Freitags 5nach6 - Keine Alleingänge

23. Februar 2024

372 5nach6 24.02.2024 Keine Alleingänge                                                      Ps 23

Quelle: Fastenaktion 7 Wochen ohne – F. Muchlinsky, Fastenmail 1, Zitate kursiv

Diesmal wird uns von „7 Wochen Ohne“ empfohlen, auf Alleingänge zu verzichten und stattdessen „rüberzukommen“. Gut und schön, aber … Ist uns gerade in diesen wirren und verwirrenden Zeiten nicht eher danach zurückzurufen: „Ach, lass mich in Ruhe!“!

Und Alleingänge haben durchaus etwas Gutes!

Der Fußballspieler Florian Wirtz hat nach einem grandiosen Alleingang ein sagenhaftes Tor geschossen, das wegen dieser tollen Einzelleistung zum „Tor des Jahres 2023“ gewählt wurde. Und ist Jesus in gewisser Weise nicht auch ein Einzelgänger und zumindest auf dem Weg zu seiner Hinrichtung auch ein „Alleingänger“ gewesen?

Und wie oft haben wir nicht schon gedacht: Ich mache es besser selbst, dann wird es wenigstens gemacht, es wird schneller gemacht und es wird gut gemacht. Denn wer sich auf andere verlässt, ist oft verlassen!

Wir sehen: Ganz so einfach lässt sich das Alleingängertum nicht gegen das Zusammenwirken mit anderen ausspielen.

Fußballfans werden einwenden: „Naja, Wirtz hat einen tollen Alleingang hingelegt, aber vorher hat ihm ein Mannschaftskamerad den Ball zugespielt!“ Und auch Jesus wäre ohne seine Jünger und die Millionen, die ihm bis heute nachgefolgt sind, vielleicht als Einzelgänger im Dunkel der Geschichte verschwunden.

Pastor Muchlinsky von der „Fastenaktion 7 Wochen ohne“ schreibt denn auch:   

Wer den Wunsch nach Einsamkeit hat, soll dem gern weiterhin nachgehen. Es ist nichts einzuwenden gegen Zeiten, in denen wir für uns sind. Im Gegenteil, wir brauchen solche Zeiten, um uns selbst Gutes zu tun oder um uns über Dinge klar zu werden. Das hat eine gute und lange Tradition: Auch Jesus ging, bevor er überhaupt mit seinem Werk anfing, in die Wüste und fastete dort 40 Tage lang allein.

Es geht also nicht um das Alleinsein, das guttut, sondern es geht um die Dinge, die man besser zusammen mit anderen angeht. Jesus blieb ja auch nicht in der Wüste, sondern er versammelte Leute um sich, mit denen er sein großes Werk anging.

In seinem Fastenbrief fährt Muchlinsky fort:

Darum: Komm rüber! Verlasse ein paar Räume, in denen du dich einigelst: Komm aus der Wohnung mit dem praktischen Homeoffice! Komm aus dem Schweigen, in dem du dir bequem deinen Teil denken kannst! Aber deine Gedanken werden nur Folgen haben, wenn du sie teilst! … Komm raus aus dem Glauben, du müsstest alles allein schaffen!

„Gemeinsam geht alles besser“, sagt der Volksmund. Ja, aber …

Wer „rüberkommt“, wer auf Alleingänge verzichtet, macht sich abhängig von anderen. Da drüben warten andere Meinungen, andere Stimmungen, andere Vorstellungen. Wer mit anderen geht, muss sich eventuell dem Tempo der anderen anpassen, muss eventuell über die Richtung oder gar das Ziel diskutieren. Wer „rüberkommt“, gibt ein Stück der eigenen Freiheit auf. Andererseits kann man eine Menge gewinnen davon, wenn man gemeinsam unterwegs ist.

Am letzten Freitag haben wir davon gehört: Die Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Eigentlich kommt die Erzählung zu früh, denn sie spielt Ostern:

Am selben Tag waren zwei Jünger unterwegs zu dem Dorf Emmaus. Es lag gut zehn Kilometer von Jerusalem entfernt. Sie unterhielten sich über alles, was sie in den letzten Tagen erlebt hatten. Während sie noch redeten und hin und her überlegten, kam Jesus selbst dazu und ging mit ihnen. Aber es war, als ob ihnen jemand die Augen zuhielt, und sie erkannten ihn nicht. (Lukas 24,13‒16 Basisbibel)

Warum die beiden aufgebrochen sind, wird nicht erzählt, aber ich kann mir gut vorstellen, wie sie miteinander reden und all das besprechen, was sie erlebt haben. Es ist so gut, jemanden zu haben, mit dem man die eigene Trauer teilen kann! Die beiden haben einander, und so können sie einander stützen. Sie können das Schlimme, das sie erlebt haben, gemeinsam besprechen und so sicherlich ein Stück weit bearbeiten. Allerdings drückt ihnen genau diese Tatsache anscheinend ihre Augen zu. Als der auferstandene Jesus sich auf einmal zu ihnen gesellt, erkennen sie ihn nicht. All ihre Trauer, Schmerz und Sorgen könnten mit einem Schlag verfliegen, aber es kommt nicht dazu, weil die beiden bei sich bleiben, anstatt „rüberzukommen“, oder zumindest genau „rüberzusehen“. Später erst werden sie ihn erkennen, aber zunächst wird erzählt, dass sie es einfach nicht schaffen, das Gute, das ihnen begegnet, wahrzunehmen.

Diese Unfähigkeit ist mir bekannt. Ich kenne es, in Sorge und Trauer gefangen zu sein. Und ich weiß, dass Kontakte und Gespräche mit anderen mir heraushelfen können. Zum einen sind da Leute, die mein Los teilen. Es tut gut, sich mit ihnen auszutauschen und zu spüren: Ich bin nicht allein. Und dann sind da die Leute, die ganz anders unterwegs sind – wie Jesus in der biblischen Geschichte. Menschen, die freundlich mitgehen, ohne in derselben Situation zu sein. Wenn ich mich denen zuwende, kann ich vielleicht erkennen, dass „da drüben“ noch etwas anderes existiert, als meine eigenen Geschichten und Gefühle. Nur muss ich eben die Augen aufmachen! Lassen Sie uns so gemeinsam durch die Fastenzeit gehen: in Kontakt mit Leuten, die uns guttun, und mit offenen Augen für die anderen, die unterwegs sind. Wer weiß, ob nicht gerade die etwas beitragen können, was unsere Probleme löst!

Packen wir vor unsere EINSAMKEIT ein M. Es kann stehen für Mitgefühl oder mitteilen.

Packen wir vor unsere EINSAMKEIT ein E – vielleicht für entgegenkommen, entdecken.

Packen wir vor unsere EINSAMKEIT ein G – für Gegenseitigkeit, Geselligkeit, Geschenk.

So wird aus der Einsamkeit eine GEMEINSAMKEIT – in der die Einsamkeit enthalten ist, aber überwunden wird – zum eigenen Wohlergehen und zum Wohlergehen anderer.

Ein besonders schönes Beispiel dafür ist Gellerts Gedicht „Der Blinde und der Lahme“:

Von ungefähr muss einen Blinden
Ein Lahmer auf der Straße finden
Und jener hofft schon freudenvoll
Dass ihn der andre leiten soll

„Dir“, spricht der Lahme, „beizustehen
Ich armer Mann kann selbst nicht gehen
Doch scheint's, dass du zu einer Last
Noch sehr gesunde Schultern hast

Entschließe dich, mich fortzutragen
So will ich dir die Stege sagen
So wird dein starker Fuß mein Bein
Mein helles Auge deines sein

Der Lahme hängt mit seinen Krücken
Sich auf des Blinden breiten Rücken
Vereint wirkt also dieses Paar
Was einzeln keinem möglich war

Du hast das nicht was andre haben
Und andern mangeln deine Gaben
Aus dieser Unvollkommenheit
Entspringet die Geselligkeit

Wenn jenem nicht die Gabe fehlte
Die die Natur für mich erwählte
So würd' er nur für sich allein
Und nicht für mich bekümmert sein

Beschwer' die Götter nicht mit Klagen
Der Vorteil, den sie dir versagen
Und jenem schenken, wird gemein
Wir dürfen nur gesellig sein

 

 Was wir nicht sehen, erkennen andere und erzählen es uns. Wege, die wir allein nicht schaffen, gehen andere mit uns …

Gott ist bei der Frage „Allein oder gemeinsam?“ nicht festgelegt. Einerseits lädt er uns zu einer ganz individuellen Beziehung zu sich ein: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich befreit. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir.“ (Jes 43,1) Andererseits verspricht er mit Jesus Christus: „Denn wo zwei oder drei Menschen in meinem Namen zusammenkommen, da bin ich selbst in ihrer Mitte.“ (Mt 18,20)