Freitags 5nach6 - Andacht: 3. Advent

10. Dezember 2021

290 5nach6_10.12.21 Ohne Strom                Ps 102 (EG 741)

Erinnern Sie sich noch an die alttestamentliche Verheißung des Propheten Jesaja, die in der letzten Andacht eine Rolle spielte?

Das Volk, das in der Finsternis lebt, hat ein großes Licht gesehen. Es scheint hell über denen, die im düsteren Land wohnen. Gott, du lässt sie laut jubeln, du schenkst ihnen große Freude. Sie freuen sich …, wie man sich bei der Ernte freut. … Zerbrochen hast du das drückende Joch (also die Last, die drückt), … Denn uns wurde ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt worden. Ihm wurde die Herrschaft übertragen. Er trägt die Namen: wunderbarer Ratgeber, starker Gott, ewiger Vater, Friedefürst. Seine Herrschaft … bringt Frieden ohne Ende. Er … schafft Recht und Gerechtigkeit. … Gott bewirkt das in seiner leidenschaftlichen Liebe (zu seinem Volk). (Jes. 9, 1–7 i.A.) Kerzen entzünden

Licht gegen die Finsternis – das ist ja der rote Faden, der sich durch die Andachten dieser Adventszeit zieht. An diesem Faden hängen bisher die Erzählungen „Die erste Kerze“ – der Außenseiter in der Klasse darf die erste Kerze am Adventskranz anzünden - und „Der Stern“. Durch ihn werden Schulkinder motiviert, sich an einer Hilfsaktion für Menschen in Not zu beteiligen.

Licht kann man in seiner vollen Wirkung ja eigentlich nur richtig wahrnehmen, wenn es auch die Dunkelheit, die Finsternis gibt. Aber – gibt es in der (Vor)Weihnachtszeit außer der abendlichen und nächtlichen Dunkelheit überhaupt Finsternis.

Hören wir, was bei Gott darüber gedacht wird – und was man dort plant! Ich hänge an unseren roten Faden noch die Erzählung Die Welt sieht schwarz von Susanne Niemeyer (in: dies., Jesus klingelt, Freiburg, 2014, S. 24–28, bearb.) Fundort: Robins 19. Herzenstürchen-Adventskalender (gedenkseiten.de)

"Wir müssen Weihnachten reformieren."
Der Engel schreckt aus seinem Schlaf. "Was? Wieso? Das ist doch gerade erst zweitausend Jahre alt." Aus seiner Perspektive ist das ein Klacks. Er wüsste einiges, was man reformieren könnte. Seine Dienstkleidung zum Beispiel. Diese ewigen Flügel! Wenn es nach ihm ginge, könnte man gut darauf verzichten. Sie jucken und stauben und andauernd fliegen irgendwo Federn herum. Aber Weihnachten? Das mag doch jeder. Kerzen, Kekse und Geschenke. Selbst die hartgesottensten Skeptiker werden mild. Was so gut läuft, sollte man nicht ändern, findet der Engel.

Aber Gott der Herr schaut mürrisch drein … "Die Menschen glauben nicht mehr daran",
fährt Gott der Herr fort. "Sie verstehen nicht, was diese ganze Geschichte mit dem Stall und der Heiligen Nacht soll. Wie auch? Dazu müsste mal Stille sein. Und Zeit. Und Dunkelheit. Aber wer hat das schon? Stattdessen setzen die Kleinen auf einen albernen Kerl im roten Mantel und die Großen auf Amazon."
Wieder mal ist der Engel überrascht, wie gut der Allmächtige informiert ist. Man kann einiges an ihm kritisieren, … zum Beispiel … seine allzu hohen Ideale, aber er geht mit der Zeit. Das muss man ihm lassen.

"Wir könnten eine Sintflut schicken, nur eine kleine, die beseitigt diesen Kram", schlägt der Engel vor, denn er hat grundsätzlich eine Vorliebe für den kurzen Prozess. Der macht am wenigsten Arbeit und ist effektiv.

"Doch nicht an Weihnachten", schnaubt Gott und schaut den Engel an, als sei er ein lausiger Anfänger. "Hast du denn gar nichts verstanden? Da wollen die Leute Liebe und Frieden und keine Katastrophen!"

Der Engel … beeilt sich, einen weiteren Vorschlag zu unterbreiten: "Wie wäre es mit einem neuen Kind? Kinder gehen immer! Dagegen lässt sich doch nun wirklich nichts sagen. Die Leute sind ganz verrückt nach glänzenden Äuglein und putzigen Kleidchen. Besonders an Weihnachten.“

Aber Gott scheint auch davon nicht überzeugt: "Und was mache ich nächstes Jahr? Ich kann mich doch nicht unendlich vervielfältigen. Da blickt ja kein Mensch mehr durch. Das mit dem Heiligen Geist kriegen sie schon nicht in die Köpfe. Übrigens: Wo steckt er schon wieder? Er soll mich inspirieren."

Der Engel zuckt mit den Schultern: "Du weißt doch, er weht, wo er will." Gott der Herr nickt ergeben. Manchmal fragt er sich, ob hier eigentlich jeder macht, was er will. …

"Also weiter. Was fällt dir noch ein?"

"Ein Wunder! Wie wäre es mit einem Wunder? Wunder mögen alle."

Aber Gott winkt müde ab. "Das haut auch keinen mehr vom Hocker. Seit es YouTube gibt, gelangen die tollsten Dinge in die Welt. Nichts, was es nicht schon gibt. Da kommen wir nicht gegen an."

Der Engel reibt sich das Kinn und plustert seine Federn. Das tut er immer, wenn er nicht weiter weiß. Stille. Dunkelheit. Zeit. Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Plötzlich springt er auf. "Aber natürlich! Stehlen! Wir stehlen ihnen - den Strom!"

Gott der Herr sieht ihn verständnislos an. Der Strom, findet er, fällt nicht in sein Aufgabengebiet. Keine schlechte Sache, aber er hat ihn nicht erfunden. Darum hat er sich bisher auch nicht um ihn gekümmert.

Der Engel dagegen kann sich vor Begeisterung kaum halten: "Wir drehen ihnen den Strom ab.

Kerzen löschen

Naja, zumindest den Alltagsstrom, den, den keiner wirklich braucht. Die Krankenhäuser und die Fischfabriken, die lassen wir außen vor. Aber sonst?
• Die Fernseher haben Sendepause.
• Ihre Handys werden aufhören zu empfangen.
• Kein Onlinekalender lässt sich mehr abrufen
· keine Ladenkasse scannt mehr überteuerte Sachen, die niemand braucht.
• Kein Weihnachtsmarkt plärrt mehr "Last Christmas",
• keine Glühweinwärmer, keine Lichterketten.

Wenn alles dunkel ist, haben wir leichtes Spiel.

• Sie werden sich etwas aufregen, aber werden dann nach den echten Kerzen suchen,
• sich in warme Decken wickeln,
• das Klavier aufklappen und sich an die alten Lieder erinnern.

Du könntest die Sterne funkeln lassen und ein paar Käuzchen losschicken.

• Im Dunkel der Straßen werden sie sich dann an den Händen fassen,
• sie hätten Augen füreinander und keine Schaufensterauslage lenkte sie ab.

Hauch ein paar Eisblumen an die Scheiben und wirf ihnen Haselnüsse vor die Füße.

• Sie werden sich an ihre Wünsche erinnern, die echten, die sie sie nicht bestellen können und die ihre Herzen warm machen, ganz ohne Heizstrahler.
• Hellhörig werden sie, wenn wir ihnen ins Ohr flüstern, dass wir da sind, der Himmel auf der Erde, in dieser Nacht."

Der Engel strahlt. Gott auch. Er findet, das ist eine hervorragende Idee. Sie könnte direkt von ihm sein.

Und so kommt es, dass Gott der Herr, Lichtbringer von Anbeginn an, die Lampen löscht. Er unterbricht den ewig fließenden Strom der Nachrichten und Bilder, sodass die Welt schwarzsieht.

Stille deckt sich über die Dächer, die Dunkelheit ist vollkommen. Und in dieser Dunkel-heit findet sich Platz für einen neuen Anfang.

Kerzen entzünden

Das Volk, das in der Finsternis lebt, hat ein großes Licht gesehen. Es scheint hell über denen, die im düsteren Land wohnen. Gott, du lässt sie laut jubeln, du schenkst ihnen große Freude.

 

Gebet:

Gott,

wir kommen heute zu dir,

damit wir in diesen Tagen des Advent

bereit werden für deine Ankunft.

Komm in unsere Welt,

um uns zu befreien.

Tritt in unser Leben,

damit es hell werde.

Befreie uns von den Dunkelheiten

Und lass uns wieder voller Hoffnung leben

Im Licht deiner Liebe und Wahrheit.

(nach: S.Goldschmidt, Denn du bist unser Gott, Neukirchen, 2018, S.21)