Freitags 5nach6 -Ewigkeitssonntag

24. November 2023

363 5nach6 24.11.2023_Ewigkeitssonntag                                     Ps 90
Quellen:
1) D.Joachim, Wir zählen die Tage – Meditation zum Totengedenken, in: dies. (Hg.), KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S. 144f (Zitate kursiv) 
2)M.Christ, Heilende Tränen – Totensonntag, in: D.Joachim (Hg.), KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S. 147f (Zitate kursiv)
 
3) J.Knoop-Bauer, Heilsame Tränen und Gottes geblümte Schürze, in: D.Joachim (Hg.), KURZ – Andachten und geistliche Impulse, Frankfurt, 2022, S. 150 (Zitate kursiv)                                                                                                                             

Lehre uns, unsere Tage zu zählen, damit wir ein weises Herz erlangen (Ps 90,12)

Wir zählen die Tage.
Seit der Tod in unser Leben kam.
Viel geweint.
Oder wütend gewesen.
Oder nur dagesessen.
In die Luft geguckt.
Bleierne Zeit.
Viel Dunkel.
Auch jetzt noch.
Das dauert.
Siehst du das, Gott?

 

Wir zählen die Tage.
Ohne unsere Lieben.
Tot sind sie.
So ist das Leben.
Der Tod gehört dazu.
Aber, Gott, lass dir sagen:
Es tut weh. Sehr weh.
Das Herz ist schwer.
Wie soll es da weise werden?
(1)

Wir zählen die Tage.
Sonne zwischendurch.
Manchmal.
Durchbricht die dunklen Wolken.
Wärmt das Gesicht.
Trifft das Herz.
Als ob du uns berührst, Gott.
So fühlt sich das an.
Wie Ewigkeit.'
Und manchmal wird es hell.
Trotzdem.

 

Indianer kennen keinen Schmerz. Ein Junge weint nicht. Sei nicht so weinerlich. Sie haben derartigen Quatsch bestimmt auch schon gehört!

… Es gibt viele verschiedene Gründe zu weinen:

Vor Rührung. Dann wischen wir uns verschämt die Tränen weg.
Vor Lachen. So groß … ist das Lachen, dass uns die Tränen über die Wangen laufen.
Die Augen tränen auch, wenn es kalt ist oder wenn Pollen fliegen.

Oft sind uns Tränen peinlich, wenn andere sie sehen, weil sie so unkontrolliert sind und unsere Gefühle zeigen. Dann versuchen wir, sie zurückzuhalten, bis wir allein sind.

Manchmal sind uns unsere Tränen auch lästig, weil sie offenlegen, dass wir nicht stark genug sind … Wenn die Tränen kommen, können wir nicht mehr anders.

Woran das liegt? Vermutlich daran, dass wir kein Herz aus Stein in unserer Brust haben, sondern eines aus Fleisch (Hes 11,19). Tränen sind in der Bibel oft ein Bild für Traurigkeit. Und immer gehören Tränen zum Menschsein dazu.

Tränen sind nichts, was man sich verbieten sollte, nichts, was hysterisch ist und von zu wenig Selbstkontrolle zeugt.

Manchmal sagen Menschen: „Ich habe keine Tränen.“ Manchmal kommt das vor, weil noch etwas offen ist. Aber gar nicht so selten ist es auch, dass Menschen keine Tränen haben, obwohl sie tieftraurig sind. Dann steckt die Traurigkeit noch fest. Und macht hart.

Tränen sind gut. Sie bringen mich selbst wieder mit meinem Herzen in Berührung. Sie zeigen mir, was mich berührt. Sie zeigen mir, was mich traurig macht. (2)

Tränen können so guttun. Im Weinen löst sich etwas … Und ganz oft ist danach leichter. Ich glaube nämlich: Weinen gehört zur Selbstfürsorge dazu. Wer immer seine Tränen runterschluckt, bei dem wird daraus leicht ein Kloß im Hals. (3)

… Tränen machen weich. Wir sind so gemacht, dass wir uns rühren lassen vom Schicksal anderer und vom eigenen Schicksal. Vieles, was wir erleben, ist ja auch wirklich zum Heulen. Und wer dann nicht heult, sondern mit versteinertem Gesicht immer nur schluckt, der endet vielleicht mit auch mit einem Herz aus Stein.

… Hin und wieder ist das Weinen ganz heilsam. Nicht weil das Leben nur traurig wäre, ganz im Gegenteil. Weil es tief ist und weil viele Gefühle tief in uns sitzen, dort, wo die Tränen herkommen. Sie kommen aus dem Herzen aus Fleisch. (2)

Ab und zu an Gottes Schürze weinen. Das rät die Theologin Christina Brudereck. … Ich habe mir das bildlich vorgestellt. Gott als Mutter. Wie sie dasteht mit einer geblümten Schürze um den warmen, weichen Bauch. Ich habe mir vorgestellt, wie ich mich an diesen warmen Bauch anlehne, mein Gesicht in der Schürze vergrabe und einfach mal weine.

In der Bibel heißt es: Gott tröstet wie eine Mutter. … Gott sieht meine Traurigkeit und lässt sie sein, wie sie ist. Ich muss mich dafür nicht schämen. Muss mich nicht rechtfertigen. (3)

In der großen Vision von der neuen Erde heißt es: „Gott wird abwischen alle Tränen (Offb 21,4). Das ist eines der schönsten Bilder, das ich kenne. Sie werden geweint werden, die Tränen. Da gibt es kein Drumherum. (2)

Wenn ich ausgeweint habe, dann wischt Gott mir mit einem Zipfel ihrer Schürze übers Gesicht. Und spätestens dann weiß ich: Ich bin willkommen und geliebt. (3)