Freitags 5nach6 -2. Advent

08. Dezember 2023

364.2 5nach6 08.12.2023       

Quelle: C.Hechtel, S.Meister, Unter uns. Gottesdienst am Heiligen Abend 2023, hrsg. vom Gottesdienstinstitut der ELKB, Nürnberg, 2023 (Zitate kursiv). Dort ist auch zu finden die Klappkarte „Anbetung der Hirten“ von Jacopo Tintoretto (1518-1594). Sie können Sie betrachten unter "Unter uns." Gottesdienst am Heiligen Abend (2023) zur Klappkarte "Anbetung der Hirten" (Tintoretto) (gottesdienstinstitut.org)

2. Advent
Du kommst, so heißt es
Vom Himmel herab in unsere Welt
Und Friede soll werden
Ich warte auf dich
Die Sorge ist groß
Wie lange brauchst du noch?
Oder bist du schon da?
D.Joachim, Kleine Liturgie im Advent, in: dies.,KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S.34

 

Die Sorge ist groß, Friede soll werden … selten passte eine Gebetszeile so in die Zeit wie diese heute.

Dabei können wir aus dem Lied „Komm, Herr, segne uns“ wissen:

Frieden gabst du schon, Frieden muss noch werden,
wie du ihn versprichst uns zum Wohl auf Erden.

 

Haben wir irgendwen oder irgendetwas verpasst?

Aus den at.lichen Lesungen zu Weihnachten kennen wir doch die Zusage:

5Denn uns wurde ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt worden. Ihm wurde die Herrschaft übertragen. Er trägt die Namen: wunderbarer Ratgeber, starker Gott, ewiger Vater, Friedefürst. 6Seine Herrschaft ist groß und bringt Frieden ohne Ende. (Jes 9,5f)

Da haben wir es, da haben wir ihn doch – den Frieden, den Friedefürst: Jesus Christus!

Aber es scheint nicht einfach, beide, Frieden und Jesus, den Friedensfürsten, zu finden.

Kennen Sie Ali Mitgutsch? Der gelernte Werbegrafiker gilt als der Vater der Wimmel-bilderbücher. Auf den sich auf dickem Karton meist doppelseitig erstreckenden Bildern „wimmelt“ es von Details, Menschen, Tieren und Dingen, sog. Wimmelbilder, … Innerhalb eines Bildes werden Dutzende kleine Alltagsszenen dargestellt, die miteinander durch die gemeinsame Umgebung, wie zum Beispiel einen Zoo, eine Stadt oder einen Bauernhof, verbunden sind. (Wikipedia)

Leben wir in unübersichtlichen Zeiten wie in einem Wimmelbild, in dem wir uns eher verlieren, als dass wir etwas finden – z.B. Jesus, den Friedefürst, den Frieden, von dem wir doch spätestens seit Jesus wenigstens eine Ahnung, eine Vorstellung haben, die wir nur umsetzen müssten.

Vielleicht könnte man Jacopo Tintorettos Bild (1518-1594) „Anbetung der Hirten“ auch als Wimmelbild sehen:

Im Zentrum eines Weihnachtsbildes erwartet man das Kind in der Krippe mit Maria und Joseph, die „Heilige Familie“. Aber da ist sie nicht. Die Mitte dieses Bildes wirkt leer wie bei manchem modernen Gemälde, das den Betrachter irritieren will.
Schaut man genauer hin, entdeckt man hinten in der Mitte an der Wand unter dem Scheunenboden einen Pfau. Der sitzt auf einer Hühnerleiter. Ein Pfau im Hühnerstall?

Was bedeutet das?
Folgt man dem Gefieder seines Schwanzes nach unten, stößt man auf einen Ochsen.Wenigstens der ist von der geläufigen Krippenszene noch geblieben. Aber ohne Esel. Der Ochse dreht seinen Kopf nach links und schaut einem Hahn zu, der zwischen den Speichen eines Holzrades Körner aufpickt.
Rechts davon, hinter dem Rücken des Ochsen, steht eine Frau: leicht nach vorne gebeugt, in einer etwas verdrehten Haltung. Ihre rechte Hand ist ausgestreckt, als ob sie auf etwas deutet. Oder will sie nach etwas greifen, von dem sie genau weiß, wo es steht und deshalb gar nicht mehr hinschauen muss?
In der anderen Hand hält sie eine flache, runde Scheibe. Es ist ein Spiegel. Offenbar will sie mitverfolgen, was eine Etage höher geschieht. Oberhalb des dunkelbraunen Holzbalkens, der das Bild in ein Oben und Unten teilt.
Da sind sie: Maria und Joseph. Und das Kind. Das Köpfchen des Neugeborenen ist der hellste Punkt des Bildes. Der kleine Jesus schläft gerade. Vorsichtig hebt Maria mit Daumen und Zeigefinger ein leichtes Tuch an, um das Kind zwei Frauen zu zeigen.
Links unten finden sich zwei Knechte, die man … nicht aus der Weihnachtserzählung kennt. Einer reicht ein Brot nach oben. Der andere greift in den geflochtenen Korb mit Eiern und gibt noch ein paar Eier dazu: Gleich gibt’s Frühstück!

Und jetzt sieht man sie: die Hirten. Hier sind sie, ganz rechts im Bild. Unten. In einem roten und einem beigefarbenen Gewand in Rückenansicht. Der eine, dessen Profil erkennbar wird, blickt ergriffen nach oben. Der magere Haaransatz des anderen Hirten leuchtet im Glanz des Lichtes, das von dem Engel kommt, hell, fast wie ein Heiligenschein. Auch er ist sichtlich berührt, die Haltung verrät es. Sein Blick richtet sich, man erahnt es von hinten, auf das neugeborene Kind. Da liegt es, das Kind. Auf Heu und auf Stroh. Gottes Sohn, ein Mensch.

Jacopo Tintoretto (1518-1594) hat die Szene von Christi Geburt mitten hineinverlegt in das lebendige Treiben eines Bauernhofes seiner Zeit. Menschen gehen ihrer Arbeit nach. Und doch erscheint all das Alltägliche in einem anderen Licht.
Sein Gemälde verströmt das wohlige Gefühl von Gastfreundschaft, Zusammenhalt und solidarischer Herzlichkeit. Weniger die Stille der Nacht begleitet diese Szene, vielmehr die Wärme, die Jesus, kaum ist er geboren, in den Menschen seiner Umgebung weckt. So ist das Bild nicht nur … ein Bild mitten aus dem Alltag.
Vielmehr weckt das bunte Treiben der Figuren auf dem Bild den Wunsch nach solcher Herzlichkeit. Den Wunsch nach Wärme, die Menschen weitergeben. Nach Menschlichkeit, die einem begegnet, die einen umgibt. Einfach so. Unerwartet. Ohne, dass man damit gerechnet hätte. Die Menschen auf diesem Bild, sie teilen sie einfach aus. Und machen das Leben damit reicher. Das Kind in der Krippe, das hier nichts tut, nur schläft, verändert durch sein bloßes Dasein die Menschen. …

Im wirklichen Leben und an Weihnachten heute ist es so wie auf diesem Bild: Man wird Jesus oft erst suchen müssen. Kann sein, der Blick wandert auf der Suche erst einmal ins Leere. Und in eine Welt, die einem zunächst ungewöhnlich und fremd vorkommt. Man sucht Jesus, sieht ihn nicht und stößt dabei auf einen Pfau mitten im Hühnerstall. Der Pfau ist ein Symbol für Jesus. Er ist da - möglicherweise anders als gedacht.

Wo ist Jesus? Man muss ihn erst suchen. Das ist heute nicht anders als damals. Aber die Suche endet gut. Das ist sprichwörtlich geworden: „Wer suchet, der findet“. Diese Worte stammen von dem Kleinen, als er groß geworden ist: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“ Diese Worte hat Jesus in der Bergpredigt erst viel später gesagt, aber irgendwie sind sie hier an Weihnachten auch schon wahr… (C.Hechtel, S.Meister, Unter uns. S.4ff)

Finde das Kind!“ – gar nicht so einfach, Gott mitten im Leben, zwischen Weihnachtsmarkt und Weihnachts­wunderwünschen zu entdecken. (C.Hechtel, S.Meister, Unter uns. S.18)

Der Maler Tintoretto hat diese Botschaft vom „Großen Gott ganz klein“ auf die Spitze getrieben: Er hat das Kind versteckt. Sein Tipp: Finde Jesus mitten im Leben! Schau genau hin, lass dich nicht abwimmeln von schlechten Nachrichten, suche nicht den starken Mann, den Wow-Effekt. Mach dich auf die Suche in deinem Leben.

Gott ist da, mitten im Leben. Unter uns. Mitten im Leben, bei der Arbeit; selbst, wenn das Leben mal nach einer Baustelle aussieht, wo das Leben tobt und es unaufgeräumt ist; wo eine junge Mutter erschöpft im Wochenbett liegt und dem Vater vor Müdigkeit die Augen zufallen; wo sich auch eine „Heilige Familie“ mal zurückziehen muss ins obere Stockwerk. (C.Hechtel, S.Meister, Unter uns. S.19)

Dort oben hat der Maler das Kind versteckt und uns die Freude des Findens gemacht. Wer mit Kindern Wimmelbilder anschaut, staunt oft, mit welcher Ausdauer und Begeisterung sie suchen. Sie bleiben dran, überzeugt davon, dass sie finden werden, was sie suchen. So schnell geben sie die Hoffnung nicht auf.

Für uns Erwachsene ist das schwieriger. Wir suchen ja auch nicht nach dem Kind mit der rotweißen Mütze, sondern nach Gott - in dieser Welt, mitten unter uns.

Aber ich wünsche mir, dass wir nicht aufgeben. Ich wünsche mir dieselbe Ausdauer wie Kinder sie haben; so wie sie möchte ich auf die Welt schauen und Gott suchen in dem festen Vertrauen, dass ich Gott finden werde.  ( C.Hechtel, S.Meister, Unter uns. S.21)

Advent ist also noch mehr, als beim letzten Mail gesagt: Nicht stumpfsinniges Warten, nicht nur hoffnungsvoll und freudig ausgerichtetes Erwarten – nein, es ist ein aktives Handeln, ein Suchen – im Lichte der Verheißung des Findens und Gefunden-Werdens.

Gebet:

Gott, du Anfang und Ende

Sei bei uns mit der Kraft deiner Liebe

Deiner Gnade

Deiner Barmherzigkeit

Heute, morgen und allezeit.

 

D.Joachim, Kleine Liturgie im Advent, in: dies.,KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S.35

 

Dann gibt es nur eins!