Freitags 5nach6 - Wahl 3

21. Februar 2025

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Wie politisch darf Kirche sein? Diese Frage stellte sich einmal mehr, als die Vertreter der Kirchen in Berlin kritisch Stellung nahmen zu Anträgen der CDU/CSU-Bundestagsfrak-tion, die sich mit der Migrationspolitik befassten. Dabei nahm die Fraktion eine Zustimmung der AfD-Fraktion ausdrücklich in Kauf.

Auf die Kritik der Kirchen reagierte u.a. der bayerische Ministerpräsident Söder:

Auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg forderte Söder die Kirchen auf, sich stärker auf "christliche Themen" zu konzentrieren – gemeint waren jene, die mit der CSU-Agenda übereinstimmen. Als selbsternannter "engagierter Christ" verlangte er mehr Einsatz für Paragraf 218 und den "Lebensschutz". … "Nicht vergessen, wer am Ende noch an der Seite der Institution Kirche steht – das sind nämlich wir. Nicht, dass man irgendwann ganz plötzlich alleine steht. Denkt mal drüber nach!" (Söders Warnung an die Kirchen: "Nicht, dass ihr alleine dasteht" – politisches Kalkül statt christlicher Werte | Sonntagsblatt)

Denken wir einmal nach und schauen wir einmal in die Bibel (Markus 12, 13 – 17 i.A.)

13Die führenden Priester, Schriftgelehrten und Ratsältesten schickten, einige Pharisäer ... zu Jesus. Die sollten ihn mit einer Frage in Bedrängnis bringen. 14Sie gingen zu ihm und sagten: »Lehrer, wir wissen: … du sagst die Wahrheit und lehrst, wie wir nach Gottes Willen leben sollen. Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen oder nicht? …

15Jesus durchschaute ihr falsches Spiel und sagte zu ihnen: »Wollt ihr mich auf die Probe stellen? Gebt mir eine Silbermünze, ich will sie mir ansehen.« 16Sie gaben ihm eine, und er fragte sie: »Wer ist auf dem Bild zu sehen, und wer wird in der Inschrift genannt?«

Sie antworteten: »Der Kaiser.« 17Da sagte Jesus zu ihnen: »Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!«

Hier geht es um Steuern, die dem Kaiser in Rom zu zahlen waren. Was bedeuten Jesu Worte mit Blick auf politische Aussagen der Kirchen?

Es war damals eine Silbermünze – mit Vor- und Rückseite. Das Leben eines Christen, einer Christin ist ebenfalls ein Ganzes und hat eine politische und eine religiöse Seite – aber beide Seiten gehören zusammen und so ist es auch bei der Kirche.

Die alttestamentlichen Prophetenbücher sind voll von z.T. geharnischter Kritik, die Propheten im Auftrag Gottes an den Herrschern übten. Das waren politische Stellungnahmen, die aus einer Glaubensposition heraus geäußert wurden. Das hatte Folgen, teils für die Herrscher, teils aber auch für die Propheten. Für einige wurde es lebensbedrohlich!

Also, die Äußerungen der Kirchen und von Herrn Söder stehen in einer langen Tradition.

Aber was schulden Christinnen und Christen denn nun den Herrschern bzw. dem Staat?

Für die vor-demokratischen Zeiten ist die Frage recht einfach zu beantworten: Im Wesentlichen Gehorsam, Ehrfurcht, Abgaben und Steuern, Fron- und Militärdienste.

Aber wie ist es im demokratischen Staat?

Zunächst haben wir keine klassischen Herrscher mehr. Alle Gewalt geht vom Volke aus. Das Volk überträgt Staatsgewalt auf Zeit auf gewählte Personen. Das GG formuliert:

Art 20. (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Das Verhältnis von Staat und Religion beschreibt der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Ernst-Wolfgang Bockenförde so (vgl. Wikipedia):

Vom Staat her gedacht, braucht die freiheitliche Ordnung ein verbindendes Ethos, eine Art ‚Gemeinsinn‘ bei denen, die in diesem Staat leben. Die Frage ist dann: Woraus speist sich dieses Ethos, das vom Staat weder erzwungen noch hoheitlich durchgesetzt werden kann? Man kann sagen: zunächst von der gelebten Kultur. … Da sind wir dann … bei Quellen wie Christentum, Aufklärung und Humanismus.“ „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“  

Diese Einstellung hat ihren Niederschlag gefunden in unserem Grundgesetz, und zwar in der Präambel, der Vorbemerkung. Dort heißt es: Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.

Da gibt es also jemanden oder etwas anderes als den Staat, demgegenüber ein Verantwortungsverhältnis besteht. Daraus kann die Kirche für sich beanspruchen, Orientierungshilfe, und zwar auch kritische Orientierungshilfe zu geben.

In diesem Zusammenhang wird gern von einem Wächteramt der Kirche gesprochen.

Die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann schreibt dazu:

Die Kirche müsse eine gesunde Balance finden zwischen dem Auftrag, das geistliche Leben zu stärken und andererseits das „Wächteramt in der Gesellschaft“ wahrzunehmen. Weder könne die Kirche völlig unpolitisch sein, noch solle sie sich zu sehr auf politische Fragen beschränken. (Käßmann: In der Kirche gibt es keine Superstars – EKD) 

Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich ähnlich:

"Indem die Kirche aus christlichem Glauben heraus moralische Ansprüche vertritt, kann sie der Politik ein richtungweisender Partner sein", ... Nach dem Barmer Bekenntnis erinnere die Kirche "an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten". Dieses Wechselspiel weltlichen und geistlichen Wirkens sei für eine funktionierende, stabile Demokratie wesentlich, … (Merkel würdigt Barmer Theologische Erklärung – EKD)

Dieses Wächteramt ist eine Aufgabe sowohl der Kirchen im Großen, als auch der Christen/innen in der Gemeinde.

Was schulden die Kirchen und ihre Mitglieder dem Staat noch?

In seiner Bergpredigt sagt Jesus (Matthäus 5,37): Eure Rede aber sei: Ja! Ja! Nein! Nein! Was darüber ist, das ist vom Übel.

… In diesem Teil der Rede geht es um das Schwören. Jesus sagt in Vers 34, dass man überhaupt nicht schwören solle, weder bei Gott noch bei sonst irgendetwas. Wer Wichtiges zu sagen hat, der/die soll ein klares Ja oder Nein sagen, mehr nicht. Alles andere ist zu viel. … Jesus sagt mit diesem Wort, dass Gott keine Schwüre will, sondern klare Aussagen. … (vgl. evangelisch.de)

Das Schwören ist ja ein innerstaatlicher Rechtsakt, der mit der möglichen Ergänzungsformel „so wahr mir Gott helfe“ auch über diesen Rechtsakt hinausweist.

Ich interpretiere dieses Jesus-Wort in unserem Zusammenhang so, dass wir nicht nur eine Stimme haben, sondern sie auch mit klarem Ja oder klarem Nein erheben sollen im Eintreten für Menschenwürde, Liebe zum Nächsten und Zusammenhalt. So heißt es in der Kampagne „Für alle. Mit Herz und Verstand“ der niedersächsischen katholischen Bistümer und evangelischen Landeskirchen zur Bundestagswahl.

Stimme erheben heißt am kommenden Sonntag „Stimmrecht wahrnehmen und zur Wahl gehen“.

Und sonst?

Leisten wir als Christen/innen unseren Beitrag nicht nur in unserer Gemeinde, sondern auch in unserem Staat, indem wir unser Wahlrecht wahrnehmen, indem wir aktiv für die Werte unseres Grundgesetzes eintreten, indem wir uns engagieren im Ehrenamt für die Gemeinschaft in Kirchen, Parteien, politischen Gremien wie dem Ortsrat, in Vereinen und Bürgerinitiativen u.a.m.

Und wenn jeder seinen kleinen Beitrag leistet, kann etwas Großartiges daraus werden – wie das folgende Beispiel zeigt:

Es war einmal vor langer, langer Zeit ein Land, in dem ein grausamer Krieg herrschte. Wie man weiß, bringt Krieg immer auch Groll, Neid, Probleme, Tote und viel Hunger mit sich. Die Menschen konnten weder etwas aussäen noch etwas ernten und es gab weder Mehl noch Brot.
Als in diesem Land der Krieg zu Ende gegangen und alles zerstört worden war, kam ein Soldat, der in Lumpen gehüllt, erschöpft und fast verhungert war, in ein kleines Dorf. Hungrig ging er zum erstbesten Haus das er finden konnte, klopfte an die Tür und als er die Hausherrin sah, sprach er: „Gute Frau, haben sie nicht ein Stück Brot für einen Soldaten, der halbverhungert aus dem Krieg kommt?“

Die Frau musterte ihn von oben bis unten und sagte: “Bist du verrückt? Weißt du nicht, dass es kein Brot mehr gibt, dass wir nichts mehr haben? Wie kannst du es wagen!“ Und sie jagte ihn mit Beschimpfungen und Schlägen davon. Er versuchte sein Glück in anderen Häusern, aber er erhielt nur noch schlimmere Antworten und wurde noch schlimmer behandelt.

Der Soldat, der einer Ohnmacht nahe war, gab sich aber nicht geschlagen.

Er ging durchs Dorf und kam an den Waschplatz. Dort waren einige Mädchen und er sagte zu ihnen: „Ihr Hübschen, habt ihr jemals meine Steinsuppe probiert?“ Die Mädchen lachten ihn aus: „Eine Steinsuppe? Du bist wirklich verrückt.“

Aber einige Kinder hatten heimlich zugehört und näherten sich dem Soldaten. „Können wir dir helfen?“ fragten sie. „Natürlich. Ich brauche einen großen Topf, einen Steinhaufen, Wasser und Brennholz um Feuer machen zu können.“
Die Kinder liefen schnell und holten, um was sie der Soldat gebeten hatte. Sie zündeten das Feuer an, stellten den Topf darauf, füllten ihn mit Wasser und warfen die Steine hinein.

Das Wasser begann zu kochen. „Können wir die Suppe probieren?“ fragten die Kinder voller Ungeduld. „Nur die Ruhe, nur die Ruhe.“ Der Soldat probierte die Suppe und sagte: „Schon ziemlich gut, aber ihr fehlt noch ein wenig Salz.“ „Wir haben Salz zuhause“, sagte ein Kind und rannte nach Hause um es zu holen. Das Kind brachte dem Soldaten das Salz und dieser warf es in den Topf.
Kurz darauf probierte der Soldat erneut und sagte: „Wie lecker! Aber es fehlt noch ein wenig Tomate.“ Und ein Kind rannte nach Hause um Tomaten zu holen und brachte sie dem Soldaten. Und kurz darauf brachten die Kinder noch andere Dinge: Kartoffeln, Salat, Reis und sogar ein Stück Hühnerfleisch.
Der Topf füllte sich und der Soldat rührte einige Male um. Er probierte erneut und sagte: „Sagt allen, dass sie essen kommen sollen. Es ist genug für alle da. Sie sollen Teller und Löffel mitbringen!“
Er teilte die Suppe aus. Es gab für alle Dorfbewohner ausreichend.

So ging es in jenem Dorf und so kann es gehen in unserem Land.

 

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St. Johannis Königsdahlum