Freitags 5nach6 - 500 Jahre Bauernkriege

15. Mai 2025

427 5nach6_16.05.25_500 Jahre Bauernkriege                 Ps 46

Quelle: C.Fleischmann, Von der Freiheit eines Christenmenschen, in: Publik Forum 6/2025, S.12 – 16, (Zitate kursiv)

2025 ist schon ein merkwürdiges Jahr. Vergangenheit und Gegenwart begegnen sich in besonderer Weise. Einerseits haben wir eine Bundestagspräsidentin, die sich eine Kirche wünscht, die sich mit politischen Äußerungen mehr zurückhält. Andererseits erinnern wir an das Ende von Krieg und Diktatur in Deutschland, erinnern an den widerständigen Theologen Dietrich Bonhoeffer - und wir erinnern daran, dass vor 500 Jahren die Bauern mit aller Macht (und auch Gewalt) gegen ihre Grundherren aufstanden.

Und immer wieder ging und geht es um die Frage „Wie politisch darf der Glaube sein?“

Sie kennen dieses Zeichen? Manchmal sieht man es auf Lastzügen, in Fabriken, an Tankstellen: Gelbes Dreieck mit schwarzem Rand. Links unten eine schwarze Kugel, die offensichtlich explodiert. Schwarze Linien und Flecken gehen von dieser Kugel aus und durchziehen den größten Teil des gelben Dreiecks. Warnzeichen D-W002: Warnung vor explosionsgefährlichen Stoffen nach DIN 4844-2:2001.

Braucht unsere Bibel, auf die sich Bonhoeffer und eben auch die Bauern im Jahr 1525 beriefen, dieses Warnzeichen auf dem Buchdeckel?

Gehen wir zurück ins Jahr 16. Jhdt.

1517 verfasste Martin Luther seine 95 Thesen, mit denen er nicht nur die kirchliche, sondern auch die gesellschaftliche Ordnung empfindlich störte, manche sagen auch zerstörte. 1520 schrieb er in seiner Flugschrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ unter anderem: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.“ Außerdem hielt Luther alle Christen ‚durch den Glauben für Könige und Priester mit Christus‘. Das war der Sound der Freiheit und der Königswürde aller Menschen, den die Bauern aufnahmen, aus dem sie die naheliegende Forderung zogen, ein Gemeinwesen der Freien und Gleichen zu schaffen.

Viele Bauern konnten auch einfach nicht mehr. Unterdrückungen und Belastungen waren einfach zu groß.

1524 und vor allem 1525 kam es an verschiedenen Stellen in Deutschland zu Bauernaufständen. Sie waren inspiriert durch die Botschaften der Reformation. Leibeigene ihrer – z.T. auch kirchlichen – Grundherren waren sie, Abgaben und Frondienste (Zwangsarbeit) mussten sie leisten. Und die Lasten sollten noch drückender werden!

Und jetzt sind wir bei Ps 46: Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge …“

Auf diesem Hintergrund dichtete Luther irgendwann zwischen 1521 und 1530 sein Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“, das  man auch als „Marseillaise (also als revolutionäres Kampflied) der Bauernkriege“ bezeichnete.

In diesem geschichtlichen Zusammenhang bekommen die Zeilen des Liedes eine ganz eigene Bedeutung:

Ein feste Burg ist unser Gott,
ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
die uns jetzt hat betroffen.

Mit unsrer Macht ist nichts getan,
wir sind gar bald verloren;
es streit’ für uns der rechte Mann,
den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ

Das Wort sie sollen lassen stahn
und kein’ Dank dazu haben;
er ist bei uns wohl auf dem Plan
mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr, Kind und Weib:
lass fahren dahin,
sie haben’s kein’ Gewinn,
das Reich muss uns doch bleiben.

Die Wutbauern schlossen sich zusammen und zogen in sog. „Haufen“ durchs Land, brandschatzten, plünderten, ja, folterten und töteten auch Grundherren.  Aber diese brutale Seite ist nur ein Teil der Wahrheit über die Bauernkriege.

Eigene Bibellektüre und reformatorische Priester – der bekannteste unter ihnen war wohl Thomas Müntzer – bereiteten den Boden für das Aufbegehren der Bauern und ihre zwölf Artikel mit Forderungen, u.a.

die freie Wahl des Pfarrers, eine Kernforderung der frühen Reformation. Danach wollten die Bauern mit ihren Zehntabgaben diesen Pfarrer unterhalten und, was davon übrigblieb, zur Unterstützung der Armen verwenden. Vorbild dafür sind die Zehntabgaben im Alten Testament.

Vor allem aber wollten die Bauern … nicht mehr leibeigen sein, weil ‚Christus uns alle mit seinem Blutvergießen erlöst … hat, den Hirten gleich wie den Höchsten … Darum zeigt sich mit der Schrift, dass wir frei sind und sein wollen.

Die Bauern schrieben weiter:

‚Was die Leibeigenschaft angeht, vermeinen wir, keinen anderen Herrn zu haben als Gott allein, der uns erschaffen hat und den Menschen zu seinem Ebenbild gemacht hat.‘

 Mit der Freiheit von der Leibeigenschaft waren damals vor allem gemeint die freie Wahl des Ehepartners, des Wohnortes und die freie Verfügung über den Besitz durch die Nachkommen. Dabei wolle man nicht mutwillig leben, erklärten die Bauern, sondern Gott im Nächsten erkennen (vgl. Gleichnis vom Weltgericht in Mt 25) und lieben und nach seinem Gebot leben.

Des Weiteren ging es in den Zwölf Artikeln um die freie Jagd, den freien Fischfang und den freien Zugang zu Holz in den Wäldern. Die Bauern forderten die Rückgabe der Allmende, einer alten dörflichen Tradition, wonach bestimmtes Acker-, Weide oder Waldland allen zur Nutzung zur Verfügung stand. Eine wichtige soziale Maßnahme, die selbst denen, die kein Land besaßen, ein Auskommen ermöglichte. … Damit nahmen die Bauern eine alte Tradition auf, wonach Gott die Erde allen Menschen gemeinsam gegeben habe …

Rückblickend schlug Luther sich dann auf die falsche Seite.

In seiner Erwiderung auf die Zwölf Artikel warf er den Bauern vor,  ‚sie hätten seine Freiheit ganz ‚fleischlich‘ gemacht … Niemand solle aus eigenem Antrieb Herrschaft beanspruchen, sondern sich an Paulus Mahnung halten: ‚Eine jegliche Seele solle der Obrigkeit untertan sein mit Furcht und Ehren‘. …Es wollen eure Artikel alle Menschen gleich machen und aus dem geistlichen Reich Christi ein weltlich, äußerlich Reich machen, welches unmöglich ist.

Im Mai 1525 veröffentlichte er seine Schrift „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“. Darin forderte die adligen Grundherren auf, mit aller, ja, wirklich mit aller Gewalt und Brutalität gegen die Bauern vorzugehen. ‚Steche, schlage, würge hier, wer da kann … Solch wunderliche Zeiten sind jetzt, dass ein Fürst den Himmel mit Blutvergießen verdienen kann.‘ Und das taten diese dann auch.

Am 15. Mai 1525 – also gestern vor 500 Jahren – kam es bei Bad Frankenhausen in Thüringen (gut 100 km, keine 2 Stunden von uns entfernt) zu einem blutigen Gemetzel, in dem tausende von Bauern von den Adligen und deren überlegenen Soldaten niedergemacht wurden. Das war das Ende der Bauernaufstände.

In Bad Frankenhausen erinnert heute noch das großformatige Bauernkriegspanorama von Werner Tübke an diese Schlacht. 

Es war der Protestant Johannes Rau, der als Bundespräsident feststellte:

Die zwölf Artikel (der Bauern) enthalten im Kern die Überzeugung von der Universalität (Allgemeingültigkeit) der Menschenrechte. Mit dieser Überzeugung weisen sie weit über ihre Zeit hinaus. … Als die Mütter und Väter des Grundgesetzes den Artikel 1 formulierten – die Würde des Menschen ist unantastbar – war das auch ein fernes Echo der Bauernartikel.

Und damit sind wir wieder in der Gegenwart. Bundestagspräsidentin Klöckner hatte in einem Interview zu Ostern die Kirchen aufgefordert, mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod in den Blick zu nehmen und sich nicht wie eine Nichtregierungsorganisation zur Tagespolitik zu äußern.

Auf dem Ev. Kirchentag ist sie dann ein wenig zurückgerudert:

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat ihre Kritik an den Kirchen bekräftigt. Sie sei aber nicht gegen deren gesellschaftspolitisches Engagement oder ihren Einsatz für den Klimaschutz, … Aber viele Menschen verließen die Kirchen, weil sie mit ihrer Glaubensbotschaft nicht ankomme. … Sie teile das Engagement für die Bewahrung der Schöpfung. Aber die Kirche müsse über das hinausweisen, was etwa Parteien machen. Die Frage sei, wie die Kirche es schaffen könne, eine Relevanz (Bedeutsamkeit) aufzubauen, weil sie anders sei als das Alltägliche. "Sie muss zu Alltäglichem Stellung beziehen, aber sie muss ein Tick mehr sein. Und das Tick-mehr-Sein ist der Glaube." …

"Natürlich müssen sich Christen auch politisch äußern", führte Klöckner weiter aus. Niemand trete aber in die Kirche ein, weil eine Synode einen Kompromiss über ein Tempolimit gefunden habe. … (Klöckner bekräftigt Kritik an Kirchen: Markenkern kommt nicht an - katholisch.de)

Ich denke, dass Glaube und tätige Nächstenliebe von Grundsatzfragen, die immer auch eine politische Seite haben, nicht strikt zu trennen sind.

Der barmherzige Samariter z.B. half dem einen, der unter die Räuber gefallen war. Wenn er öfter auf dem Weg zwischen Jericho und Jerusalem unterwegs gewesen und immer wieder auf Opfer der Räuber gestoßen wäre, hätte er irgendwann auch gesagt: „Ich helfe gerne den Opfern – aber auf dieser Straße müssen sich die Verhältnisse grundsätzlich ändern. Entweder gehen wir gegen die Räuber vor oder wir stellen Polizeischutz für Reisende. Und: Warum rauben die Räuber eigentlich? Ist es schliche Gier oder spielt Armut eine Rolle. Gegen Letzteres ließe sich doch etwas machen!“

In Zeiten, in denen Lieblosigkeit und Lebensfeindlichkeit nicht nur ein zwischenmenschliches Problem sind, sondern sich tief in die Strukturen unserer Gesellschaften eingraben, braucht es auch strukturelle Veränderungen. Und das ist ebenso christlich wie politisch.

Gebet: (nach: 20230224_friedensgebet.pdf)

Barmherziger Gott,
wir suchen deine Hilfe in einer Welt,
die von unendlichem Leid, Schrecken, Gewalt und nicht endender Zerstörung geprägt ist. Krieg, Vernichtung und Tod bedecken das Erdreich und trennen die Völker.

Wir beten für die Menschen,
unter denen Gemeinschaft zerbrochen,weil sie nur auf sich selbst bezogen bleiben und gleichgültig gegenüber anderen,

Wir beten für die Menschen,
denen Feindbilder, nationale Ideologien und Unterdrückung den Lebensmut nehmen.

Wir beten für die Menschen,
für die Verfolgung und Angst, das Leben völlig ausweglos erscheinen lassen.

Wir beten für die Menschen,
die angesichts von Krieg und andauernde Gewalt an Deiner Liebe  verzweifeln.

Erbarme Dich, Gott,
dass wir nicht ohne Hoffnung bleiben,
sondern auf Deine Gegenwart inmitten allem Leid vertrauen.
Amen.

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St. Johannis Königsdahlum