Freitags 5nach6 - Advent 4 Tradition

20. Dezember 2024

407_20.12.24_Advent 4_Tradition                   Ps 43

Quelle: S.Niemeyer, Hauptsache Tradition, in: dies., Der Stolperengel, Freiburg, 2024, S.61-65 (bearb. – Zitate kursiv)

Hauptsache Tradition

„Die Leute haben heutzutage einfach keine Bildung mehr“, poltert Dieter und haut auf den Tresen. Wie zur Bestätigung ruft der Plastik-Weihnachtsmann „Ho-Ho-Ho!“ Samstags sitzen die Jungens im „Familieneck“. Dieter, Horst, Fiete und Udo.

„Kein Wunder“, nickt Horst, „die daddeln doch nur immer auf ihrem Toktik rum, oder wie das heißt. Kein Wunder, dass alles den Bach runtergeht!“

„Jau“, sagt Dieter, „39,7 % haben überhaupt keine Ahnung mehr, was wir Weihnachten eigentlich feiern. Die Historie, verstehste?“

„Is nich wahr!“, sagt Fiete.

„Wenn ich’s doch sage“, sagt Dieter, „stand im Internet.“

„Prost“, sagt Horst, weil er auch mal was sagen will. Mit Weihnachten kennt er sich nur so mittel aus. Es ist schon lange her, dass er das so richtig gefeiert hat. Den Baum haben sie vor Jahren abgeschafft, aber seine Hilde macht Kartoffelsalat und dann haben sie es eben so’n büschen gemütlich. Reicht ja auch, findet er.

„Muss man ja nicht haarklein alles wissen, aber so im Groben …“, nuschelt Fiete und angelt sich drei Marzipankartoffeln. Die gibt’s im „Familieneck“ gratis zum siebten Bier. Immer im Advent.

„Aber dat dat Christkind geboren ist, dat sollte man schon wissen“, sagt Dieter.

„Darum gibt’s ja auch den Weihnachtsmann“, pflichtet Udo ihm bei, der sonst nie etwas sagt.

„Häh?“, fragt Fiete, „Wat hat denn der Weihnachtsmann mit dem Christkind zu tun? Der kommt doch von den Amerikanern.“

Dieter richtet sich auf, um die Sache zu erklären. Dieter hat nämlich immer den größten Durchblick. „Also: Der Weihnachtsmann is der Vadder vom Christkind. Darum auch Santa. Santa Claus. Der kommt aus Amerika, ist aber auf der ganzen Welt zu Hause. Weil er doch die Geschenke rumbringen muss. Und weil er da ordentlich zu tun hat, nimmt er seine Frau immer mit. Dat is die Christa.“

Fiete kommt nicht ganz mit und kratzt sich am Kinn. „Wieso denn Christa? War die Mutter vom Christkind nicht die Maria?“

„Nee“, sagt Dieter, dat is doch logisch: Christ-Kind. Das Kind vonne Christa.“

„Ahhh …“, machen die anderen und nicken. Jetzt haben sie es verstanden.

„Mach mal noch’n Bier“, sagt Horst, weil er die Geschichte jetzt richtig spannend findet und weiterhören will. Von wegen der Bildung. „Und wie war das noch mal mit dem Stall?“

„Der Weihnachtsmann war ja mit seinen Rentieren unterwegs“, erklärt Dieter. „Und die brauchen auch mal `ne Pause. Dat war damals – na, wie `ne Autobahnraststätte. Heu und Stroh, und für Vadder Weihnachtsmann gab’s Kartoffelsalat, den hat die Christa schön vorbereitet und in Tupper mitgenommen für unterwegs.“

Fiete nickt. „Kartoffelsalat isst man ja heute noch.“

„Nä“, sagt Udo. „Bei uns gibt dat Raclette.“

„Kartoffel ist Kartoffel“, sagt Fiete. „Hauptsache Tradition!“

„Richtig“, sagt Dieter, der mit seiner Geschichte aber noch nicht fertig ist. „Aber nun passt auf: Die Christa, die war schwanger mit was Lütten im Bauch.“

„Und trotzdem war die dabei?“

„Na sicher, nu sabbel doch nich immer dazwischen. So war das damals eben. Unser Omma hat ihre sieben Kinder auch aufm Feld gekriegt. Die Christa legt sich also ins Stroh, weil sie k.o. war von der ganzen Reiserei, und – zack – war das Christkind da.“

„Halleluja“, sagt Horst, den die Geschichte wirklich mitnimmt. „Dat geht zu Herzen. Hatte die denn Windeln im Gepäck?“

„Natürlich nicht, aber dann kamen ja die Könige aus dem Morgenland.“

„Morgenland? Wo is dat denn?“, fragt Fiete.

„Irgendwo im Osten. Die haben Gold, Weihrauch und Windeln mitgebracht.“

„Wieso Weihrauch? Dat gibt es doch nur bei den Katholen. War dat Christkind denn katholisch?“, fragt Fiete, der schon wieder den Faden verliert.

„Glaub ich nicht“, sagt Horst. „Die im Osten habens doch nich so mit der Kirche.“

„Die hatten den Weihrauch dabei wegen dem Gestank im Stall. Dat waren Profis“, erklärt Dieter und wedelt mit dem Duftbaum, der über dem Tresen hängt. „Hier, benutzen wir heute noch.“

„Apropos“, sagt Fiete. „Wat is denn mit dem Tannenbaum? Was hat der damit zu tun?“

„Na hömma, meinst du denn, die hatten damals Straßenlaternen?  Irgendwie musste Vadder Weihnachtsmann doch den Weg finden. Und da haben die Leute eben Kerzen in die Bäume gehängt.“

„Gefährliche Sache“, sagt Udo. Er kennt sich aus, weil er in der Freiw. Feuerwehr ist.

„Gab noch keine Brandschutzverordnung“, sagt Dieter. „Und irgendwie musste man sich ja helfen.

„Ganz schön plietsch“, staunt Fiete. In seinen Augen glänzt Hochachtung. „Denkt man gar nicht, wie schlau die damals schon waren.“

Dieter nickt. „Kommt alles vonne Bildung. Und darum sag ich immer: Bildung is so wichtig!“

„Jau!“, rufen die anderen. „Prost!“ „Zum Wohl! Auf die Bildung!“ „Auf Weihnachten!“  

 

Dazu noch die Erzählung „Engel gesucht“ (10.12.) 

 

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