349 5nach6 07.07.23_Pfingsten 4 Ps 139
Die Pfingsterzählung scheint recht weit weg von uns. Und das nicht nur wegen des unerklärlichen Brausens, der Feuerzungen über den Köpfen der Jünger. Und von einer Verständigung über alle Grenzen hinweg entfernen wir uns ja auch immer mehr.
Nein, weit weg scheint die Pfingsterzählung auch wegen des letzten Verses. Der lautet so: Viele nahmen die Botschaft an, die Petrus verkündet hatte, und ließen sich taufen. An diesem Tag gewann die Gemeinde ungefähr 3000 Menschen hinzu (Apg 2, 41).
Die Ev. Zeitung (07.03.23) titelt: Zahl evangelischer Kirchenmitglieder sinkt erneut stark. Und sie berichtet weiter: Die Zahl der Austritte hat im vergangenen Jahr einen Rekordwert erreicht. Die EKD-Ratsvorsitzende bezeichnet die Entwicklung als „bedrückend“.
Ja, das kann man mit Fug und Recht so sagen! Da ist von der pfingstlichen Aufbruchsstimmung nicht mehr viel zu spüren.
Wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover mitteilte, waren 2022 rund 19,1 Millionen Deutsche evangelisch, das ist ein Anteil von 22,7 Prozent an der Bevölkerung. Das waren rund 575.000 weniger Menschen als noch im Jahr zuvor.
Grund für die starken Verluste sind der EKD zufolge vor allem Kirchenaustritte und Sterbefälle. In diesem Jahr übertraf die Zahl der Kirchenaustritte erstmals die Zahl der Sterbefälle. 380.000 Menschen traten aus der Kirche aus, 100.000 … mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Sterbefälle blieb ... ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres.
Die evangelische Kirche will dem hohen Mitgliederverlust entgegentreten. Dazu sollen kirchliche Angebote angepasst, Strukturen überarbeitet und junge Menschen für den Glauben gewonnen werden. (EZ, 7.3.23)
Der … frühere EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm erklärte …: „Wir schauen nicht weg, sondern stellen uns der Realität – auch wenn es schmerzt.“ Während früher viele Menschen aus Tradition, Konvention oder gar aus Zwang Mitglied der Kirche waren, „sind sie es heute allein aus Freiheit“. Deswegen seien die heutigen Kirchenmitgliedszahlen „auch ehrlicher als früher“.
Laut einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD … spielt die „Kosten-Nutzen-Abwägung“ eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, aus der Kirche auszutreten. Einige Landeskirchen konnten im vergangenen Jahr auch einen Zusammenhang mit den gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten beobachten. (Zahl evangelischer Kirchenmitglieder sinkt erneut stark | Evangelische Zeitung (evangelische-zeitung.de)
Die „Kosten-Nutzen-Abwägung“ spielt also eine Rolle. Lohnt sich die Investition „Kirchensteuer“ mit Blick auf die „Ware“, die ich dafür bekomme?
Als ob Kirche Teil der Wirtschaft wäre. Und dann muss also das Angebot, die „Ware“ an die Nachfrage angepasst werden. Oder braucht es eine andere Verpackung? Eine andere Kommunikation, eine andere Werbung?
All diese Überlegungen haben natürlich ihre Berechtigung.
Nur – wir dürfen aus unserem Angebot keine Ware wie jede andere machen. Unser Angebot ist einzigartig. Bei aller notwendigen Veränderung muss der Kern, der Charakter erhalten bleiben, das Evangelium ist eben keine Ware wie jede andere. Ändern wir einfach das Marketing, machen wir aus dem Evangelium u.U. eine Mogelpackung.
Was ist denn der Kern? Petrus sagt es in der Pfingsterzählung so:
37Mit seinen Worten traf Petrus die Zuhörermitten ins Herz. Sie fragten ihn und die anderen Apostel: »Ihr Brüder, was sollen wir tun?«38Petrus antwortete: »Ändert euer Leben! Lasst euch alle taufen im Namen von Jesus Christus. Dann wird Gott euch eure Schuld vergeben und euch den Heiligen Geist schenken.39Diese Zusage gilt für euch und eure Kinder. Und sie gilt für alle in den fernen Ländern – so viele der Herr, unser Gott, noch zum Glauben an Jesus hinzurufen wird. «Mit diesen und noch vielen weiteren Worten beschwor Petrus die Leute und ermahnte sie: »Lasst euch retten! Wendet euch ab von dieser ungerechten Generation!« (Apg 2,37-40)
Wendet euch ab von dieser ungerechten Generation … Wendet euch ab von dieser Generation, die nicht nach dem guten Willen Gottes für uns alle lebt. Klingt ein wenig nach „Letzter Generation“, oder? Sind die vielleicht doch nicht nur im Unrecht?
Nun, in jedem Fall machen wir zzt. eine Erfahrung, die Jesus bereits vorausgesehen hat
3Jesus sagte zu den Menschen: »Hört mir zu!
Ein Bauer ging aufs Feld, um zu säen.4Während er die Körner auswarf, fiel ein Teil davon auf den Weg. Da kamen die Vögel und pickten sie auf.
5Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde gab. Die Körner gingen schnell auf, weil sie nicht tief im Boden lagen.6Aber als die Sonne hoch stand, wurden die Pflanzen verbrannt. Sie vertrockneten, weil sie keine tiefen Wurzeln hatten.
7Ein weiterer Teil fiel zwischen die Disteln. Die Disteln schossen hoch und erstickten die junge Saat. Deshalb brachten sie keinen Ertrag.
8Aber ein anderer Teil fiel auf guten Boden. Die Körner gingen auf, wuchsen heran und brachten Ertrag: manche dreißigfach, andere sechzigfach, andere sogar hundertfach.«9Und Jesus sagte: »Wer Ohren zum Hören hat, soll gut zuhören.« (Mk 4, 3-9)
Als Jesus mit seinen Worten bei den Jüngern auf Unverständnis stößt, wird er deutlicher:
13Und Jesus sagte zu seinen Jüngern: »Wenn ihr dieses Gleichnis schon nicht versteht, wie wollt ihr dann all die anderen Gleichnisse verstehen?
14Der Bauer sät das Wort Gottes aus.15Ein Teil davon fällt auf den Weg. Er steht für die Menschen, die das Wort hören, wenn es gesät wird. Aber sofort kommt der Satan und nimmt das Wort wieder weg, das in sie hineingesät wurde.
Naja, Satan … Wer oder was ist es, das das Wort Gottes löscht?
Erst einmal bezweifele ich, dass das Wort Gottes gehört wird in all dem Getöse um uns herum und dann eben auch in unseren Köpfen. Die Kirche ist mittlerweile eine Stimme unter vielen.
Und wenn es gehört wird – wird es auch verstanden? Die Verständlichkeit von Predigten, Bibeltexten, Kirchenliedern, das ist – trotz aller Bemühungen - schon ein Problem.
16Ein anderer Teil fällt auf felsigen Boden. Er steht für die Menschen, die das Wort hören und es sofort mit Freude annehmen.17Aber es schlägt keine Wurzeln in ihnen, weil sie ihre Meinung schnell wieder ändern. Wenn ihnen das Wort Schwierigkeiten oder Verfolgung bringt, lassen sie sich sofort davon abbringen.
Das Wort Gottes fällt auf Felsen, wo es keine Wurzeln schlagen kann … Ein gutes Bild, finde ich. Der Boden ist nicht bereitet, nicht aufnahmefähig. Der christliche Kern von Feiertagen und Festen im Lebenslauf spielt eine immer geringere Rolle. Geschenke, Festtagstrubel und die Möglichkeit, arbeitsfreie Zeit zu gestalten, überlagern diesen Kern.
Auch die Vertrautheit mit biblischen Erzählungen nimmt ab. Religionsunterricht in den Schulen fällt immer öfter aus. Kirchengemeinden sehen sich nicht in der Lage, einen Kindergottesdienst anzubieten.
Kirche lebt davon, dass Menschen nicht nur kommen und da sind. Sie sollen auch mitmachen, sich einbringen, damit Gemeinde lebendig wird. Das kostet manchmal nicht nur Überwindung, das kostet auch Zeit – und Zeit ist in unseren Tagen ein knappes Gut.
Knapp ist in Zeiten wie diesen auch das Geld, nicht für alle, aber für viele. Und Kirchensteuern machen immerhin 9% der Lohn- bzw. Einkommenssteuer aus.
Dass Christen verfolgt werden, davon kann zumindest bei uns nicht die Rede sein. Aber während man früher schon mal erklären musste, warum man aus der Kirche austritt, muss man heute eher erklären, warum nicht austritt oder sich womöglich noch in der Kirche engagiert.
Jesus spricht außerdem davon, dass das Wort Gottes Schwierigkeiten bereitet. Kann das sein? Es geht doch um ein Evangelium, eine frohe Botschaft! Schon, aber die frohe Botschaft ist nicht unbedingt eine bequeme Botschaft.
Sich zu fragen, ob man auf dem richtigen Weg ist oder vielleicht besser umkehren sollte, das kann ganz schön unbequem sein. Sich für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, das ist schlichtweg anstrengend und man macht sich damit nicht überall und unbedingt Freunde.
Jesus fährt fort: 18Noch ein anderer Teil fällt zwischen die Disteln. Er steht für die Menschen, die das Wort zunächst hören.19Aber dann kommen die Alltagssorgen, der Reiz des Geldes oder die Gier nach irgendetwas anderem. Sie ersticken das Wort, und es bringt keinen Ertrag.
Dem ist, denke ich, an Klarheit und Wahrheit nichts hinzuzufügen.
Jesus schließt – trotz allem – hoffnungsvoll. Denn die folgenden Worte sind ja auch wahr: 20Aber ein Teil wird auch auf guten Boden gesät. Er steht für die Menschen, die das Wort hören und aufnehmen. Bei ihnen bringt es viel Ertrag: Manche Pflanzen bringen dreißig, andere sechzig, andere sogar hundert Körner.« Mk 4, 13-20
Für den Landwirt ist es vergleichsweise einfach, den Ertrag zu messen und zu bewerten. Markus spricht von den Körnern, Landwirte von heute eher von Tonnen oder Dezitonnen und vor allem von den Preisen, die sie für ihre Ernte erzielen können.
Aber was ist der Ertrag des Wortes Gottes?