und zwar in diesem Moment nur dich und dein Leid.  Ich begebe mich auf Augenhöhe mit dir und wende mich dir zu. Ich habe Mitleid mit dir, aber ich gehe darin nicht auf – das tust du ja schon.

Paul weint weiter und streckt seine Arme in Richtung Mutter aus. Die streckt ihrerseits ihre Arme aus. Als sie merkt, dass Paul nicht auf sie zukommt geht sie ihm entgegen. „Ach, Paulchen, komm mal zu mir.“

Trösten heißt: Dem Leidenden entgegenkommen, ihm dabei aber auch die Möglichkeit lassen, selbst Schritte zu gehen.

Paulchen will keine Schritte gehen, er ist so in seinem Leid gefangen, dass er einfach nur die tröstliche Nähe des anderen spüren möchte. Die Mutter geht zu ihm und nimmt ihn auf den Arm. Mit Paulchen auf dem Schoß setzt sie sich auf den Küchenstuhl.

Trösten heißt: Das Maß an körperlicher Nähe gewähren, dass der Leidende braucht – wenn das geht. Hilfreich kann es auch sein, eine gewisse Distanz zur Leidenssituation zu schaffen. Deshalb setzt sich die Mutter auf den Küchenstuhl und hockt sich nicht zu ihm auf den Boden.

Leise summend schaukelt die Mutter ihren kleinen Paul auf ihrem Schoß.

Trösten heißt: Einfach da sein und nicht gleich in hektische, voreilige Betriebsamkeit zu verfallen. Auch miteinander zu schweigen, kann tröstlich sein.

Die Mutter sieht eine rote Stelle auf der Stirn und genau dorthin gehen auch Paulchens Hände. Vorsichtig streicht die Mutter über die kommende Beule. Sie greift zum Messer, das auf dem Tisch liegt, und drückt die kühle Schneide vorsichtig auf die Beule.

Trösten heißt: Die Ursache des Leidens zu erkennen und Linderung zu verschaffen, wenn das möglich ist. Allein der Versuch kann schon tröstlich sein.

Einfühlsam sagt die Mutter: „Komm, Paulchen, ich puste mal! Dann fliegt das Aua davon.“ Sanft pustet sie auf die Beule. „Ah“, ruft sie und zeigt an die Decke, „da oben fliegt es!“

Trösten heißt: Nicht nur lindern, sondern in zugewandter, spürbarer Nähe konkret zu helfen versuchen. Pfiffig: Die Mutter schlägt einen Perspektivwechsel vor! Paulchen kann das Leid auch außerhalb seiner Person verorten. „Da fliegt es!“ Er bekommt einen anderen Blick auf sein Leid.

„Wollen wir mal deinen Teddy holen?“, regt die Mutter an, „Der will bestimmt deinen Kopf streicheln und mit dir spielen.“ Sie setzt Paulchen vorsichtig auf den Boden, nimmt ihn an die Hand und geht mit ihm ins Kinderzimmer, um den Teddy zu holen.

Trösten heißt: Die Leidenssituation zu öffnen für eigene Schritte und andere Erfahrungen, ohne den Leidenden gleich allein zu lassen und ohne ihm sein Leid auszureden. Wichtig ist, dass der Leidende entscheidet. Wenn Paulchen noch eine Weile auf dem Schoß der Mutter sitzen muss, dann ist es so.

Aus seiner Sicht leidet Paul natürlich sehr, aber im Vergleich zu den Menschen in der Ukraine oder in den Hochwassergebieten ist sein Leid natürlich verschwindend. Aber zunächst ist sein Blick auf sein Leid der Ausgangspunkt.

Trösten heißt: Die Not des Leidenden ernst nehmen und nicht kleinreden.

Im Trost liegt eine große Kraft! Wer tröstet zeigt Gefühl, Mitgefühl. Auch der Leidende zeigt Gefühl, indem er seinen Schmerz zeigt.

Mit Durchhalteparolen ‚Kopf hoch, das wird schon wieder‘ oder ‚In jeder Krise liegt auch eine Chance‘, kann man schnell danebenliegen.

Manchmal stören überhaupt Worte. Da hilft eher ein Teller der altbewährten Hühnersuppe. Dabei ist Raum und Zeit.

Raum und Zeit lassen sich in Kirchen finden. Dorthin kann man gehen oder sich auch als Tröstender wie eine alte Kirche verhalten. Manfred Hausmann beschreibt das in seinem Gedicht „Trost“ so:

Ich möchte eine alte Kirche sein,
voll Stille, Dämmerung und Kerzenschein.
Wenn du dann diese trüben Stunden hast,
gehst du herein zu mir mit deiner Last.
Du senkst den Kopf, die große Tür fällt zu.
Nun sind wir ganz alleine, ich und du.
Ich kühle dein Gesicht mit leisem Hauch,
ich hülle dich in meinen Frieden auch,
ich fange mit der Orgel an zu singen. . .
Nicht weinen, nicht die Hände heimlich ringen!
Hier hinten, wo die beiden Kerzen sind,
komm, setz dich hin, du liebes Menschenkind!
Ob Glück, ob Unglück, alles trägt sich schwer.
Du bist geborgen hier, was willst du mehr?
Ich möchte eine alte Kirche sein
voll Stille, Dämmerung und Kerzenschein.
Wenn du dann diese trüben Stunden hast,
gehst du herein zu mir mit deiner Last.
 

 

Gebet:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.