Freitags 5nach6 - Jahreslosung 3 2024

26. Januar 2024

369 5nach6 26.01.2024 Jahreslosung_3 2024                   Ps 23

Wie soll das gehen? Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe! Was für ein anspruchsvolles Motto für 2024.

Liebe weitergeben kann (nur), wer Liebe erfährt, das wissen Psychologen.

Die Liebe, die Paulus meint, entsteht aus der Begegnung mit Jesus Christus. Das Geheimnis dieser Liebe, von der Paulus in unserer Jahreslosung spricht, besteht darin, dass wir lieben, weil Jesus uns zuerst geliebt hat.

Auch diese Erfahrung ist nicht einfach machbar, kann man nicht … durch kluge Argumente herbeiführen. Sie entsteht dort, wo die Liebe Gottes zu finden ist, dort, wo wir jeden Tag ganz neu an diesem einen Satz festhalten, der alles verändern kann:

Du - bist - ein - geliebtes - Kind - Gottes.

Was macht sie aus, diese Liebe Gottes, an der ich mich angeblich sogar festhalten kann, die tragfähig ist, die mich meinerseits zur Liebe beflügelt?

Bücher sind darüber geschrieben worden, ohne dass es eine erschöpfende Klärung geben kann. Ich will es mit einer schlichten Liedzeile versuchen:

Ach, bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ! (EG 347)

Da ist zunächst das Wort „Liebe“ durch „Gnade“ ersetzt, das gibt schon mal eine gewisse Richtung vor, das hebt ein entscheidendes Merkmal der Liebe Gottes vor.

Aber gehen wir Wort für Wort vor …

Ach. Ein vieldeutiges Wörtchen. Es verleiht einem gewissen Erstaunen Ausdruck. Gott liebt mich? Er ist mir gnädig? Kaum zu glauben! Doch, so ist es. Auch Klagen können mit einem geseufzten „Ach“ eingeleitet werden. „Unter jedem Dach ein Ach!“

Ja, auch Klagen, Not, Verzweiflung, Ängste haben in der Liebe Gottes zu uns ihren Platz. Es geht nicht nur um romantisches Liebesgesäusel. Die Liebe Gottes ist eine offene Liebe. Sie ist offen für meine Lebenswirklichkeit mit allen Licht- und Schattenseiten.

Bleib. Der Dichter schreibt nicht „komm“, er schreibt „bleib“. Offensichtlich hat er schon Erfahrungen mit der Liebe Gottes gemacht und möchte, dass sie fortdauert. Offensichtlich wird die Zusage der Liebe Gottes in der Taufe. Und es liegt nicht zuletzt an uns als Kirche(ngemeinde) zu verdeutlichen, wo und wie sie konkret wird: Wenn sie im Gottesdienst verkündet wird, wenn sie in Diakonie und Seelsorge erfahrbar wird und wenn wir selbst als Geliebte anfangen, Liebe weiterzugeben …

Mit deiner Gnade. Die Liebe Gottes ist vorrangig eine Beziehung der Gnade.

Unser Landesbischof Ralf Meister schreibt in seinem Buch „Glauben“, einem Lexikon für Jugendliche Gütersloh, 2002, S.68f):

Die helfende Zuwendung Gottes zum Menschen. Die Gnade im Alten Testament ist Ausdruck der ständigen Hilfsbereitschaft Gottes.

Und was ist, wenn ein Mensch diese Hilfe nicht spürt? Wenn er sich von Gott und allen guten Geistern verlassen fühlt?

Hier muss mit einem Missverständnis aufgeräumt werden. Gott ist nicht der Kellner, bei dem ich Wohlergehen bestellen kann, das er dann gnädig serviert. Not und Leid sind Bestandteile unserer Lebenswirklichkeit. Die Gnade Gottes zeigt sich allerdings darin, dass wir auch in Not und Leid nicht allein sind, dass er uns auch und gerade in Not und Leid nahe bleibt.

Für Paulus ist die Gnade Gottes das wichtigste Geschenk an die Menschen. Weil Jesus Christus am Kreuz stirbt, sind alle Menschen ohne eigene Leistung von Gott zum Leben befreit worden.

Jesus meint es mit der Liebe ernst, todernst. Er weiß, dass in den Verhältnissen dieser Welt in Lebensgefahr gerät, wer auf Liebe setzt statt auf Macht und Gewalt.

Mit seinem Tod am Kreuz ist ein für alle Mal ein unübersehbares Zeichen gegen alle Lieblosigkeiten in der Welt. Mit der gnädigen Auferweckung durch Gott wird deutlich, dass Leid, Not und Tod nicht das letzte Wort haben.

Gott verschenkt sein Heil an uns sichtbar in Jesus Christus (solus christus) aus lauter „eigenwilliger“ Gnade (sola gratia). Wir können es uns nicht verdienen. Wir können es uns im Evangelium (sola scriptura) zusagen lassen und wenn diese „Gute Nachricht“ in uns aufgeht, zum Glauben (sola fide) wird, dann ereignet sich die Liebe Gottes in uns und durch uns in die Welt hinein.

Wer sich diesen Glauben schenken lässt, wer dieses Geschenk annimmt, auswickelt und damit umgeht, der kann in der Tat (!) befreit durchs Leben gehen; der kann durch Leid, Not und Tod hindurchgehen, der kann auch eigene Lieblosigkeiten – erfahrene wie selbst verschuldete, der kann eigenes Versagen hinter sich lassen und neu anfangen, der ist tatsächlich zum Leben befreit, wie Meister schreibt. Der kann immer wieder neu versuchen, der Liebe zum Durchbruch zu verhelfen.

Herr Jesus Christ. Mit dem Begriff „Herr“ habe ich so meine Schwierigkeiten – gerade in Verbindung mit Gott. Ich sehe den würdigen alten Mann mit Bart hoch über uns. Ich sehe das scharfe, unnachsichtige und richtende Auge Gottes im Dreieck oben an unserem Altar. Ich verbinde mit dem Herrn die Herrschaft über mich, die mich in unmündiger und ängstlicher Abhängigkeit hält.

Dabei ist der Hintergrund für den Gottes-Titel „Herr“ ein anderer. Er ist zu sehen im Zusammenhang mit dem israelitischen Königtum. Die Israeliten sahen ihre Könige in enger Beziehung zu Gott und in ausgeprägter Verantwortung für das Volk, weniger als Herrscher über das Volk. Hier schimmert Ps 23 durch: „Der Herr ist mein Hirte“.

Beim Nachdenken bin ich auf den Begriff „Herberge“ gestoßen: Geborgen sein beim Herrn, das würde mir theologisch passen. Ähnlich wie die Darstellungen der Maria mit dem kleinen Jesus auf dem Arm in den bewahrenden Armen eines zwar übergroßen und ganz anderen, aber eben doch bergenden Gottes zu sein.

Stimmt aber nicht. Sprachgeschichtlich ist die Herberge ein schützendes Lager für ein Heer.  

Und damit sind wir wieder bei der Liedzeile vom Anfang:

Ach, bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ!

Die weiteren Strophen beschreiben, was zusammen mit der Gnade zur Liebe Gottes gehört:

 

2) Ach bleib mit deinem Worte
bei uns, Erlöser wert,
dass uns sei hier und dorte
dein Güt und Heil beschert.

3) Ach bleib mit deinem Glanze
bei uns, du wertes Licht;
dein Wahrheit uns umschanze,
damit wir irren nicht.

4) Ach bleib mit deinem Segen
bei uns, du reicher Herr;
dein Gnad und all's Vermögen
in uns reichlich vermehr.

5) Ach bleib mit deinem Schutze
bei uns, du starker Held,
dass uns der Feind nicht trutze
noch fäll die böse Welt.

6) Ach bleib mit deiner Treue
bei uns, mein Herr und Gott;
Beständigkeit verleihe,
hilf uns aus aller Not.

Erlösung, Güte, Heil, Licht, Wahrheit, Segen, Schutz und Treue – Schlüsselbegriffe. Sie schließen uns auf, was Gottes Liebe uns sein will und kann.