Freitags 5nach6 - Andacht: Wie soll ich leben? Goldene Regel

19. November 2021

287 5nach6_19.11.21_Wie soll ich leben? Goldene Regel       Ps 23

Quelle: Gottesdienstinstitut der Ev.luth. Kirche in Bayern, Dr. Oliver Gußmann - Gottesdienst zum Buß- und Bettag 2021 (Art.-Nr.2163), Nürnberg, 2021, Zitate kursiv

Das besprochene Bild „Felsentor im Elbsandsteingebirge“, Ó Fotografie: Gabriele Lübke (Art-Nr. 2162) Ó Hrsg.: Gottesdienst-Institut der Evang.-Luth.-Kirche in Bayern, Nürnberg, shop.gottesdienstinstitut.org, ist zu finden unter Karte "Felsentor" (gottesdienstinstitut.org)

Unsere Feiertage geben uns Antworten auf unsere Fragen: Erntedank erzählt uns, woher das Leben kommt. Der Reformationstag, Martin Luther und St.Martin haben uns Wege gezeigt, wie wir leben sollen. Was gibt der Kalender noch her?

Am 14.11. war Volkstrauertag. Seine Botschaft ist einfach: „Nie wieder Krieg!“ Dieser Tag erinnerte uns an die Schrecken des 2. Weltkriegs. Aber – ein nächster Krieg sähe ganz anders aus. Zerstörung von Lieferketten – allein durch einen Angriff auf den Suezkanal oder andere Knotenpunkte des Welthandels – würde uns vor massive Versorgungsprobleme stellen. Ein Terrorschlag gegen zwei, drei (Atom)Kraftwerke, ein chemischer Angriff auf Einrichtungen der Trinkwasserversorgung, Hackerangriffe auf Elektrizitätswerke, Verwaltungen, Krankenhäuser, Handynetze, die Freisetzung von Viren oder Bakterien … Für den nächsten Krieg muss kein Soldat mehr in den Schützengraben, muss kein Panzer mehr rollen … Nie wieder Krieg!

Am 17.11. war Buß- und Bettag. Auch so eine Gelegenheit über die die Frage nachzudenken „Wie soll ich leben?“.

Buße – das Wort erinnert … an Trauerkleidung, gesenkte Häupter, …  griesgrämig dreinblickende Gesichter. Mit einem Tag der Reue, der Buße, des Gebetes und Selbstbesinnung können manche kaum etwas anfangen. Vermittelt der Bußtag ein freudloses, in sich gekehrtes … Christentum? – „Büßen“ hat allerdings eine positive, freimachende Bedeutung: Das Wort „Buße“ gehört in der deutschen Sprache zur gleichen Wortfamilie wie die Steigerung von „gut“, nämlich „besser“. Wer büßt, will also etwas besser machen, schlägt einen neuen Weg ein, macht etwas wieder gut, … Der Buß- und Bettag bietet die Gelegenheit, mit Gott, mit dem Nächsten oder mit sich selbst neu anzufangen.

Sich auf neue Wege einlassen, das ist nicht einfach. Wege zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sind im Regelfall keine romantischen Panoramawege, keine breiten Einkaufsstraßen, keine baumbestandenen Alleen … Sie sehen eher so aus, wie der Weg auf unserem Bild (Postkarte „Felsentor“).

Er wird sehr eng, der Weg auf diesem Foto. Eine sehr schmale und sehr steile Treppe führt nach oben. … Wie weit ist es denn noch? Ich bleibe stehen, um Atem zu holen. … Ich blicke auf den Weg vor mir: Vierzig Stufen sind noch zu gehen. Mindestens! Steckenbleiben möchte ich nicht in diesem schmalen Durchgang! Und auch nicht stürzen – das darf auf keinen Fall passieren. …  

Zu beiden Seiten meines Weges steile Felswände. Beklemmend! An dem rauen Stein kann ich mir leicht die Haut aufschürfen. … kann ich mich beim Aufstieg daran abstützen? … Ich habe Herzklopfen bei dem Gedanken an den Aufstieg, der mir jetzt bevorsteht. Das Ende der Stiege ist noch nicht in Sicht. Wer weiß, vielleicht sind es am Ende nochmal vierzig Stufen? Oder ich komme an eine Tür, die verschlossen ist? Eigentlich will ich gar nicht diesen engen Pfad gehen. Gibt’s denn keinen einfacheren, breiteren Weg? Einen, der diese enge Felsspalte umgeht? Und wenn es einen Umweg gäbe – würde ein breiter Weg mich zum gleichen Ziel führen? Wohl kaum, sonst hätte man sich ja nicht die Mühe gemacht, einen Weg durch diese enge Schlucht zu schlagen.

Ich schaue auf: Da oben ist Tageslicht zu sehen. Ein Glanz vom Himmel. So weit kann es doch dann eigentlich nicht mehr sein. Das ermutigt mich. Das Atemholen hat mir gutgetan. Ich raffe mich auf und gehe weiter. Schritt für Schritt. Stufe für Stufe dem Ziel entgegen.

Es ist ein uraltes Bild, das Leben wie zwei Wege zu verstehen. Manchmal nimmt das Leben eine Wendung und man gelangt an Weggabelungen, an denen man sich für das Richtige entscheiden muss. Aber: Was ist das Richtige?

In der Bergpredigt spricht Jesus von zwei sehr unterschiedlichen Wegen: Der eine Pfad ist schwer zu finden und sehr schmal. Kurz vor dem Ende führt er durch eine enge Tür, bevor man das gelingende Leben erreicht. Der andere Weg ist eine breite Straße, leicht zu gehen. Viele Menschen gehen auf diesem Weg. Er führt durch ein breites Tor, aber am Ende ins Verderben. Man steht also vor der Entscheidung, den bequemen Weg zu gehen oder aber den schmalen, mühsamen, der am Ende mit dem ewigen Leben belohnt wird.

Ich glaube, es ist zu einfach, den Lebensweg als zwei Wege zu beschreiben:

Ja, das Leben stellt sich oft noch viel komplizierter dar als nur eine Weggabelung, an der man sich zwischen zwei Wegen entscheiden muss: Manchmal sind es auch drei Wege, die sich vor einem auftun. Oder man entscheidet sich gar nicht und lässt es … weiterlaufen wie bisher. …

Auch unsere … Gesellschaft, ja, unsere ganze Welt steht vor solchen komplizierten Weggabelungen. Und da ist nicht nur eine einfache Entscheidung zu treffen. Es gibt viele schwierige Fragen, z.B.:

  • Wie können wir unseren Wohlstand bewahren, ohne unseren Nachkommen die Folgen des Klimawandels aufzubürden? Ist die Bewahrung unseres jetzigen Wohlstands überhaupt ein Ziel, das wir vor unseren Nachkommen verantworten können?
  • Wie können Menschen verschiedener Herkunft und aus verschiedenen sozialen Gruppen und Milieus miteinander gerecht leben? …
  • Wie können wir die Wunden, die Covid 19 in die Seelen und ins Vertrauen der Menschen, in ihre Beziehungen untereinander geschlagen hat, wieder zum Heilen bringen?

Es kommt sehr auf die Wege an, wie wir miteinander Lösungen finden und wie wir miteinander umgehen. An Buß- und Bettag denken wir darüber nach, wie wir unser Verhalten und unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen gestalten.

Jesus sagt in der Bergpredigt: „Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“ Man kennt diese Regel in anderen Fassungen auch als Reim: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!“ …

Auch im Islam kennt man die Goldene Regel, wenn es heißt: „Keiner von Euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht, was er sich selber wünscht.“

Und im Buddhismus heißt die Goldene Regel: „Füge anderen nicht Leid durch Taten zu, die dir selber Leid zufügten.“

„Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“ ist eine Regel der Mitmenschlichkeit. Denn: Ich fühle mich in einen anderen Menschen hinein, überlege, was er von mir erwarten könnte. Ich versuche herauszufinden, was er oder sie jetzt benötigt und reagiere entsprechend. So gibt es weniger Konflikte und weniger Missverständnisse.

„Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“ Es gibt Menschen, die strahlen viel Wertschätzung und Freude aus, so dass sich andere bei ihnen sofort wohlfühlen, sich von ihnen angenommen fühlen und ihnen ihrerseits das Herz aufschließen. In der Goldenen Regel steckt, dass wir den Erwartungen, die wir an andere haben, auch selbst entsprechen, d.h. dass auch ich andere in ihrer Lebensweise, mit ihrer Hautfarbe oder mit ihrer Kleidung akzeptiere, dass auch ich ihnen in der Not beistehe, dass ich sie nach meinen Möglichkeiten beschütze, dass ich aufrichtig mit ihnen umgehe, dass ich mich gewaltfrei verhalte und dass ich vergebungsbereit bin ...

Nur wer auch aufbricht, wer nachdenkt und sich auf die Suche macht, kann den goldenen Weg finden. Dafür wünsche ich uns allen Gottes Weisheit, für die Entscheidungen, die wir zu treffen haben und Gottes Beistand und Geleit auf allen Wegen, die wir gehen sollen.

Der Buß- und Bettag ist kein Tag, an dem man unter der Last seiner Schuld zusammenbrechen soll. Der Buß- und Bettag ist ein Tag des Aufbruchs – ganz wie in dem Kirchenlied „Vertraut den neuen Wegen!“

395:0 Vertraut den neuen Wegen

395:1 Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist,
weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt.
Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand,
sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.

395:2 Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit!
Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid.
Der uns in frühen Zeiten das Leben einghaucht
der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.

395:3 Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt!
Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.

Gebet:

Gott der Vergebung,
es gibt Vieles, was in unseren Beziehungen Schaden erlitten hat:
im Verhältnis zu dir,
zu unseren Mitmenschen
und zu den Geschöpfen deiner Erde.
Wir danken dir für die Vergebung der Wege, die wir fehlgegangen sind und für die Erleichterung, dass wir mit dir neu anfangen können und wir es besser machen können als vorher.

Wir bitten dich für unser Leben:
Entfalte seine Kraft in uns, in unserem Denken, Reden, Tun und Lassen,
damit wir neue Wege gehen können.
Dass wir einander zuhören.
Dass wir einander vergeben.
Dass wir miteinander reden und uns versöhnen.
Lass Gutes von uns ausgehen.

Schenke uns Zeiten und Möglichkeiten des Innehaltens und des Betens,
damit wir uns auf deinen Willen besinnen.

Wir vertrauen auf dich.
Schenke uns deine Kraft für neue Wege.

Amen.