392_5nach6_23.08.24_In Ängsten und wir leben 4 Ps 23
Quellen (Zitate kursiv):
E.M.Lerch, Steh auf und iss, in: Andere Zeiten e.V., Anders handeln 1-2024 „Kraft schöpfen“, Hamburg, S. 20f
M.Wolfers, Die Ohnmacht gehört zu uns, in: Publik Forum Sonderdruck „Nimm der Ohnmacht ihre Macht“, Oberursel, 2023, S. 3ff
„Wandelt als Kinder des Lichts!“ (Eph 5, 8b) fordert Paulus uns auf. Wie soll das gehen, wenn wir schwarz sehen, wenn wir kein Licht am Ende des Tunnels sehen, wenn wir vor allem in der Welt und nicht zuletzt vor uns selbst die Augen verschließen möchten? Jesus hält dagegen: „In der Welt habt ihr Angst“, sagt er. Doch er fährt fort: „Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden, damit ihr in mir Frieden habt.“ (Joh 16,33).
Aus, vorbei, Schluss. Ich kann nicht mehr. Wer hätte gedacht, dass einer wie ich mal zusammenbricht. Ausgerechnet ich … Kein Auftrag von JAHWE war mir zu schwer … ich habe mich voll identifiziert mit der Sache Gottes … Aber jetzt bin ich am Ende, zu nichts mehr zu gebrauchen … Mir schlägt das Herz, die Glieder zittern, ich habe einfach nur Angst, bin wie im Nebel … In Panik bin ich losgelaufen … in die Wüste hinein … Und dann haben mir auch noch die Beine versagt … Da war immerhin ein Ginsterstrauch, unter den ich mich legen konnte … (1)
So könnte der Prophet Elija gedacht und gefühlt haben.
Laut dem biblischen Buch der Könige (1. Könige 19,1-18) kämpft der Prophet Elija erbittert mit dem Baalskult, der einheimischen „Konkurrenz-Religion“, zu der die Israeliten scharenweise überlaufen. Um seinen Gott JAHWE zu verteidigen, erschlägt Elija Hunderte der Baalspriester … Doch Isebel, die Frau des amtierenden Königs Ahab, ist selbst eine Anhängerin des Baalskults und will die Morde rächen. Elija flieht in die Wüste und schließlich auf den Berg Horeb, wo Gott sich ihm offenbart. (1)
Vielleicht hätte Elija ein Resilienz-Training machen sollen. Sie erinnern sich: Diese Fähigkeit zum Trotz, zum Widerstand gegen das, was uns das Leben schwer macht, nennen die Psychologen Resilienz.
Und der Markt für solche Trainings boomt!
Resilienz stärken für Beruf und Alltag / Bildungsurlaub in Prerow/Darß Ostsee
Aus der Einladung der VHS Hildesheim: „Fehlt Ihnen oft die innere Ruhe und der Alltagsstress nimmt zu? In diesem Bildungsurlaub erlernen Sie, die Resilienz als Widerstandskraft für Stresszeiten zu stärken und den Blick anhand von Achtsamkeitsübungen mehr auf die Selbstwahrnehmung, ein optimistisches Denken und die Möglichkeiten für Selbstfürsorge zu richten. Durch eine intensivere Verbindung zu sich und zur Natur können Sie erfahren, wie Naturaufenthalte zur Steigerung der Resilienz beitragen können.
Aus: Rund um Bockenem und Bad Salzdetfurth, 24.01.24
Andere Anbieter solcher Trainings sagen: Menschen können in jedem Alter ihre innere Widerstandskraft aktiv stärken. Das „Immunsystem für die Psyche“ lässt sich trainieren wie ein Muskel.
Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie Elija im Sand unter dem Ginsterbusch reagiert hätte, wenn der Engel ihm gesagt hätte: „Tja, hättest du mal `was für deine Resilienz getan! Jetzt wird es aber höchste Zeit für einen Trainingskurs!“
Genau hier liegt das Problem: Natürlich bin ich dafür, vorbeugend etwas zur Stärkung der eigenen Resilienz zu tun. Aber es besteht die Gefahr, dass ich mich verändere, aber das, was mich – und u.U. noch viele andere - fertig macht, bleibt bestehen. Die lebensfeindlichen Verhältnisse werden nicht verändert. Und wenn jemand damit nicht zurechtkommt, ist das sein Problem. Zu spät oder zu wenig die Resilienz trainiert – oder beides. So werden notwendige gesellschaftliche Veränderungen nicht mal mehr gedacht, geschweige denn in Angriff genommen. Die Belastung bleibt ein persönliches Problem. Und wer sich ohnmächtig fühlt, ist dann eben der Versager, der Looser. Selbst schuld.
Dabei „ist die Ohnmacht ein wichtiges Gefühl, das wir nicht verdrängen dürfen. Sie gehört zu unserem Leben … Oft ist das Erleben von Ohnmacht ein stummer Schrei, dass etwas nicht stimmt. Der auf Missstände aufmerksam macht … Oder auf Machtverhältnisse in Gesellschaft und Kirche, die allen Regeln von Demokratie und Mitbestimmung widersprechen. (2)
Ohnmacht einfach nur an den Ohnmächtigen zurückzuspiegeln und ihm zu sagen „Stell dich nicht so an! Streng dich mal an! Sei resilient!“, das ist gnadenlos. Und die Empfehlung, doch mal an einem Resilienztraining teilzunehmen, um sich zu verbessern und fitter fürs Leben zu werden, ist fatal. Der Ohnmächtige ist wahrscheinlich nicht mal fähig, das nächste derartige Angebot zu googeln.
„Dabei brauchen Menschen in einer tiefen Krise vor allem echten Trost. Keine schulterklopfende Vertröstung sondern … zusammen sein, fürsorglich sein. Trösten heißt, die Trauer nicht abmildern, sondern teilen. Trost vermittelt eine Geborgenheit im Schlechten … (2)
Hören wir Elija noch ein wenig zu:
… Was war das? Ich musste tatsächlich eingeschlafen sein. Und dann hat mich jemand geweckt. Aber wer? Ein Engel?
„Steh auf und iss“, sagte der bloß – und tatsächlich lag da ein ofenwarmes Brot neben meinem Kopf, stand da ein Krug mit Wasser. Gottes Bote war mir in die Wüste gefolgt. Brachte keinen Vorwurf, keine Belehrung, keine Kündigung. Nur Hilfe, Betreuung und Fürsorge. JAHWE lässt mich nicht fallen.
Ich aß das Brot, trank gierig aus dem Krug. Aber Aufstehen ging gar nicht. Ich war einfach zu müde. Zu erschöpft. Ein Prophet im Burnout.
Dann ist er noch ein zweites Mal gekommen. Noch mal schlafen, noch mal essen, noch mal trinken. Ich spürte, dass ich aufstehen kann. Der Engel hat mich angerührt, so sanft und freundlich, dass ich wieder Mut fasste.
Es war ein langer Weg bis zum Horeb, dem Gottesberg, wo ich jetzt gelandet bin. Die Wüstenspeisung hat mir Kraft gegeben und unterwegs hatte ich Zeit zum Nachdenken ...
Es wird still auf dem Horeb. … Ich lausche, verweile in dieser Stille. Und ja, da ist Gott … nicht im Feuer, nicht im Sturm, sondern in diesem hauchdünnen Schweigen.
Bald werde ich wieder hinuntersteigen und unter die Menschen gehen. Vielleicht geheilt. Als Prophet eines Gottes, der in der Stille wirkt.
So einen Engel wünsche ich uns, wenn wir einmal nicht mehr ein noch aus wissen, uns ohnmächtig und erschöpft fühlen.
Dabei halte ich es – bekanntermaßen - mit Rudolf Otto Wiemer: Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel. Anselm Grün schreibt: Theologisch gesehen sind Engel geistige, geschaffene Wesen. Alles, was erfahrbar ist, kann uns zu Engeln werden. Das kann ein Impuls sein, eine innere Einsicht, ein Buch, ein Mensch. …Ein Engel ist das Wirken Gottes. Aber er ist keine Person, sondern eine Macht, die mein Dasein schützt. …
Ein ungewöhnliches Gebet um einen Engel:
Engels-Rap
Einen Engel, einen Engel, Gott, den brauch ich jetzt,
einen Engel, einen Engel, der so richtig fetzt.
Lieber Gott, ich muss schon sagen, deine Welt hat viele Mängel,
darum gib dir einen Ruck, beam ihn runter, deinen Engel.
Sei nicht sauer, wenn ich power,
wenn ich quengel, wenn ich drängel
– alles geht mir auf den Keks. Ist er noch nicht unterwegs?
Ich nehm den Michael, ich nehm den Gabriel,
ich nehm den Rafael, ich nehm den Uriel,
ganz egal, welches Modell, schick ihn jetzt,
ich brauch ihn schnell!
Einen, der mir, wenn ich penne,
einen Tritt gibt, dass ich renne.
Einen, der mich, wenn ich fies bin,
dran erinnert, dass ich mies bin.
Einen, der mich an der Hand fasst
Und im Chaos auf mich aufpasst.
Einen, der mit aller Kraft,
da, wo Krieg ist, Frieden schafft.