Freitags 5nach6 - Wunder

13. Oktober 2023

359 5nach6 13.10.2023 Wunder                                             Ps 34

Am vergangenen Freitag haben wir gehört, dass Jesus vielen Menschen Brot gegeben hat, obwohl kaum etwas da war. Was war das Wunder? Dass Jesus aus drei Broten 30 oder 300 gemacht hat? Oder dass einige andere ihre Vorräte auch geteilt haben?

Wunder also …

Ein Gelähmter erhofft sich Heilung durch Jesus. Seine Freunde teilen seine Hoffnung und tragen ihn zu dem Haus, in dem Jesus zu den reichlich erschienenen Menschen spricht. Weil für die Freunde mit der Bahre ihres gelähmten Freundes kein Durchkommen ist, schaffen sie ihn aufs Dach, schieben einige Ziegel beiseite und seilen den Gelähmten ab – direkt vor Jesus Füßen. Der ist überrascht von dem Vertrauen, dass in ihn gesetzt wird – und heilt den Gelähmten.

Religionsunterricht 9. Klasse. Unterrichtseinheit „Jesus“.

„Also, Herr Gräbig, hat er nun oder hat er nicht?“ Ich bin irritiert: „Wer hat was getan oder nicht getan, Sven?“ „Na, ob Jesus Wunder getan hat!“ Ich weiß, dass Sven eine kleine Schwester daheim hat, die sehr krank ist. „Was hängt für dich von meiner Antwort ab?“; frage ich. „Na, ob ich Jesus vertrauen kann. Ob er auch heute noch Wunder tut. Zum Beispiel für meine kranke Schwester.“ - Oje.

Erst einmal erkläre ich, dass Wunder damals zum Alltag gehörten. Was man sich nicht erklären konnte, war ein Wunder – und das kam damals noch viel öfter vor als heute.

Von besonderen Menschen hieß es, dass sie Wunder tun können. Falsche Propheten, aber auch Könige sorgten dafür, dass man von ihnen Wundergeschichten erzählte. Das erhöhte ihr Ansehen, ihren Einfluss und ihre Macht.

Und diejenigen, die die Erzählungen über Jesus aufgeschrieben haben (lange nach dem Tod Jesu), waren überzeugt: Weil Jesus das Wunder der Auferweckung aus dem Tod durch Gott erlebt hat, hat der auch vor dem Tod Wunder getan!

„Ach, dann haben die die Wunder gar nicht mit eigenen Augen gesehen? Die waren bloß überzeugt, die glaubten nur, dass Jesus Wunder getan hat?!“ Sven ist enttäuscht und verärgert: „Alles Märchen! Wie soll man an Jesus glauben, wenn das mit den Wundern vielleicht gar nicht so war?!“

Ich habe es nicht so mit Wundern. Ich fürchte, dass das Nachdenken darüber in die Irre führt. Letztlich beschränkt es sich auf die Frage „Hat Jesus Wunder getan oder nicht“. Und dann werden die Bedeutung Jesu und der eigene Glaube an irgendeinem spektakulären Wunder festgemacht – wie bei Sven.

Und genau das wollte Jesus nicht! Im Markus-Evangelium wird erzählt: Jesus hat sich ausdrücklich geweigert, Wunder zu tun, um die Menschen von sich und seiner Botschaft zu überzeugen! (Mk 8,11)

Unser Pastor hat einmal folgende Anekdote erzählt:  

Das Hochwasser hat einen Mann auf das Dach seines Hauses getrieben. Retter in einem Feuerwehrauto kommen vorbei und wollen ihn mitnehmen. "Nein, danke", antwortet er, "Gott wird ein Wunder tun und mich retten."

Das Wasser steigt weiter, der Mann klettert auf den Schornstein. Ein Boot kommt vorbei und die Helfer rufen: "Steig ein!" "Nein, danke, Gott wird ein Wunder tun und mich retten.", ist die Antwort.

Schließlich kommt ein Hubschrauber. Der Mann ist bis zum Hals im Wasser. "Nimm die Strickleiter", ruft der Pilot. "Nein, danke, Gott wird ein Wunder tun und mich retten."

Wenig später ertrinkt er. Im Himmel beschwert er sich bei Gott: "Immer habe ich treu an Dich geglaubt. Warum hast Du mich nicht gerettet?" Gott guckt erstaunt: "Ich habe dir ein Feuerwehrauto, ein Boot und einen Hubschrauber geschickt. Worauf hast du gewartet?"

Es gibt dies wunderschöne Lied „Ubi caritas, deus ibi est“. Wo Barmherzigkeit und Fürsorge herrschen, da ist Gott, da ist Jesus. Und er kommt heute wenig spektakulär, sondern eher menschlich daher – z.B. als Rettungsmann von Feuerwehr oder THW.

Manchmal kommen Wunder heute in einem recht schlichten Gewand daher. „Das ist alles? Das ist schon ein Wunder?!“, fragt Sven. „Nun, das ist nicht wenig“, antworte ich.

In einer Münsteraner Kirche hängt ein altes Kruzifix. Im Krieg ist es schwer beschädigt worden. Der Querbalken mit den Armen Jesu ist zerstört. Unter dem Kreuz hängt heute ein Schild: Christus hat keine Hände, nur deine Hände, um seine Arbeit heute zu tun.

Unser Landesbischof Ralf Meister hat in einem Lexikon für junge Menschen geschrieben

„Viele Jahrhunderte lang glaubte die Kirche, die Wunder Jesu seien tatsächlich so geschehen … Heute hat man erkannt, dass Wunder symbolische Erzählungen … sind.

(T.Gundlach, R.Meister, Glauben – ein Lexikon für Jugendliche, Gütersloh, 2001, S.233)

„Und was heißt das nun wieder?“, fragt Sven. „Die Wundererzählungen sind Zeichen für ein Verhalten, das die übliche, die gewohnte Wirklichkeit verändern kann. Dabei geht es nicht um eine Zaubernummer Jesu, sondern um uns, dass wir seine Arbeit heute tun sollen, dass wir in seinem Sinn, in seinem Geist aktiv werden sollen.“

Wenn Wundererzählungen Zeichen-Erzählungen sind, die uns etwas klar machen wollen, dann hat diese Erzählung von der Heilung des Gelähmten Botschaften für uns!

Der Gelähmte hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass seine Situation anders werden kann. Das ist wunderbar!

 Und er wird aktiv, indem er seine Freunde anspricht. Das ist wunderbar!

Er hat Freunde, die nicht nur zuhören und schlau reden, sie teilen seine Hoffnung und sie packen an – im Wortsinn. Und sie finden ungewöhnliche Wege. Das ist wunderbar!

Damals galten Krankheiten als Strafe Gottes für begangene Sünden. Jesus löst diesen fürchterlich falschen Zusammenhang auf! Ein Kranker braucht Beistand und Hilfe, keine Strafpredigt! Das ist wunderbar!

Der kath. Priester Wilhelm Willms hat das sehr eindrücklich auf den Punkt gebracht:

W.Willms, Wussten Sie schon
Wussten Sie schon,
dass die Nähe eines Menschen
gesund machen, … lebendig machen kann?
Wussten Sie schon,
dass die Nähe eines Menschen gut machen, … und froh machen kann?
Wussten Sie schon, … dass das Kommen eines Menschen
wieder leben lässt?
Wussten Sie schon,
dass die Stimme eines Menschen
einen anderen Menschen wieder aufhorchen lässt,
der für alles taub war?
Wussten Sie schon,
dass das Wort oder das Tun eines Menschen
wieder sehend machen kann
einen, der für alles blind war,
der nichts mehr sah,
der keinen Sinn mehr sah in dieser Welt
und in seinem Leben?
Wussten Sie schon,
dass das Zeithaben für einen Menschen
mehr ist als Geld,
mehr als Medikamente,
unter Umständen mehr als eine geniale Operation?
Wussten Sie schon,
dass das Anhören eines Menschen
Wunder wirkt, …
Wussten Sie schon,
dass Tun mehr ist als Reden?
Wussten sie das alles schon?


„Also, Herr Gräbig, Sie meinen also, dass ich für meine Schwester …“ „Ja, Sven, das wäre ein Anfang. Ob es ein Wunder ist, weiß ich nicht. Ob deine Schwester gesund, weiß ich auch nicht. Aber sie wird es wunderbar finden, wenn du dich um sie kümmerst. Und Jesus Christus auch.“