Freitags 5nach6 - Es ist Krieg

25. Februar 2022

299.2 5nach6 25.02.2022_Es ist Krieg                                                                 Ps 23 

Ich hatte mit Vielem gerechnet, aber nicht damit, dass in Europa noch einmal ein regelrechter Krieg ausbricht. „Es ist Krieg“, sagte die Moderatorin im Frühstücksfernsehen. Damit waren natürlich auch alle meine schönen Entwürfe für 5nach6 hinfällig.

„Es ist Krieg“. Da war doch, da hat doch … ja, da war Matthias Claudius (Wir pflügen und wir streuen / Der Mond ist aufgegangen“) und der hat, ja, der hat genau mit dieser Zeile 1778 ein Gedicht begonnen.

 

’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
’s ist leider Krieg – und ich begehre,
Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blass,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

(Was sollt ich machen,)

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mich verfluchten
In ihrer Todesnot?

(Was sollt ich machen,)

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?


Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
’s ist leider Krieg – und ich begehre,
Nicht schuld daran zu sein!

„Es ist Krieg“. Matthias Claudius hatte diese Bilder des Kriegsgrauens vor seinem inneren Auge, wir haben sie per Fernsehen in einer wahrhaft gruseligen Flut unmittelbar vor Augen. Es ist unerträglich!

„Es ist Krieg“. Und wer hat nun Schuld an dieser Katastrophe?

Zum einen weiß ich nicht, ob die Schuldfrage die Frage ist, die jetzt weiterhilft. Für mich ist die wichtigere Frage: Wer kann was tun, damit das Morden aufhört?

Zum anderen erstaunt mich, der Wunsch von Matthias Claudius, dass er nicht schuld sein möge an dem Krieg. Er? Der Pastorensohn, Jurist, Journalist, Schriftsteller, Dichter? Schuld sind doch die Kriegsherren, die Politiker, die da oben! Heute ja doch wohl Putin! Ja, die auch, vermutlich sogar in erster Linie.

Aber was ist mit uns, den sog. kleinen Leuten? Welche Stimmungen unterstützen wir? Wozu lassen wir uns verführen und womit stimmen wir überein – vielleicht vorschnell, unüberlegt? Welche Politik, welche Politiker/innen unterstützen wir – und zwar nicht nur mit ihrem Kreuz auf dem Stimmzettel, sondern im Alltag?

Kurt Tucholsky, ebenfalls Journalist und Schriftsteller, hat sich 1919 auf dem Hintergrund der Schrecken des 1. Weltkriegs von Matthias Claudius‘ Gedicht zu einem eigenen Gedicht anregen lassen.

„‘s ist Krieg!!“

Die fetten Hände behaglich verschränkt
vorn über der bauchigen Weste,
steht einer am Lager und lächelt und denkt:
»'s ist Krieg! Das ist doch das beste!
Das Lager geräumt, und der Friede ist weit.
Jetzt mach in anderen Chosen (Geschäften) –
Noch ist die blühende, goldene Zeit!
Noch sind die Tage der Rosen!«

Franz von der Vaterlandspartei
klatscht Bravo zu donnernden Reden.
Ein ganzer Held – stets ist er dabei,
wenn sich Sprecher im Saale befehden.
Die Bezüge vom Staat, die Nahrung all right –
lass Stürme donnern und tosen –
Noch ist die blühende, goldene Zeit!
Noch sind die Tage der Rosen!

… 

„Es ist Krieg“. Er lenkt den Blick auf die Kriegstreiber und die Kriegsgewinnler, die auf der Herdplatte des heißen Krieges ihr wirtschaftliches und politisches Süppchen kochen!

„Es ist Krieg“. Was können wir tun? Das Leid der Soldaten und Zivilisten in der Ukraine und in Russland machen mich zunächst sprachlos, hilflos, ohnmächtig. Ein unerträgliches Gefühl.

„Es ist Krieg“. Wir können als Christen/innen, wenn nichts zu helfen scheint, wenn (noch) nichts zu helfen scheint, eines tun: beten. Martin Luther dichtete 1529:

 

Verleih uns Frieden gnädiglich,
Herr Gott, zu unsern Zeiten.
Es ist doch ja kein andrer nicht,
der für uns könnte streiten,
denn du, unser Gott, alleine.

 

 

Luther wusste: Ich kann Frieden nicht machen, ich kann mich lediglich darum bemühen. Letztlich bleibt er ein Geschenk Gottes. Wichtig ist nur, dass wir dieses Geschenk auch auspacken, ihm Raum geben – jede und jeder, wo auch immer.  

Dieter Trautwein wusste das und dichtete 1978 („Komm, Herr, segne uns“)

Frieden gabst du schon, Frieden muss noch werden,
wie du ihn versprichst uns zum Wohl auf Erden.
Hilf, dass wir ihn tun, wo wir ihn erspähen -
die mit Tränen säen, werden in ihm ruhn.

Im Gebet kann ich „runterfahren“, kann ich zu meiner Angst und zu meiner Ohnmacht stehen, weil ich nicht allein stehe, weil ich vor Gott stehe. Ich kann den Kopf freier und das Herz ruhiger bekommen. Ich kann klarer sehen, vielleicht …

Und so lasst uns beten … (Ökumenisches Friedensgebet 2022, nach: Seesener Beobachter, 25.02.22)

Gütiger Gott, wir sehnen uns danach,
miteinander in Frieden zu leben.

Wenn Egoismus und Ungerechtigkeit überhandnehmen,
wenn Gewalt zwischen Menschen ausbricht,
wenn Versöhnung nicht möglich erscheint,
bist du es, der uns Hoffnung auf Frieden schenkt.

Wenn Unterschiede in Sprache, Kultur oder Glauben uns vergessen lassen,
dass wir deine Geschöpfe sind und
dass du uns die Schöpfung als gemeinsame Heimat anvertraut hast,
bist du es, der uns Hoffnung auf Frieden schenkt.

Wenn Menschen gegen Menschen ausgespielt werden,
wenn Macht ausgenutzt wird, um andere auszubeuten,
wenn Tatsachen verdreht werden, um andere zu täuschen,
bist du es, der uns Hoffnung auf Frieden schenkt ...

Schenke uns mutige Frauen und Männer,
die die Wunden heilen,
die Hass und Gewalt an Leib und Seele hinterlassen.
Lass uns die richtigen Worte, Gesten und
Mittel finden, um den Frieden zu fördern …
lass unsere Stimmen laut vernehmbar sein
gegen Gewalt und gegen Unrecht. Amen.