Freitags 5nach6 - Jahreslosung 2

20. Januar 2023

329 5nach6 20.01.2023_Jahreslosung 2                Ps 139

Quellen:

A) Gottesdienst-Institut der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Durst nach Glück. Themengottesdienst für die Sommerzeit (2022), Nürnberg, 2022, Downloadversion zur Handreichung (Art.-Nr.2244) – Zitate kursiv

B) edition chrismon (Hg.), Adler, Fisch und verbotene Früchte – christliche Symbole im Alltag, Stuttgart, 2019, S.63

Sie erinnern sich an Hagar? Als „Leihmutter“ sollte die Sklavin für Abraham und seine Frau Sara herhalten, da die beiden keine Kinder bekamen. Nachdem sie nun von Abraham schwanger geworden war, wurde die Situation zwischen den beiden Frauen unhaltbar. Sara vertrieb die machtlose Schwangere, Hagar floh in die Wüste. Erschöpft und dem Verdursten nahe quälte sie sich durch Sand und Geröll. An einem Brunnen brach sie zusammen.

... Auf einmal hört sie Fragen: „Wo kommst du her? Wo willst du hin?“ Wer ist das, der sich für sie interessiert? Ja, da ist jemand, dem nicht gleichgültig ist, wie es ihr geht.

… Auf diese Frage findet Hagar sehr rasch eine Antwort: Gott ist es. Gott fragt nach ihr. Offenbar hat Gott ihren Weg vor Augen. Der, von dem Himmel und Erde kommen, achtet auf ihr Leben. Es ist ihm wichtig. Sie ist ihm wichtig. Kann das sein? Ja. Hagar sieht das und sagt: „Du bist ein Gott, der mich sieht“. (1. Mose 16,13)

Diese Erkenntnis, dieses Bekenntnis ist die Jahreslosung für 2023, sozusagen die Überschrift, das Motto für unseren Gang durch das neue Jahr.

Gott sieht mich … Was ist das für ein Sehen?

(Verweis auf Altarbild) Das vertrauteste Bild von der Art und Weise, wie Gott mich sieht, sehen Sie auf unserem Altar: Das Auge Gottes im Dreieck (vgl. B). Es hat Wurzeln in der ägyptischen und in der indischen Sagenwelt und hat es nicht nur auf unseren Altar, sondern auch auf die amerikanische Ein-Dollar-Banknote geschafft. Zahlreiche Verschwörungstheorien ranken sich darum.

Der christliche Zusammenhang ist klar. 3 Die Augen des HERRN sind an allen Orten, sie schauen auf Böse und Gute (Spr 15,3). Auch Ps 139 lässt sich damit verbinden:               

HERR, du erforschest mich und kennest mich. 2 Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. 3 Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege. 4 Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht alles wüsstest.

Diese umfassende Beobachtung durch Gott ist mir als Kind unheimlich gewesen – und vielen ist sie das bis heute; nicht zuletzt, weil sie als angstmachendes Druckmittel eingesetzt wurde - und wird.

Und wie ist es nun in Ps 139 gemeint? Vers 5 hilft weiter:

5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

„Deine Hand über mir …“ – das ist nicht „Daumen drauf“, das ist nicht die Hand, die mir ein paar hinter die Ohren oder gar eine Ohrfeige gibt! Das ist die segnende und schützende Hand. Das ist die Hand, die mich wie ein Wegweiser auch vor meinen Fehlern bewahren will. Das ist die Hand, die „stopp“ sagt und mir zeigt, was ich falsch gemacht habe. Das ist die Hand, die mir aus meinen Fehlern heraushilft. Denn: Gott hat ein Einsehen in meine Unzulänglichkeit, er ist nachsichtig – oder mit einem Wort: gnädig. Das ist der Zusammenhang, in dem das Sehen Gottes steht.

Für dieses Sehen Gottes haben wir im Deutschen noch einige andere Redewendungen!

Vor 50 Jahren hatte ich in einem Seminar an der PH in Hildesheim ein Auge auf meine heutige Frau geworfen. Das war Interesse, aber es war auch mehr. Da schwang eine Sehnsucht mit, eine Sehnsucht nach Nähe, nach Gemeinsamkeit – und die Hoffnung, dass diese Hoffnung erfüllt würde. So wirft Gott auch ein Auge auf uns – interessiert, sehnsüchtig, hoffnungsvoll, liebevoll.

Wenn ich von jemandem angesehen werde, dann bin ich bei dem anderen – wenn es gut läuft – mehr als nur ein Reiz auf der Netzhaut, dann ist das mehr als nur Wahrnehmung. Wenn ich von jemandem angesehen werde, dann kann ich mich angesehen fühlen, dann kann es sein, dass der Andere mir Ansehen verleiht!

Dieses Angesehen von Gott, verleiht mir Ansehen, verlieht mir eine Würde. Der Gedanke der Menschenwürde und der damit verbundenen Menschenrechte hat eine Wurzel eben auch in der Zusage der Liebe Gottes an jeden Menschen.

Mit diesem Ansehen Gottes ausgestattet, bin ich sehenswert, kann ich mich auch sehen lassen. Die Zusage der Liebe Gottes – verdeutlicht in der Taufe – macht mich zu einer „Sehenswürdigkeit“. Daraus können ein gesundes Selbstwertgefühl, ein gesundes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen wachsen.

Und wenn jemand nach mir sieht, dann will er schauen, ob es mir gut geht. Und wenn es nicht gut ist, will er sich um mich kümmern.

Der berühmteste Trinkspruch aus der Filmwelt lautet: „Ich schau dir in die Augen, Kleines!“ Das sagt in „Casablanca“ Rick (Humphrey Bogart) zu Ilsa (Ingrid Bergman). Der Satz stand nicht im Drehbuch. Bogart hat ihn 1942 spontan verwendet.

Eigentlich handelt es sich um einen alten Trinkspruch: Zwei Menschen prosten sich zu und schauen sich durchs Glas in die Augen. So hat ihn Bogart in dem Film auch zweimal verwendet. Eigentlich müsste er in der deutschen Synchronisation in etwa so klingen: „Ich trinke auf dein Wohl, Kleines!“ Zur allgemeinen Überraschung heißt es aber: „Ich schau dir in die Augen, Kleines!“ Noch ein weiteres Mal sagt Bogart diesen Satz. In der Abschiedsszene am Flughafen Casablanca, da hätte man den Spruch treffend mit „Alles Gute, Kleines!“ übersetzen können.

Ob „auf mein Wohl“ oder „alles Gute für mich“ - all das schwingt mit in den zeitlos gültigen Worten Hagars: Du bist ein Gott, der mich sieht.

Leider kommt mir nun Gott nicht so nahe, wie Bogart der Bergmann in „Casablanca“. Aber das ändert nichts daran, dass er mich sieht – aus der Ferne …

Bette Midler singt davon:

Bette Midler, Aus der Ferne / From a Distance

Aus der Ferne betrachtet
Sieht die Welt blau und grün aus.
Und die Berge haben Mützen aus Schnee.
Aus der Ferne betrachtet
Treffen die Ozeane die Flüsse
Und die Adler fliegen.

Aus der Ferne betrachtet
Ist hier Harmonie
Und diese zieht wie ein Echo durch das Land.
Es ist die Stimme der Hoffnung,
Es ist die Stimme des Friedens,
Es ist die Stimme jedes einzelnen Menschen.

Aus der Ferne betrachtet
Haben wir alle genug,
Und niemand ist in Not.
Und da sind keine Waffen, keine Bomben und keine Krankheit,
keine hungrigen Mäuler zu füttern.
Aus der Ferne betrachtet marschieren wir alle in einer Linie,
Spielen Lieder der Hoffnung,
Spielen Lieder des Friedens,
Das sind die Lieder von jedem einzelnen Menschen.

Gott beobachtet uns,
Gott beobachtet uns,
Gott beobachtet uns,
Aus der Ferne.

Aus der Ferne betrachtet
Siehst du aus wie mein Freund,
Gerade noch so gedacht, haben wir Krieg.
Aus der Ferne betrachtet
Kann ich es einfach nicht verstehen,
Für was all das Kämpfen gut sein soll.
Aus der Ferne betrachtet
Ist hier Harmonie,
Und dieses Echo geht durch das ganze Land.
Und es ist die Hoffnung der Hoffnungen,
Es ist die Liebe der Liebe,
Es ist das Herz von jedem einzelnen Menschen.

 

Gebet:

Guter Gott, im Vertrauen darauf,

dass du uns auch in den Wüsten unseres Lebens begleitest, bitten wir dich:

Dort, wo Menschen miteinander streiten, kämpfen und sich bekriegen:

Sieh auf sie: Lass in ihren Wüsten Blumen der Versöhnung und des Friedens wachsen.

Dort, wo Menschen unter Sorgen und Ängsten, Krankheit und Verzweiflung leiden:

Sieh auf sie: Lass sie in ihren Wüsten Oasen der Zuversicht und Hoffnung finden.

Dort, wo Menschen Durststrecken ertragen und mit Verlusten leben müssen:

Sieh auf sie: Lass in ihren Wüsten Quellen der Ermutigung aufbrechen.

Dort, wo Menschen nicht mehr ein noch aus wissen und sich im Leben verirrt haben:

Sieh auf sie: Lass sie in ihren Wüsten Wegweiser zur Orientierung finden.

Du bist ein Gott, der in unseren Wüsten bei uns ist und uns sieht. Du kannst unsere Wüsten mit Leben erfüllen. Dafür danken wir dir. Amen.