Freitags 5nach6 - Offen sein für Glück

23. September 2022

318 5nach6 23.09.2022_Offen sein für Glück                      Seligpreisungen Mt 5,1-12

Quelle: H.Frank, Wo das Glück lauert, in: Ev. Presseverband Bayern, Ev. Zeitung – Thema: Glück – wie das Leben gelingt, 1/2013, S.6f, Zitate kursiv)

Wenn unsere Schwiegertochter Maria bei uns ist, sagt sie spätestens am Tag vor der Abreise: „Ulrich, ich backe dir noch einen Hefezopf.“ Sie weiß, dass ich ihren Hefezopf – vergleichbar mit dem besten Rosinensemmel – sehr, sehr schätze. Und weil ich hoffe, dass sie wieder einen für mich backt, habe ich dafür gesorgt, dass Hefe, Rosinen und Mehl im Hause sind. Und dann die erste Scheibe, noch warm, ein wenig Butter darauf – das ist ein Glück.

Glück ist machbar, Herr Nachbar! Die Semmelscheibe – ein vordergründiges Genuss-Glück. Im Hintergrund steckt aber noch mehr Glück:

Maria kann einen guten Hefezopf backen – zum Glück
Maria ist sensibel und weiß, was mich glücklich macht – zum Glück.
Maria mag mich so sehr, dass sie mich glücklich sehen möchte – zum Glück.
Maria nimmt sich die Zeit, für mich den Semmel zu backen – zum Glück.
Zu meinem Glück.

Wir sehen: Hinter dem geschmacklichen Glück des Semmels steckt noch mehr Glück. Und dieses „mehr Glück“ kann ich nicht machen. Das widerfährt mir, kommt auf mich zu.

Szenenwechsel: Weihnachtslieder werden gesungen, beim „Lebendigen Adventskalender“, am 2. Advent bei „Singen und Erzählen im Advent“, z.B. „Am Weihnachtsbaume die Lichter brennen“. Darin enthalten sind folgende Strophen:

 

Zwei Engel sind hereingetreten
Kein Auge hat sie kommen seh'n

Sie geh'n zum Weihnachtstisch und beten
Und wenden wieder sich und geh'n

Kein Ohr hat ihren Spruch vernommen
Unsichtbar jedes Menschen Blick
Sind sie gegangen wie gekommen
Doch Gottes Segen blieb zurück

 

Das ist sicher ein Glück. Aber wir sehen es nicht. Wir sind bisweilen blind für das Glück, unsensibel, das Glück zu empfinden, das uns widerfährt. Es geht also weniger darum, mit allen möglichen Tricks sein Glück zu machen! Es geht darum, für das Glück, das auf mich zukommt, sensibel zu werden, offen zu werden. Und für diese „Offenheit für das Glück“, da kann ich einiges tun (vgl. H.Frank, Wo das Glück lauert).

 

Gottvertrauen schafft Selbstvertrauen. Selbstvertrauen macht weniger ängstlich. Weniger Angst zu haben, schafft Raum für das Empfinden von Glück.

 

Sinn in meinem Leben sehen. Morgens aufzuwachen, nicht gleich an Termine und Aufgaben zu denken, sondern davon überzeugt sein: Es ist gut, dass ich da bin und dass mir dieser Tag geschenkt wird. Das schafft Raum für das Empfinden von Glück.

 

Aktiv sein. Geistige oder körperliche Aufgaben suchen, vorzugsweise eine, die mich mit anderen Menschen zusammenbringt. Das schafft Raum für das Empfinden von Glück.

 

Die einfachen Dinge schätzen lernen, den Morgenhimmel, die Farben der Natur, das Lächeln des Nachbarn. Das schafft Raum für das Empfinden von Glück.

 

Mich auf etwas freuen. Vorfreude ist die schönste Freude, weil das Glückserlebnis ja noch bevorsteht. Das schafft Raum für das Empfinden von Glück.

 

Beziehungen pflegen, sich Gemeinschaften anschließen. Das schafft Raum für das Empfinden von Glück. „Glück ist das Einzige, dass sich verdoppelt, wenn man es teilt“, sagt Albert Schweitzer.

 

Bewegung. Körperliche Anstrengung – je nach Möglichkeit – setzt sog. Glückshormone frei. Das schafft Raum für das Empfinden von Glück.

 

Leben im Jetzt. Ja, es gibt schöne Erinnerungen, ja, auf den morgigen Tag kann ich hoffen. Aber mein Leben ereignet sich jetzt, just in diesem Moment. In diesem Moment gilt es da zu sein, offen zu sein. Das schafft Raum für das Empfinden von Glück.

 

Mich am Leben freuen. Ich lebe nur einmal – und zwar jetzt. Mut zur Lebensfreude. Das schafft Raum für das Empfinden von Glück.

 

Mir klar werden, was „Glück“ für mich persönlich bedeutet. Die Glückvorstellungen ändern sich, so wie ich mich und wie meine Lebensumstände sich ändern.

 

Wissenschaftler unterscheiden verschiedene Formen von Glück – auch für verschiedene Lebensabschnitte (vgl. P.Dörhöfer, Glück ändert seine Farbe im Laufe des Lebens, Interview mit dem Mediziner T.Esch, in: Frankfurter Rundschau, 09.09.22, S.17).

 

Da ist das freud- und lustvolle, begeisterte Glück, ein typisches Jugendglück.

 

Da ist das Erleichterungsglück, das aufkommt, wenn das Unglück oder auch nur Belastungen und Stress eine Pause einlegen. Dieses Glück findet sich bei den „Mittelalten“, die den Anforderungen in Beruf und Familie besonders ausgesetzt sind.

 

Da ist das Zufriedenheitsglück, das Gefühl „jetzt passt alles“. Das Zufriedenheitsglück findet sich bei älteren Menschen so häufig wie bei keiner anderen Altersgruppe. Die Alten wissen, dass ein gesunder Körper eine Illusion ist, und sie müssen sich – im Vergleich zu anderen – auch nicht mehr so sehr von äußeren Dingen abhängig machen, um glücklich zu sein. Deswegen kann das Loslassen-Können auch ein Glücksmoment sein.

 

Lebensfreude, die Abwesenheit von Unwohlsein und das Gefühl zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, das nenne ich das Pinguin-Glück. Warum? Weil Eckart von Hirschhausen folgende wunderbare Geschichte erzählt:

 

… Ich war als Moderator auf einem Kreuzfahrtschiff engagiert. Da denkt jeder: „Mensch toll!” Das dachte ich auch. Bis ich auf dem Schiff war. Was das Publikum angeht, war ich auf dem falschen Dampfer. Die Gäste an Bord hatten sicher einen Sinn für Humor, ich hab ihn nur … nicht gefunden. Und noch schlimmer: Seekrankheit hat keinen Respekt vor einem Doktortitel. Kurzum: ich war auf der Kreuzfahrt kreuzunglücklich.

Endlich! Nach drei Tagen auf See, fester Boden. „Das ist wahrer Luxus!” Ich ging in einen norwegischen Zoo. Und dort sah ich einen Pinguin auf seinem Felsen stehen. Ich hatte Mitleid: „Musst du auch Smoking tragen? Wo ist eigentlich deine Taille? Und vor allem: hat Gott bei dir die Knie vergessen?” Mein Urteil stand fest: Fehlkonstruktion.

Dann sah ich noch einmal durch eine Glasscheibe in das Schwimmbecken der Pinguine. Und da sprang „mein“ Pinguin ins Wasser, schwamm dicht vor mein Gesicht. Wer je Pinguine unter Wasser gesehen hat, dem fällt nix mehr ein. Er war in seinem Element! Ein Pinguin ist windschnittiger als ein Porsche! Mit einem Liter Sprit käme der umgerechnet über 2500 km weit! Sie sind hervorragende Schwimmer, Jäger, Wasser-Tänzer! Und ich hatte gedacht: „Fehlkonstruktion!”                                                                                                      

 

Diese Begegnung hat mich zwei Dinge gelehrt. Erstens: wie schnell ich oft urteile, und wie ich damit komplett daneben liegen kann. Und zweitens: wie wichtig das Umfeld ist, ob das, was man gut kann, überhaupt zum Tragen kommt.

Wir alle haben unsere Stärken, haben unsere Schwächen. Viele strengen sich ewig an, Macken auszubügeln. Verbessert man seine Schwächen, wird man maximal mittelmäßig. Stärkt man seine Stärken, wird man einzigartig. Und wer nicht so ist, wie die anderen sei getrost: Andere gibt es schon genug! Immer wieder werde ich gefragt, warum ich das Krankenhaus gegen die Bühne getauscht habe. Meine Stärke und meine Macke ist die Kreativität. Das heißt, nicht alles nach Plan zu machen, zu improvisieren, Dinge immer wieder unerwartet neu zusammen zu fügen. Das ist im Krankenhaus ungünstig. Und ich liebe es, frei zu formulieren, zu dichten, mit Sprache zu spielen. Das ist bei Arztbriefen und Rezepten auch ungünstig. Auf der Bühne nutze ich viel mehr von dem was ich bin, weiß, kann und zu geben habe. Ich habe mehr Spaß, und andere haben mit mir mehr Spaß. Live bin ich in meinem Element, in Flow!

Menschen ändern sich nur selten komplett ... Wenn du als Pinguin geboren wurdest, machen auch 7 Jahre Psychotherapie aus dir keine Giraffe. Also …: Bleib als Pinguin nicht in der Giraffen-Steppe. Mach kleine Schritte und finde dein Wasser. Und dann: Spring! Und schwimm! Und du wirst wissen, wie es ist, in Deinem Element glücklich zu sein.

Der Schriftsteller Thomas Mann hat einmal gesagt: „Das Glück kommt zu denen, die es erwarten. Nur müssen sie die Tür auch offen halten!“ Also, jeder Tag ein „Tag der offenen Tür“, das bringt frische Luft, manchmal auch Durchzug  -  und vielleicht auch Glück.

 

Damit ist die „Sommer-Serie“ zum Thema „Glück“ zu Ende. „Ein Glück“, wird manche vielleicht denken. Da kann man mal wieder sehen, wie leicht es sein kann, bei Menschen Glücksgefühle auszulösen. Bei mir allerdings ist es eher Marias Hefezopf.

Ach Gott, ich schaue zu dir auf und hoff, dass du mich siehst,
das du mich nimmst, so wie ich bin, und was ich brauch, mir gibst.
… du weißt, was ich begehr,
… und was ich wünsch so sehr.
Ich kleines armes Menschenkind, ich denk an Ruhm und Ehr,
an Gold und bunten Edelstein, doch brauch ich das so sehr?
In meinem kleinen Erdenkreis, da zählt sowas die Welt,
und richtig glücklich scheint zu sein, wer hat viel Ruhm und Geld.
Doch ist der wirklich so zufrieden, oder scheint’s nur so zu sein?
Scheint der, der wirklich reich am Geld, auch wirklich reich zu sein?
Ach, guter Gott, du kannst ins Herze sehn,
nur du kennst mich, nur du kannst mich verstehn.
So geb ich mich in deine Hand
und hoffe nun auf dich.
Und sollt ich schon am Abgrund steh’n, so, bitte, rette mich.
Mach aus diesem dürr Gestrüpp den schönsten Rosenstrauch,
und gib mir, was ich wirklich brauch. / Guido Hobitz