425 5nach6_25.04.25_7 W ohne Panik 8 (18.04. f.a. wg. Karfreitag) Ps 23
Vor Karfreitag habe ich an den Pastor und Widerständler Dietrich Bonhoeffer erinnert, der auf Befehl Hitlers von der SS am 09. April 1945 im KZ ermordet worden ist.
Bonhoeffers Todestag und Karfreitag liegen lange hinter uns, auch Ostern schon einige Tage. Wissen Sie noch, was Sie am Karfreitag gemacht haben? Vergessen?
Sollte man Karfreitag überhaupt vergessen? Viele beschweren sich ja darüber, dass dieser sog. „Stille Feiertag“ mit mancherlei Einschränkungen verbunden ist, z.B. mit Tanzverboten. Karfreitag ist unbequem, weil er für Jesus und für Menschen heute so Manches, ja, „durchkreuzt“!
Aber – ohne Karfreitag, ohne Kreuz kein Ostern. Ostern gibt es nur in Verbindung mit dem Karfreitags-Leid. Und die Nachfolge Jesu führt uns zwar zur Auferstehung, aber der Weg führt eben auch über das Kreuz. Jesus selbst sagt (Lk 9, 23):
„Wer zu mir gehören will, darf nicht an seinem Leben hängen. Er muss jeden Tag sein Kreuz auf sich nehmen und mir auf meinem Weg folgen.“
In seinem vielleicht bekanntesten Gedicht hat eben jener Dietrich Bonhoeffer diese Zusammenschau von Karfreitag und Ostern, von Kreuz und Auferstehung in unvergessliche, eindrückliche Worte gefasst. Er hat es am 19. Dezember 1944 aus dem Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamts in Berlin in einem Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer geschickt. In unserem Gesangbuch steht es unter der Nummer 65.
Machen wir uns einmal auf einen Weg durch die einzelnen Strophen …
Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Wohlgemerkt, er schreibt diese Zeilen kurz vor Weihnachten aus dem berüchtigten Foltergefängnis der SS. Dennoch fühlt er sich in seinem Leid behütet und will im Licht der Friedens- und Liebesbotschaft-Botschaft von Weihnachten getrennt und doch vereint mit seiner Verlobten hoffnungsvoll (?) in das neue Jahr gehen.
Noch will das Alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Dabei blendet Bonhoeffer das Leid, das ihn und seine Mitgefangenen bedrückt, nicht aus. Schmerzvolle Erinnerung mündet in die hoffnungsvolle Bitte um ein zukünftiges Heil.
Ich erinnere mich an die angstvolle Lage der von Jesu Jüngern in der Erzählung von der Sturmstillung. Wind und Wellen schlagen über ihrem Boot auf dem See Genezareth, bis Jesus alles und alle beruhigt.
Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
Bonhoeffer kann nicht wissen, ob er die Haft, den Krieg überlebt. Er muss mit dem Schlimmsten rechnen. Aber er ist bereit, sein Kreuz auf sich zu nehmen.
Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.
Erinnerungen an bessere Zeiten – auch mit seiner Verlobten – sollen ihm diese finsteren Tage erhellen. Im Lichte dieser Erinnerung will er seinen Weg gehen.
Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
Weihnachtliches Licht soll leuchten und wärmen in der Dunkelheit und Kälte der Zelle. Im Lichte der Weihnachtsbotschaft wächst leise die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit der Verlobten.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.
Die tiefe Stille, das ist der Tod, die absolute Stille in und um uns. Aber diese Stille ist nicht das Ende. Sie wird aufgebrochen durch den Klang aus diesem anderen Sein in der Geborgenheit Gottes.
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Dies sind die bekanntesten Zeilen des Gedichts. Sie kommen mir vor wie eine Übertragung von Ps 23.
Bonhoeffer lässt alle überkommenen Gottesvorstellungen hinter sich und kann nur noch von „guten Mächten“ sprechen. Eine Macht, eine Kraft ist es, die von diesem Gott spürbar ausgeht. Sie vermittelt tröstende Geborgenheit, die für Bonhoeffer in jedem Fall größer ist als das, was möglicherweise an Unheil auf ihn zukommt. Es ist eine Macht, eine Kraft, die böse menschliche Macht nicht verhindern, aber überwinden kann und zum Guten führt.
Bonhoeffer sieht Gott bei sich und sieht sich in der Geborgenheit Gottes „an jedem neuen Tag“ egal, was diese Tage bringen. Das ist mitten in einer Karfreitagssituation ein vorweggenommenes Ostern, eine geglaubte Auferstehung nach allen Kreuzen, die da kommen mögen.
Volker Weidemann formuliert in seinem Artikel in der ZEIT (vgl. Volker Weidermann, Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag, in: DIE ZEIT, 27.03.25, S.50f, Zitate kursiv) über Dietrich Bonhoeffer und dieses Lied:
Ein Teil der Kraft und Schönheit … des Gedichtes rührt gewiss von der Überwindung, dem Vorbeidenken … (dem Über-das-Leid-Hinausdenken). Es ist eben kein Wegleugnen des Schmerzes, kein Umbiegen der bösen Wahrheit … kein Lügen, kein Verschweigen … Bonhoeffer ist durch die Angst hindurchgegangen und hat sie überwunden.
… Das Lied ist beglaubigt durch das Leben und Sterben des Mannes, der es geschrieben hat. Bonhoeffer war kein Heiliger. Er war ein Dandy, schätzte gute Kleidung, rauchte gern. Aber seine Mitgefangenen bewunderten ihn wegen seiner Würde, Klarheit und, ja, auch wegen seiner Heiterkeit.
Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, sagte, Bonhoeffers Theologie und Lebenszeugnis seien ein kraftvolles Vermächtnis. Sein Leben könne dazu inspirieren, sich heute gegen menschenverachtende Ideologien und Propaganda zu stellen - aber nicht durch eine „distanzierte Heldengeschichte“, sondern als Aufforderung zum Handeln.
Erst nach dem Krieg entdeckte die evangelische Kirche seine Theologie, bis heute wird er verehrt.
Er hat immer wieder nachgedacht über die Frage: Wer ist Jesus Christus für uns heute? Dazu gehört auch, dass er eine Theologie vertritt, die sehr an der Welt orientiert ist. … Deshalb ist für ihn das Nachdenken über Jesus Christus immer auch eines über die Welt, in die Jesus Christus gekommen ist.
Außerdem versucht er, Glauben, Denken und Leben zusammenzuhalten. Er setzt theologisch immer wieder neu an und fragt: Wie kann das, was ich erfahre, und die Welt, in der ich lebe, zusammenstimmen mit dem, was ich denke und glaube? Er war als Theologe kein Schreibtischtäter, sondern er hat immer wieder überprüft, ob das, was er sich theologisch klargemacht hat oder was für ihn im Glauben wichtig war, auch in der Wirklichkeit getragen hat.
Bonhoeffer zeigt weg von der eigenen persönlichen Befindlichkeit, von der Angst oder dem Gefühl, ich kann diese Krise nicht durchstehen. Bonhoeffer sagt: Doch, darauf vertraue ich: Gott gibt mir so viel Widerstandskraft, wie ich brauchen werde, das wird schon gehen. Von jemandem, der so krisenerfahren ist wie Bonhoeffer, finde ich das einen sehr starken Satz.
(Präses Heinrich: Bonhoeffer war kein „unantastbarer Held“ – EKD)
Gebet (Worte von Dietrich Bonhoeffer)
Gott, zu dir rufe ich am frühen Morgen
hilf mir beten und meine Gedanken sammeln;
ich kann es nicht allein
In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht
ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht
ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe
ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden
in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist Geduld
ich verstehe deine Wege nicht,
aber du weißt den rechten Weg für mich.
Vater im Himmel,
Lob und Dank sei dir für die Ruhe der Nacht
Lob und Dank sei dir für den neuen Tag
Lob und Dank sei dir für alle deine Güte und Treue
in meinem vergangenen Leben.
Du hast mir viel Gutes erwiesen,
lass mich nun auch das Schwere aus deiner Hand hinnehmen.
Du wirst mir nicht mehr auferlegen, als ich tragen kann.
Du lässt deinen Kindern alle Dinge zum besten dienen.