Freitags 5nach6 - Pfingsten 6

21. Juli 2023

351 5nach6 21.07.23_Pfingsten 6

Im Gleichnis vom Säen auf verschiedenen Böden stellt Jesus fest, dass die Saat –
 gemeint ist das Wort Gottes – nicht überall aufgeht, nicht überall aufgehen kann. Doch er schließt hoffnungsvoll: 20Aber ein Teil wird auch auf guten Boden gesät. Er steht für die Menschen, die das Wort hören und aufnehmen. Bei ihnen bringt es viel Ertrag: Manche Pflanzen bringen dreißig, andere sechzig, andere sogar hundert Körner.« (Mk 4, 13-20)

 

Aber was ist der Ertrag des Wortes Gottes? Darüber hatten wir – sehr persönlich –
am letzten Freitag nachgedacht.

Wir kommen ja von Pfingsten her. Die Pfingsterzählung endet so:

40Mit … vielen … Worten beschwor Petrus die Leute und ermahnte sie: »Lasst euch retten! Wendet euch ab von dieser ungerechten Generation!«41Viele nahmen die Botschaft an, die Petrus verkündet hatte, und ließen sich taufen. An diesem Tag gewann die Gemeinde ungefähr 3000 Menschen hinzu. (Apg. 40f)

Ist vielleicht die Zahl der Taufen „Ertrag des Wortes Gottes“. Das könnte man meinen. So gibt es ja auch den sog. Taufbefehl:

18Jesus kam zu ihnen und sagte: »Gott hat mir alle Macht gegeben, im Himmel und auf der Erde.19Geht nun hin zu allen Völkern und ladet die Menschen ein, meine Jünger und Jüngerinnen zu werden. Tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!20Und lehrt sie, alles zu tun, was ich euch geboten habe! Seid gewiss: Ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt.«

In der Taufe soll zeichenhaft deutlich werden: Gott nimmt den Getauften / die Getaufte mit hinein in seinen Bund mit den Menschen. Dieser Bund begann mit Jesu Tod und Auferstehung.

Wasser ist ein schönes Symbol! Einerseits reinigt es. Wir stehen dank der Taufe vor Gott mit „weißer Weste“, weil er uns seine Gnade verspricht. Andererseits trägt Wasser auch. Die Beziehung Gottes zu den Getauften, die in der Taufe anschaulich und öffentlich wird, diese Beziehung will tragfähig sein – zumindest von der Seite Gottes aus. Mit seinem heiligen Geist will er in den Getauften wirken, ihnen zur Seite stehen, sie verlässlich auf ihrem Lebensweg begleiten.

So weit, so gut. Also taufen, „was das Zeug hält“?

Was bedeutet das aber für das Verhältnis zu ungetauften Menschen? Was bedeutet das für das Verhältnis zu Menschen, die einer anderen Religion angehören?

Im Taufbefehl heißt es: Ladet die Menschen ein, meine Jünger und Jüngerinnen zu werden. Im Rahmen dieser „Einladung“ ist im Laufe der Zeit viel Segensreiches entstanden, evangelische und katholische Missionswerke setzen diese Arbeit heute fort.

„Und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag' ich Dir den Schädel ein.“
(Bernhard von Bülow während einer Reichstagsrede vom 10. Dezember 1903, Quelle: https://beruhmte-zitate.de/zitate/131798-bernhard-von-bulow-und-willst-du-nicht-mein-bruder-sein-so-schlag)

„Was soll jetzt dieses Zitat?“, werden Sie fragen!

Ich möchte zunächst einmal eine Schattenseite des Taufbefehls ausleuchten. Es gab nämlich auch Zwangstaufen.

Im Heimatkundeunterricht in der 4. Klasse wurde uns Folgendes erzählt: Im Verlauf der Kriege gegen die Sachsen siegte 782 Kaiser Karl der Große. Bei Verden an der Aller – also 150 km von uns – stellte er die Sachsen vor die Wahl, sich entweder taufen zu lassen und sich ihm zu unterwerfen – oder hingerichtet zu werden. Über 4000 sollen dort an einem Tag umgebracht worden sein! Das Wasser der Aller war blutrot gefärbt!

Auch in Mittel- und Südamerika wurden die spanischen und portugiesischen Eroberer von Mönchen und Priestern begleitet. Sie hatten das gleiche Ziel wie Karl der Große: Die eingeborene Bevölkerung sollte zum Christentum bekehrt werden und sich den Eroberern unterwerfen. Hunderttausende wurden bei der Ausplünderung und Missionierung Süd- und Mittelamerikas umgebracht.

Diese Art der Missionierung wird mit Recht auch Schwertmission genannt. Welch ein Widerspruch zu der freundlichen „Einladung“ Jesu. Schon zzt. Karls des Großen äußerte der Priester Alkuin am Hof des Kaisers eine Kritik, die bis heute gilt: „Zur Taufe kann ein Mensch getrieben werden, nicht aber zum Glauben.“

Wie aber sollen denn die Religionen miteinander umgehen? Eine muss doch die wahre und richtige Religion sein, die Wahrheit über Gott kennen. Oder nicht?

Ein Elefant geriet in ein Dorf von Blinden. Die wunderten sich … und jeder fasste das Tier an einer anderen Stelle an. Das muss eine Schlange sein, rief einer, der über den Rüssel strich … Nein, das ist ein Wald, das müssen Baumstämme sein, widersprach der der zweite, der zwischen den Beinen stand … Das ist eindeutig Leder, meinte der dritte, der über den Bauch strich. Nein, das ist doch weich und feucht, widersprach der vierte, der die Zunge berührte … Weich nennst du das, rief der fünfte, der sich am Stoßzahn wehgetan hatte, Es bewegt sich schnell hin und her, wunderte sich der sechste, der am Schwanz stand. Es ist ein Thron, urteilte der siebte, der auf dem Rücken saß.
(Navid, Kermani, Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen – Fragen nach Gott, München 2022, S.79)

 

Jede Religion kann nur einen Teil der Wahrheit Gottes erkennen.

 

Statt den anderen die Köpfe abzuschlagen oder den anderen in die Luft zu sprengen, sollten Gläubige verschiedener Religionen auf den islamischen Denker Navid Kermani hören:

 

Als der gelehrte Scheich Abu Said … einmal in eine Stadt kam, strömten in Erwartung seiner Predigt so viele Gläubige in die Moschee, dass kein Platz mehr blieb. „Bei Gott“, rief der Platzanweiser: „Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen.“ Da schloss der Scheich die Versammlung, noch bevor sie begonnen hatte. „Alles, was ich sagen wollte und sämtliche Propheten gesagt haben, hat der Platzanweiser bereits gesagt, erklärte er, bevor er die Stadt verließ: „Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen.“ (Navid, Kermani, Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen – Fragen nach Gott, München 2022, S.32f)

 

Einander näher kommen, einander begegnen, statt einander bekämpfen!

 

Und wenn nun die Gläubigen verschiedener Religionen einander näher kommen? Wie sollen sie dann miteinander umgehen und miteinander leben?

 

Der Dichter Gotthold Ephraim Lessing (gest. 1781 in Braunschweig) gibt in seinem Drama „Nathan der Weise“ eine interessante Antwort:

 

Ein reicher Mann besaß einen Ring, der es auf geheimnisvolle Weise möglich machte, denjenigen, der ihn trug „vor Gott und den Menschen angenehm zu machen“.

 

Dieser Mann hatte drei Söhne und wollte den Ring seinem Lieblingssohn vermachen.

Weil er aber alle drei gleich lieb hatte, ließ er zwei weitere Ringe anfertigen, so dass er selbst den richtigen Ring von den beiden anderen nicht mehr unterscheiden konnte.

Auf dem Sterbebett vermachte er jedem von ihnen einen Ring, so dass keiner wusste, wer den echten Ring besaß.

 

Unter den Söhnen entstand Streit, wer die Nachfolge des Vaters antreten dürfe. „Umsonst; der rechte Ring war nicht erweislich; fast so unerweislich, als der rechte Glaube.“

Schließlich belehrte sie ein weiser Richter, dass jeder sich so verhalten sollte, als wäre der eigene Ring der echte. Jeder bemühte sich nun in seinem Verhalten dem Anspruch des Rings gerecht zu werden. Aufgrund dessen blieb der wahre Ring unerkannt.

(nach G. E. Lessing in: U.Gräbig u.a., Mitten ins Leben 2, Berlin, 2009, S.125)

 

Gottes einzigartige Liebe zu den Menschen sollte die Menschen verbinden. Und wenn sich jeder auf seine Art bemüht, aus dieser Liebe heraus liebevoll mit seinen Mitmenschen umzugehen, dann ist das – für jede Religion – ein wahrer Gottesdienst!

 

Also nicht die Zahl der Täuflinge macht den Ertrag des Wortes Gottes aus. Dass Liebe zwischen den Menschen wächst, dass Frieden ist, dass Gerechtigkeit herrscht, dass die Schöpfung bewahrt wird, dass wir auf diesem Weg – mit Gottes Hilfe – weiterkommen, das ist der Ertrag des Wortes Gottes, dann geht die die Saat seines Wortes auf und trägt reiche Frucht.