403_5nach6_22.11.24_Ewigkeitssontag_Liebe bleibt Ps 90
Quelle: Gottesdienstinstitut ELKB, Liebe bleibt, Handreichung zum Gottesdienst am Ewigkeitssonntag, Best.nr. 2462, Nürnberg, 2024 (Zitate kursiv) Material: Postkarte „Liebe bleibt“, hrsg. vom Gottesdienstinstitut ELKB
Häufig fragen wir mit Blick auf den Tod: „Kommt danach etwas? Und - was kommt dann?“ Ich halte es mit dieser Frage wie die alte Dame in folgender Anekdote:
Die alte Dame war unheilbar krank und regelte die letzten Dinge. Sie bat auch den Pfarrer, zu ihr zu kommen, um ihre Wünsche für die Beerdigung abzusprechen. Sie sagte ihm, welche Lieder gesungen werden sollten, welche Bibeltexte gelesen werden sollten und in welchem Kleid sie beerdigt werden wollte. Und: Sie wollte einen Teelöffel in der rechten Hand halten, wenn sie im Sarg aufgebahrt werde. Dem Pfarrer fehlten buchstäblich die Worte.
Die Frau erklärte ihm: „Wenn ich irgendwo eingeladen war, wurde ich immer mal wieder daran erinnert, meinen Teelöffel zu behalten, wenn das Geschirr abgeräumt wurde. Und ich freute mich dann immer, denn ich wusste, dass noch etwas Besonderes kommen würde! Leckere Schokoladendesserts, Kuchen, Apfelstrudel oder Eis. Irgendetwas Wunderbares, was das Mahl abrundete.
Ich möchte daher, fuhr die Frau fort, dass die Leute, die mich im Sarg sehen, sich wundern, warum ich den Löffel in der Hand halte. Und ich will, dass Sie ihnen dann sagen: "Behalten Sie Ihren Löffel, etwas Besonderes, etwas Wunderbares kommt noch!"
Heute möchte ich einmal in die andere Richtung schauen und fragen: „Was bleibt, wenn jemand, wenn ich gehe?“ Die Postkarte will eine mögliche Antwort geben.
Kahle Äste und ein rosafarbener Himmel. Jemand hat Luftballons in Form von Herzen an die Zweige gebunden ...
Die kahlen Äste wecken die Erwartung von neuem, frischen Grün und dem wiederkommenden Frühling … Die an die Äste gebundenen Luftballons wirken einerseits unwirklich und fremd. Andererseits verleihen sie dem Bild eine Stimmung der Leichtigkeit. Wer hat nicht schon gesehen, wie auf Hochzeiten oder Taufen Luftballons von den Gästen losgelassen werden, in den Himmel fliegen, immer kleiner werden und schließlich aus unseren Augen verschwinden. Und vielleicht kommt ein Gruß aus der Nähe oder Ferne, wenn jemand die Karte am Luftballon zurückschickt.
Aber – Luftballons bei einer Beerdigung aufsteigen lassen? Ja, warum nicht? Luftballons bei einer Beerdigung aufsteigen zu lassen steht für ein Loslassen. Es ist eine symbolische Handlung für den Ausdruck der eigenen Trauer über den Verlust, den ich erleide.
Die Herzform der Luftballons stellt eine Verbindung zum Thema Liebe her: Sehnsucht, Leichtigkeit, Erfüllung, Verlust, Loslassen und in Gedanken bewahren mögen einem dabei in den Sinn kommen. Auf der Innenseite der Karte sind die Begriffe „Glaube, Liebe, Hoffnung aus dem Hohen Lied der Liebe eingefügt. Das Wort „Hoffnung“ ist dabei getrennt. Hoffnung geht weiter – auf der anderen Seite … (C.Hechtel, Zur Karte „Liebe bleibt“, in: Handreichung … S. 4f)
Wir leben, als hätten wir unendlich Zeit, und stellen doch irgendwann fest: Das Leben fliegt nur so dahin; fliegt dahin wie die Luftballons auf der Karte ..
Aber auf der Karte sind einige Ballons am Baum festgebunden. … vielleicht als Rest vom Fest, von einer Hochzeit … Die guten Wünsche für das Paar sollen „ganz oben“ ankommen. Ihre Liebe soll unendlich sein wie der Himmel.
Oder sind es Luftballons in den Bäumen eines Friedhofs, wo Kinder und Erwachsene sie haben aufsteigen lassen: „Tschüss, Opa“ oder „Ade, Oma“. Loslassen müssen wir die Verstorbenen – wie die Luftballons. Dabei tut das so weh, die Hand zu öffnen. Kinder weinen, wenn ihr Ballon davonfliegt. Eine tiefe Erfahrung mit dem Leben: wir können nichts festhalten für ewig, die Hand am Sterbebett nicht, die Glücksmomente nicht und manchmal sogar nicht die Liebe, die doch für ewig sein sollte. Wir sind Menschen: endlich auf Erden.
Was bleibt von einem Leben? Was bleibt von einem Leben, das nur so dahingeflogen ist? Das wir loslassen mussten?
‚Glaube, Hoffnung, Liebe‘ steht auf der Innenseite der Karte. Glaube – sollte man meinen – würde die Bibel loben als das, was bleibt: Vertrauen, dass Gott das Leben und alles in seiner Hand hält. … Aber manchmal geht einem auch im Glauben die Luft aus – wie dem Luftballon, der schlapp in den Ästen zwischen Himmel und Erde hängt.
Hoffnung ist das, was bleibt, sagen die Menschen: „Man soll die Hoffnung nicht aufgeben.“ … Doch eines Tages braucht man nicht mehr zu hoffen, dann ist das Schlimmste unwiderruflich eingetreten. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt man. „Aber sie stirbt auch!“, sagte mir einmal ein Schüler, dem ich für die nächste Deutscharbeit Hoffnung zu machen versuchte, nachdem diese nun wieder mangelhaft war.
Liebe, sagt die Bibel, ist das, was bleibt, was dir niemand nehmen kann: die eigene Liebe nicht, die du gegeben hast, und auch nicht die Liebe, die du empfangen hast im Leben, angesammelt hast. Liebe, die dich gewärmt hat, dich jeden Tag hat leben lassen und dir Freude bereitet hat!
Udo Jürgens hat gesungen: „Wohin geht die Liebe, wenn sie geht?“
Die einen spüren: Ich hätte noch so viel Liebe gehabt für den/die Verstorbene/n. Wohin jetzt damit? Sie gehört doch dem, der da im Grab liegt. Dann hängt die Liebe fest: zwischen Himmel und Erde und weiß nicht wohin.
Aber auch das ist möglich - zu sagen: „Es ist gut, wie es ist. Ich habe geliebt. Ich bin geliebt worden. Das hat mich gestärkt. Dafür bin ich dankbar. Aber ich lasse los.“
Und die Liebe? Die Liebe selbst bleibt und überdauert noch jede Erinnerung, die doch verblasst.
Die Liebe bleibt. Manchmal über die Zeiten hinweg. Bleibt in den Kindern und Enkelkindern. Sie spricht aus Bildern, Erinnerungsstücken …
„Die Liebe bleibt, wenn alles geht, weil sie das Leben überlebt.“, singt Peter Maffay.
Der Totensonntag ist kein schöner Tag. Und doch ist er ein guter Tag, ein Mut-Tag. Tapfer blicken wir der Tatsache ins Gesicht, dass wir sterben müssen – genauso wie die, die uns voraus gegangen sind.
Da ist es gut, dass die Kirchen den Sonntag in ihrem Sprachgebrauch umbenannt haben. Statt „Totensonntag“ heißt er „Ewigkeitssonntag“. Nicht nur unsere Liebe ist unwiderruflich in der Welt – gegen und trotz allem. Auch Gottes Liebe ist in der Welt – und darüber hinaus. Gottes Liebe eröffnet eine Perspektive über den Tod hinaus, eine Perspektive auf eine liebevolle Geborgenheit bei Gott – in Ewigkeit.
Das ist auch die Botschaft der Karte. Mögen die kahlen Äste auch für die Leblosigkeit, den Tod stehen – dahinter ist im Nebel verschwommen das Licht der aufgehenden Sonne zu erahnen. Der Tod ist vielleicht ein Ende, aber er ist nicht das Letzte! Und in die toten Äste hinein sind unwiderruflich die Herzen gebunden, die Zeichen gegebener und empfangener Liebe.
Diese Gedanken helfen uns vielleicht, den Blick über den Tod hinaus zu richten. Sie helfen uns vielleicht auch, unseren Blick auf die Tage vor dem Tod zu richten. Denn jeder Tag ist eine Möglichkeit, Zeichen der Liebe in die Äste der Leblosigkeit und der Lieblosigkeit zu hängen, die immer wieder in unser Leben hineinragen.
„Eines Tages werden wir sterben!“, sagt die Comic-Figur Charlie Brown. „Ja!“, entgegnet ihm sein Hund Snoopy. Aber alle anderen Tage davor werden wir leben!“ Und lieben.
Wir leben – und dazu gehört auch die Freude. (S.Meister, Predigt zu Ps 90 und 1. Kor 13,13, in: Handreichung … S. 16-21 i.A.)
Gebet:
Gott, du gibst Leben.
In deiner Ewigkeit ist alles aufbewahrt:
Das Schöne und das Schwere,
die und der Morgen,
die Tränen und die Freude.
Wir bitten dich:
Wisch weg die Tränenschleier unserer Trauer,
heile die verletzten Herzen.
Lass die Liebe Blüten treiben zu neuem Leben.
Schenke Frieden – den Lebenden und den Toten.