Freitags 5nach6 - Vom Glück … des Erinnerns

12. August 2022

313 5nach6 12.08.2022_Vom Glück … des Erinnerns             Ps 36

Quelle: S.Meister, Vom Glück des Erinnerns, in: Gottesdienstinstitut der ELKB, Drei Stück vom Glück. - Andachten zum Thema Glück (2022), Nürnberg, 2022, S.11-17, Zitate kursiv

Schwere Zeiten, das war meine Überschrift für die letzten Andachten. Aber was hilft, schwere Zeiten zu bestehen? Nun, ich denke, dazu braucht man Glück. Zu meinem Geburtstag neulich haben mir viele Menschen „Glück“ gewünscht. Aber – was gehört zum Glück, zum Glücklich-sein? Mit Glück meine ich aber nicht nur, das Zufällige, Schicksalhafte, das einem widerfährt. Darüber hinaus gehören zum Glück einige Elemente, über die ich in den nächsten Wochen nachdenken möchte – mit Hilfe von drei Kurzandachten aus dem Nürnberger Gottesdienst-Institut. 

Das Glück schmeckt nach Semmeln mit Honig

Brötchen mit Nutella – für manche ist das eine echte Kindheitserinnerung. Das schmeckt nach Samstagmorgen, dem einzigen Tag in der Woche, an dem es Brötchen gab und die Familie am Frühstückstisch beieinander war und das Wochenende plante.

Die Erinnerung liegt auf der Zunge.

Darum … schmeckt der Erdbeerkuchen nach den längst vergangenen Sonntagnachmittagen bei Oma, wo der Erdbeerkuchen süß und saftig war, mit viel Schlagsahne obendrauf.

In der Erinnerung schmecken wir noch einmal ein Stück vom Glück. 

Für das biblische Gottesvolk schmeckte das Glück in der Erinnerung nach „Brot mit Honig“ (2. Mose 16,30). Wann immer man sich von der Wüstenzeit nach dem Auszug aus Ägypten erzählte, erzählte man sich auch von diesem Wunder. Mitten in der Wüste regnete es Brot vom Himmel und die erstaunten Israeliten fragten: Man-hu? Was ist das? Die Erinnerung an Manna – eine Geschichte wie ein Stück vom Glück.

Erinnern mit allen Sinnen

Unsere Sinne sind ein guter Speicher für unsere Erinnerungen.

Nicht nur die Zunge kann Erinnerungen an den Geschmack der Kindheit wiederbringen; auch die Nase kann sich an den Duft der ersten Verliebtheit erinnern: an den ersten Kuss damals ...

Das Ertasten des anderen Menschen bei der ersten Umarmung, wenn man ein Enkelkind an sich drückt, der feste Händedruck einer Freundin, wir erinnern uns auch an Tastempfindungen!

In die Ohren dringt aus dem Autoradio ein Hit von damals und plötzlich fühlt man sich zurückversetzt an die ersten Disco-Nächte und schüchternen Tanzversuche von damals. Die Erinnerung an den Jungen .., der man einmal war, ist wieder da.

Auch unsere Augen sehen mehr und führen uns zurück in vergangene Zeiten. Ein Blick in die Fotoalben – und wir sehen nicht nur einen jungen Mann im Anzug, sondern sehen mit dem inneren Auge die Konfirmationsfeier damals und wer alles dabei war. …Und wenn es gut geht, dann ist es wieder da mit dem einen Blick: das Stück vom Glück.  

Das Glück festhalten

Am liebsten würde man das Glück festhalten. Und heute haben wir einfache Möglichkeiten dazu: man fotografiert und filmt mit dem Handy: nicht nur die ersten Schritte des Nachwuchses, sondern auch diese fantastische Morgenstimmung oder den Sonnenuntergang oder das Essen im Urlaub. Man speichert alles, verschiebt in Alben, zeigt sich und sein Lebensglück in den sozialen Medien oder verbringt die Abende vor dem Computer, um Fotobücher zu gestalten.

Und irgendwo liegen auch noch die Kisten mit den Fotos aus der vordigitalen Vergangenheit, die man immer schon sortieren und digitalisieren wollte. Alles, um sich irgendwann zu erinnern, um nichts zu vergessen und nicht vergessen zu werden.

Zwischendurch meldet sich leise ein Gedanke: Lässt sich das Glück eigentlich festhalten – in Fotoalben und Jahresberichten …? Kann ich das Glück wiederbeleben, wenn ich die alten Kinokarten wieder aus der Erinnerungskiste krame? Oder geht das Leben immer weiter und weiter und rutscht mir durch die Hände – bis zum Ende? 

Erinnerungsangst

Ich weiß nicht, ob die Angst vor dem Vergessen in unserer digitalen Zeit größer geworden ist. … Vor 100 Jahren hatten die Menschen viel weniger Fotos zur Erinnerung: vielleicht ein Hochzeitsbild, ein gestelltes Familienbild beim Fotografen. Später dann die klassischen Anlässe: Hochzeit, Taufe, Einschulung, Konfirmation, Schulabschluss, vielleicht Bilder vom ersten Auto, von der Clique und dann die Diakästen vom Campingurlaub, weil Papierfotos teuer waren.

Heute erleben wir viel, können viel mehr festhalten, aber das Leben, das Glück lässt sich nicht festhalten. Das haben auch die Israeliten in der Wüste erfahren (vgl. Ex 16,1-35)

Glück des Erinnerns

Wüste heißt „wenig“, zu wenig von allem, was man zum Leben braucht: Wenig Wasser, wenig zu essen, wenig Gepäck, wenig Heimat, wenig Glück. Und dann kommt – ganz unerwartet das Glück: Manna, Glück vom Himmel. Und jeder bekommt so viel er braucht.

Und die Israeliten sammelten, einer viel, der andere wenig. … Jeder hatte gesammelt, soviel er zum Essen brauchte.

Ob das auch fürs Glück gilt und das Glück, sich zu erinnern? Dann würde dastehen:

„Und die einen sammelten viele Erinnerungen, schrieben Jahresrückblicke und fotografierten jedes Essen und speicherten jeden Sonnenuntergang; und andere sammelten wenig, … oder haben kein Geld gehabt, tolle Fotobücher zu gestalten oder waren einfach nur zu müde. Aber als man´s nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, soviel er brauchte. Am Ende haben alle genug, so viel sie brauchen zum Glück, zum Glück des Erinnerns.   

Glück kann man nicht aufheben.

Wüsten zu durchqueren ist bedrohlich. Da kann man schon dran denken, sich etwas aufzuheben: aufzuheben für morgen. Es gäbe einem ein gutes Gefühl ... Man kann sie verstehen, die Israeliten, in ihrem Wunsch, sich unabhängig zu machen vom Glück. ... Glück auf Vorrat würde vielleicht helfen. Sich etwas aufsparen für schlechte Zeiten ...

„Und etliche ließen davon übrig bis zum Morgen; da wurde es voller Würmer und stinkend.“

Das Manna, das Glück, verfault. Es ist nicht haltbar zu machen, nicht festzuhalten in Fotoalben oder auf Facebook. Glück fällt uns zu wie Manna den Israeliten. Es hält nicht auf Vorrat. Vielleicht ist das Erinnern wie das Glück selbst: es ist flüchtig, ...

Gottesdienst als Einübung ins Glücklichsein

Erinnerungen sind ein Stück vom Glück. In jedem Gottesdienst erinnern wir uns an das Glück, das uns geschenkt wird wie Manna vom Himmel.

Glück lässt sich nicht festhalten. Glück lässt sich nicht auf Vorrat sammeln. Glück fällt uns in den Schoß, wie Manna vom Himmel.

Vielleicht muss man dieses Vertrauen auf das Glück, auf Gott einüben: Jeden Abend auf den Tag zurückblicken, dankbar auf jedes Stück vom Glück blicken und dann loslassen und auf den nächsten Tag und das neue Manna, das neue Glück von Gott warten.

Am 7. Tag müssen wir nichts tun als ausruhen und einfach nur da sein und die Erinnerungen kommen lassen. Am siebten Tag sollen wir aus dem Vollen leben, Gott loben und das Glück besingen, das nach Brot und Honig schmeckt und manchmal nach Nutella.

Jeder Tag schenkt uns etwas, das es wert ist, sich zu erinnern:

Das Vogelgezwitscher am frühen Morgen,

das Eichhörnchen am Baum vor dem Fenster,

der Duft von Kaffee beim Frühstück,

eine Umarmung oder gar ein Kuss.

Und es geht weiter am Tag:

ein gutes Gespräch,

ein Spaziergang in der Sonne – oder im Regen

Eine Gelegenheit zum Lachen oder Lächeln

Ein Dankeschön

 

Oft ist es viel mehr, als wir am Abend erinnern können.
Ich habe hier Tütchen mit getrockneten Erbsen. Sie sind eine kleine Erinnerungshilfe:
Nehmen Sie sie mit, stecken Sie sie in Ihre linke Jackentasche oder Hosentasche.
Immer wenn Sie das Glück entdecken am Tag, stecken Sie eine Erbse* von links nach rechts in die andere Tasche.
Am Abend – beim Zubettgehen – zählen Sie „Ihr Glück des Tages“:
wie viele Erbsen sind von links nach rechts gewandert?
An welche Glücksmomente können Sie sich noch erinnern?
Es geht nicht darum, möglichst viele Erbsen gesammelt zu haben.
Es geht um das Glück des Erinnerns und die Freude, das Glück gefunden zu haben.

 

Gebet eines Glücklichen:

Das Glück des Psalmbeters:

Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.

Er erquicket meine Seele.

Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück;

denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.

Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,

und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.