Freitags 5nach6 -1. Advent "Warten"

01. Dezember 2023

364.1 5nach6 01.12.2023 1. Advent "Warten“               Ps 24

(Quellenangaben im Text, Zitate kursiv)

1. Advent

Ich sitze und warte
Auf hellere Zeiten
Ich zünde eine Kerze an
Die erste in diesem Advent
Für dich, Gott, und für mich
Komm, setz dich neben mich
Dann wird die Zeit nicht so lang
 

D.Joachim, Kleine Liturgie im Advent, in: dies.,KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S.33

Tropf, tropf, tropf. Ich warte. Neben mir im Therapieraum steht der Infusionsständer.
Tropf, tropf, tropf. Ich warte. Langsam tropft das Medikament in meine Armvene.
Tropf, tropf, tropf. Ich warte. Sechs Stunden dauert es, bis das Medikament in mir ist.
Tropf, tropf, tropf. Ich warte. Die Zeit wird lang.
Tropf, tropf, tropf. Ich warte. Ich schaue auf den Parkplatz im trüben Novembergrau.
Tropf, tropf, tropf. Ich warte. Autos parken aus, fahren davon.
Tropf, tropf, tropf. Ich warte. Neue Autos kommen, parken ein.
Tropf, tropf, tropf. Ich warte.

Szenenwechsel.

Unser Adventskalender ist vor einigen Wochen angekommen. Schon das Deckblatt erweckt Vorfreude. Welche Augenblicke, Blicke, Einblicke, Durchblicke wird er mir eröffnen, wenn ich ihn öffne, jeden Tag eine neue Seite? Gespannt habe ich auf den heutigen Freitag gewartet, den 1. Dezember.

Ein Text des Schriftstellers Martin Walser!

Du bist.

Das genügt. Du warst immer abgelenkt. Abgelenkt von dir. Abgelenkt davon, dass du da bist. Und wie interessant ist es, zu sein. Es gibt nichts Interessanteres, als da zu sein.

(Andere Zeiten e.V., Der Andere Advent, Hamburg, 2023)

Ein Augenöffner-Text, auf den zu warten sich gelohnt hat.

Das Adventskalender-Warten ist ein ganz anderes Warten als das Warten auf das Durchlaufen der Infusionslösung.

Advent ist nicht nur die Zeit, in der wir aufs Christkind warten. Da geht es um mehr. Es geht um Sinn und Geschmack für das, was wir nicht kaufen können. Um eine Sehnsucht nach Geborgenheit. Adventskalender-Leser/innen oder Türenöffner/innen geben die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht auf. Und Hoffnung braucht Nahrung. Die kommt auch aus dem Adventskalender. Hoffnungsstiftende Texte oder Schokolade.

Schokolade wird ja nachgesagt, dass sie glücklich und optimistisch macht … weil da Stoffe drin sind, die Glückshormone produzieren … Allerdings müsste man kiloweise Schokolade essen, damit genug Hormone zusammen kommen … In Fisch ist übrigens mehr von diesen Glückhormonen drin. Aber wer tut schon Fisch in den Adventskalender? Hoffnung muss süß schmecken.

Dieses Ritual: Türen öffnen (oder Seiten umblättern) … eine nach der anderen. Abwarten können. Und sich freuen auf das, was kommt. Auf Weihnachten natürlich. Und darauf hoffen, dass diese Welt bewohnbar bleibt und ein freundlicher Ort. Für uns selbst und für die, die nach uns kommen ...

In dieser Zeit sind wir besonders empfindsam … Das liegt auch an dieser Vorstellung von dem Kind in der Krippe und der Botschaft des Engels bei den Hirten auf dem Felde:

 10Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11denn euch ist heute der Heiland geboren, … 13Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und  Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens (Luk 2, 10-14 i.A.)

Diese Liebeserklärung Gottes an uns. Dieses zarte Kommen Gottes in unser Leben … Es ist diese Sehnsucht, es ist diese Hoffnung, die uns dazu bringt, Türen zu öffnen und Seiten umzuschlagen. Nicht nur die vom Adventskalender. Sondern auch die Türen unserer Herzen – und die Augen auch. Dass wir uns sehen, die anderen sehen – und etwas von Gott sehen.

(D.Joachim, Hoffnung braucht Nahrung – 1. Advent, in: dies., KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S.41f)

Komm, Gott, setz dich neben mich / Dann wird die Zeit nicht so lang – das habe ich eingangs vorgelesen.

Warten ist ein Zustand des Ausgeliefertseins. Wir können in diesen Wartesituationen von uns aus wenig bis nichts tun, sondern nur warten und hoffen, dass das, worauf wir warten, bald eintritt. Warten wird oft als geklaute Zeit erlebt.

Oder wir vertreiben uns die Zeit mit irgendwelchen Belanglosigkeiten. Welch eine Verschwendung, geschenkte Zeit, geschenkte Lebenszeit vertreiben!

Komm, Gott, setz dich neben mich / Dann wird die Zeit nicht so lang

Das Adventskalender-Warten ist eigentlich kein Warten, es ist ein Erwarten!

Es geht nicht mehr um die Menge der vergehenden Zeit, sondern um ihre Qualität. Am deutlichsten wird das vielleicht in einer Schwangerschaft. Da ist eine Familie, so hat man es früher umschrieben, in „froher Erwartung“. Die Familie wartet nicht einfach auf das Kind, es erwartet es! Erwarten heißt, dass ich mich mit dem, was ich erwarte innerlich verbinde. Mich darauf ausrichte. Mit meinen Gedanken und Gefühlen.

So sind wir im Advent nicht im Wartestand abgestellt, sondern in einen Erwartungszustand versetzt. Wir können erwartungsfroh sein, dass noch etwas kommt. Wenn wir vor der nächsten Tür oder der Seite des Adventskalenders sitzen – oder wenn ich am Tropf hänge.     

 

Komm, Gott, setz dich neben mich / Dann wird die Zeit nicht so lang.

Erzähl mir, dass da noch etwas kommt, dass ich noch etwas erwarten darf:

Lebenskraft, wenn wir erschöpft sind.
Mut, wenn wir verzweifeln.
Liebe, die uns begleitet.
Ruhe, die uns erfüllt.
Gerechtigkeit, Frieden und Erbarmen für unsere Welt.
D.Bäuerle, Erwarten, was kommt - Advent, in: D.Joachim, KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S.52f

 

Gebet:

Gott, du Anfang und Ende

Sei bei uns mit der Kraft deiner Liebe

Deiner Gnade

Deiner Barmherzigkeit

Heute, morgen und allezeit.

D.Joachim, Kleine Liturgie im Advent, in: dies.,KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S.35