395_5nach6_13.09.24_In Ängsten … 7 Ps 16
Behüte mich, Gott!
Denn bei dir suche ich Zuflucht.
2Ich sprach zum Herrn: »Du bist mein Herr!
Du allein bist mein ganzes Glück.«
…
5Der Herr ist mein Erbteil
und bestimmt mein Schicksal.
Du bist es, der mein Los festgelegt hat.
6Mein Los fiel auf ein schönes Land.
Ja, ein solches Erbteil gefällt mir gut.
7Ich preise den Herrn, der mich beraten hat.
Selbst in den Nächten denke ich darüber nach.
8Der Herr steht mir immer vor Augen.
Mit ihm an meiner Seite falle ich nicht.
9Darum ist mein Herz so fröhlich
und meine Seele jubelt vor Freude.
Auch für meinen Leib ist gesorgt.
10Denn du gibst mich nicht dem Totenreich preis.
Du lässt mich das Grab noch nicht sehen.
Ich gehöre doch zu denen, die dir dienen.
11Du zeigst mir den Weg zum Leben.
Große Freude finde ich in deiner Gegenwart
und Glück an deiner Seite für immer.
BasisBibel, © 2021 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
Mit ihm an meiner Seite falle ich nicht (Ps 16, 8b) … Psalmen sind erfahrungsgesättigte Glaubenslieder gewesen und sind es bis heute. Sie nehmen Lebenserfahrungen auf, betrachten sie im Lichte des Glaubens und verlängern sie in die Zukunft. So werden die Psalmen auch zu Hoffnungsliedern.
Mit ihm an meiner Seite falle ich nicht …Offensichtlich erinnert sich der Psalmbeter an bedrohliche und belastende Situation, in denen es eben nicht zum Fallen, zum Absturz, zur Katastrophe gekommen ist. Er sieht darin weder sich selbst, noch Glück oder Schicksal am Werk, sondern Gott, der ihm zur Seite gestanden hat. Und er hofft, dass das auch in Zukunft so sein wird.
Mit ihm an meiner Seite falle ich nicht …Und wenn doch? Wenn ich doch falle? Hat Gott dann versagt? Gibt es ihn womöglich gar nicht? Und wenn doch: Lehnt er mich gar ab und will überhaupt nicht mehr als Bewahrer an meiner Seite stehen? Oder ist mein Fallen etwa eine Strafe für mein Fehlverhalten, meinen mangelnden Glauben?
Vor einer ganzen Reihe von Jahren hat es in einem kirchlichen Kinder- und Jugendheim in unserem Landkreis gebrannt. Die ganz große Katastrophe blieb – Gott sei Dank (?!) – aus. Dennoch war der Schaden beträchtlich. Und so gab es natürlich einen großen Artikel in unserer Tageszeitung. Darin war – sinngemäß - folgender Gedanke zu lesen: Selbst die Tatsache, dass es sich um ein kirchlich geführtes Heim handelt, konnte die Bewohner/innen und Mitarbeitenden nicht davor bewahren, dass es zu einem Feuer mit beträchtlichem Schaden kam.
Hm. Was ist das denn für eine Vorstellung von christlichem Glauben? Ist der Glaube eine Art Schutzhaut? In der Nibelungensage badete der Held Siegfried in Drachenblut und war seitdem – bis auf eine kleine Stelle – unverwundbar. Ist Glauben so eine Schutzhaut, durch die nichts Schlimmes durchdringen kann?
Das ist doch eine sehr magische und lebensfremde Vorstellung von Glauben.
Dass es bei jenem Feuer nicht zur großen Katastrophe kam, hatte wahrscheinlich eine Reihe von Gründen. Die Bewohner/innen hatten das richtige Verhalten im Brandfall trainiert. Die notwendigen Feuerschutzeinrichtungen – Feuerlöscher, gekennzeichnete Fluchtwege – waren vorhanden. Die Feuerwehr war rechtzeitig alarmiert worden und konnte die notwendigen Maßnahmen in die Wege leiten, um Schlimmeres zu verhindern. Und für die Behebung der Schäden kam die Feuerversicherung auf.
Szenenwechsel.
Die Schriftstellerin Magaret Fishback Powers erzählt: Eines Nachts hatte ich einen Traum. Ich ging am Meer entlang mit Gott. Vor dem dunklen Nachthimmel erstrahlten Bilder aus meinem Leben. Und jedes Mal sah ich zwei Fußspuren im Sand, meine eigene und die Gottes.
Als das letzte Bild an meinen Augen vorübergezogen war, blickte ich zurück. Ich erschrak, als ich entdeckte, dass an vielen Stellen meines Weges nur eine Spur zu sehen war. Und das waren gerade die schwersten Zeiten meines Lebens.
Besorgt fragte ich Gott: "Gott, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein. Aber jetzt entdecke ich, dass in den schwersten Zeiten meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist. Warum hast du mich allein gelassen, als ich dich am meisten brauchte?"
Da antwortete er: "Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten. Dort, wo du nur eine Spur gesehen hast - da habe ich dich getragen."
Zurück zum Brand im Kinderheim. Gott ist nicht der große Zampano, der allen Schaden, alles Schlimme von mir fernhält. Aber – er ist dabei, wenn ich in Not und Bedrängnis bin. Ich kann in schwierigen, schlimmen Situationen mutterseelenallein, von allen guten Geistern verlassen sein, kann sein, dass keine Menschenseele beisteht - aber ich bin nicht gottverlassen.
Gott hat es in dem Kinderheim nicht auf das gebrochene Kabel regnen lassen, das damals vermutlich den Brand ausgelöst hat. Aber vielleicht hat er der Person beigestanden, die den Brand entdeckt, Ruhe bewahrt und Alarm geschlagen hat. Vielleicht ermutigte er damals – und heute – Menschen, sich bei der Feuerwehr zu engagieren, zu lernen, wie man anderen Menschen in Not hilft und dabei seine eigenen Ängste beherrscht.
Ich kann schon fallen – aber ich bin dabei nicht allein.
Und was ist mit meinem letzten großen Fall, meinem Tod?
„Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand.“ So beginnt ein Lied von Arno Pötzsch. Er hat es 1941 mitten im Zweiten Weltkrieg gedichtet. Damals war er als Pfarrer und Seelsorger in Holland stationiert. Dort hat er viele zum Tode verurteilte Soldaten auf ihrem letzten Weg begleitet. Er war an ihrer Seite, hat ihnen die Hand gereicht und sie mit Worten getröstet. Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand. Pötzsch war an vorderster Front. Er hat lebhaft vor Augen, was ein tiefer Fall bedeutet. Er hat all das grausame Elend des Zweiten Weltkriegs gesehen. Bis hin zum Tiefpunkt des Todes. In dieses Leid hinein strahlen seine Worte: Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand.
(Passionsandacht: Du kannst nicht tiefer fallen | Pastoralblätter (herder.de)
https://www.herder.de/pb/hefte/archiv/2020/4-2020/passionsandacht-du-kannst-nicht-tiefer-fallen/
Dieses Lied finden wir unter der Nr. 533 in unserem Gesangbuch.
533:1 Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand,
die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt.
533:2 Es münden alle Pfade durch Schicksal, Schuld und Tod
doch ein in Gottes Gnade trotz aller unsrer Not.
533:3 Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit
und werden in ihm leben und sein in Ewigkeit.
In unserem Psalm heißt es in Vers 11: Du zeigst mir den Weg zum Leben. Große Freude finde ich in deiner Gegenwart und Glück an deiner Seite für immer.
Und für immer heißt für immer, auch über meinen Tod hinaus in einem anderen Leben, einem anderen Sein bei und mit Gott.
Der polnische Schriftsteller Stanisław Jerzy Lec hat Recht mit seinem Vorschlag für das Ende einer Todesanzeige: Er ist nicht tot. Er hat nur seine Lebensweise geändert.
Dieses Gottvertrauen kann eine Quelle für Resilienz sein. So nennen Psychologen die Widerstandsfähigkeiten gegen Belastungen bzw. die Fähigkeit, damit umzugehen.
Gebet
(nach: Theophil Tobler, Psalmen-Gebete 2006 https://christliche-gebete.ch/psalm-16-1-du-beschenkst-mich-mein-glueck/
Gott, Dir habe ich mich anvertraut
mit allem, was ich bin und habe.
Du bist mein Herr und mein Gott.
Es gibt für mich kein Glück außer dir.
Ich freue mich mit allen,
die aus dem Reichtum deiner Gnade leben.
…
Du wendest mir alles zum Guten –
mit oder ohne Millionen.
Du beschenkst mich mit einem herrlichen Erbe.
Tag und Nacht leuchtet mir dein Licht.
Dich habe ich allezeit vor Augen.
In Jesus Christus bist du mir ganz nahe gekommen.
Ich freue mich über seiner Zusage: „Ich bin bei euch!“
Sein Beistand lässt mich sicher wohnen.
Nun wanke ich nicht.
Du hast mir Herz und Leben froh gemacht.
Bei dir bin ich geborgen,
auch wenn ich sterbe,
denn du lässt mich nicht im Tod.
Du hast mich auf den Weg
des ewigen Lebens gerufen. Ich bin dein.
…