Freitags 5nach6 - Erntedank

09. Oktober 2025

444 5nach6_10.10.25_Erntedank          Ps 104

Quelle: Das Wochenblatt der Kath. Kirche im Pastoralraum der Pfarrgemeinden Bad Gandersheim, Seesen und Wohldenberg Nr. 36 /2025 Zitate kursiv

Manchmal sind es nur ein paar Krümel auf dem Küchentisch oder ein Sonnenstrahl durch die Wolken. Aber wenn ich lerne, am Morgen kurz innezuhalten, entdecke ich Erstaunliches: Es gibt immer etwas, das wirklich gut ist – manchmal klein, manchmal groß. Es gibt Gründe zum Glücklichsein, die mich tragen. Es gibt viele Anlässe zum Danken, die mein Herz weit machen. Erntedank heißt wohl nicht: einmal im Jahr einen traditionellen Feiertag zu begehen, weil er im Kalender steht. Ich glaube, es heißt, täglich neu den Blick zu schärfen, damit wir das Gute nicht übersehen, das längst da ist. Vielleicht ist das die Einladung des kommenden Sonntags: Einen neuen Blick einzuüben. Unsere deutsche „Jammerbrille“ abzusetzen und gegen eine wahrhaft katholische „Dankbarkeitsbrille“ einzutauschen.

Ich leihe mir heute auch Worte aus dem Gemeindebrief von Pfr. Lampe (Wohldenberg):

Erntedank bietet viele Bilder – aber irgendwie drehen sie sich immer wieder um denselben uralten Kreis: „Dankbarkeit für die Gaben“, „Fleiß der Bauern“, „Früchte der Erde“… - Was man halt so kennt. Das ist alles richtig, aber auch schnell auserzählt. Ich meine: Erntedank ist kein Feiertag für den einen Sonntag mit den schmucken Körben vor dem Altar. Erntedank ist eine Haltung. Eine, die nicht erst einsetzt, wenn alles perfekt geerntet, sortiert und aufgereiht, sondern mitten im alltäglichen Leben gegenwärtig ist. Nicht jeder meiner Tage bringt große Erntekörbe.

Und dennoch.

Paul und Jozef, unsere beiden Enkel aus Heilbronn, wachsen zweisprachig auf. Als sie kürzlich längere Zeit bei uns waren, sagte unsere Schwiegertochter oft zu beiden „prosim“ und „dakujem“ – und sie sollten es auch sagen. Es zeigte sich, dass die Mama das Gleiche tat wie der Papa. Der versuchte es mit „Wie heißt das Zauberwort?“ und „Was sagt man?“. Sie brachten den beide bei, „bitte“ und „danke“ zu sagen.

Darum soll es heute gehen. Meistens legen wir zum Erntedankfest den Schwerpunkt auf die Ernte, also das, wofür wir dankbar sind. Die mit Früchten von Feld und Garten ge-schmückten Altäre zeigen es. Ich möchte heute mehr auf das Danken an sich schauen.

Auch den Verfassern der Texte in unserer Bibel war das Danken wichtig! Die Konkor-danz, das Wörterverzeichnis für die Bibel zeigt für Wörter aus dem Feld „danken“ mehr als 130 Bibelstellen an!

In dieser Tradition sieht sich auch Jesus:

Im Lukasevangelium (17, 11-19) wird von der Heilung der zehn Aussätzigen erzählt. Jesus begegnet auf seiner Reise zehn aussätzigen Männern, von denen nur einer, ein Samariter, nach der Heilung zurückkehrt, um Gott zu loben und Jesus zu danken. Jesus wundert sich, dass nur dieser eine Fremde umkehrt und spricht zu ihm die Worte: „Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet“.

Wer nicht dankbar ist, landet leicht in der maßlosen Raffgier und letztlich in der materiellen und existenziellen Leere. Als die Juden auf ihrer Flucht aus Ägypten jenes Manna finden, das sie vor dem Hunger bewahrt, erleben die, die über den täglichen Bedarf hinaus sammeln, eine böse Überraschung. Das gierig und undankbar zusammengeraffte verdirbt. Und im Märchen geht es der Frau des Fischers, die immer mehr haben und sein will, ähnlich. Zuletzt ist ihr alles unter den Händen zerronnen.

Dankbarkeit ist heilsam. Wer dankt, weiß um die Unmöglichkeit, alles allein schaffen zu können. Er erlebt, dass er auf die Zuwendung anderer angewiesen ist und dankbar darauf hoffen darf. Das bewahrt auch vor heilloser Selbstüberforderung.

Dankbarkeit ist heilsam. Dankbarkeit. Sie bewahrt auch vor der Überforderung des anderen, der Quelle der Zuwendung. Unsere Gärtner/innen und Landwirte/innen wissen das. Ihre Dankbarkeit zeigt sich u.a. auch darin, dass sie dem Boden, der Landschaft, der Umgebung, die ihnen eine gute Ernte beschert hat, einiges an Pflege und Dünger zurückgibt. So wird der Boden nicht ausgezehrt.

Von daher ist die letzte Strophe des Liedes „Danke für diesen guten Morgen“ (EG 334) von einer tiefen Weisheit.

Danke, dein Heil kennt keine Schranken / Danke, ich halt mich fest daran /
Danke, ach Herr, ich will dir danken / Dass ich danken kann

Dankbarkeit ist heilsam. Der Westdeutsche Rundfunk hat dazu recherchiert und schreibt auf seiner Homepage:

Weltweite Krisen, schlechte Nachrichten oder stressige Alltagsroutine - wenn das "Draußen" immer lauter wird, fällt es manchmal schwer, in sich hineinzuhorchen und das Gute in den Vordergrund treten zu lassen ...  

Laut einer Harvard-Studie, …, könne Dankbarkeit Menschen sogar helfen, länger zu leben. "Unsere Studie legt nahe, dass Dankbarkeit die Lebenserwartung älterer Menschen erhöhen kann", erklärte Ying Chen, Wissenschaftlerin am Institut für Epidemiologie.

Dankbarkeit wirke wie ein Vergrößerungsglas, schreibt auch der Psychologe Philip Watkins … Wer häufiger dankbar ist, konzentriert sich demnach automatisch stärker auf das Positive im eigenen Leben. Das Glas erscheint mit Dankbarkeit eher halbvoll als halbleer - und das macht zufrieden. (Internetquelle: Tag der Dankbarkeit: Selbstfürsorge gratis - Nachrichten - WDR)

Vielleicht hat man deshalb – abseits der religiösen Hintergründe – den 21. September als „Welttag der Dankbarkeit ausgerufen.

Es begann angeblich bei der Dinner-Party eines führenden UN-Abgeordneten auf Hawaii am 21. September 1965. Auf dieser wurden die internationalen Gäste dazu aufgefordert, einen Tag des Jahres dafür zu nutzen, um ihre Dankbarkeit für die schönen Dinge dieser Welt zu zeigen. In der Folge griffen viele der anwesenden Gäste diesen Gedanken auf und feierten in ihren Heimatländern am 21. September 1966 den ersten World Gratitude Day. Offiziell wurde dieser dann allerdings erst im Jahr 1977, als die Meditationsgruppe der Vereinten Nationen ihn offiziell feierte.

Die Botschaft war und bleibt, dass der World Gratitude Day dafür genutzt werden solle, jemandem zu danken, der sich im Sinne der UN-Charta für den Geist der weltweiten Gemeinschaft eingesetzt hat. Aber die Anstifter/innen wiesen darauf hin, dass dies auch auf … privater Ebene verstanden werden soll. Kurzum: Dieser Aktionstag erinnert uns daran, dass man seinen Mitmenschen – egal ob Einzelnen oder Gruppen – zeigen soll, wofür man dankbar ist. (Internetquelle: Welttag der Dankbarkeit - World Gratitude Day - 21. September)

Zurück zu Jozef und Paul, unseren Enkeln, denen die Eltern in zwei Sprachen „nahebringen, „bitte“ und vor allem „danke“ zu sagen.

Das ist und bleibt richtig. Dennoch kann es sein, dass Dankbarkeit aus einem herausbricht, ohne dass man darauf gedrillt wird. Da geht es um Dankbarkeit als Lebensgefühl, das sich auf unterschiedliche Weise und ganz spontan äußern kann.

Eine sehr alte, weise Frau verließ ihr Haus nie, ohne vorher eine Handvoll Bohnen einzustecken. Sie tat dies nicht, um unterwegs die Bohnen zu kauen. Sie nahm die Bohnen mit, um die schönen Momente des Lebens zählen zu können. Für jede Kleinigkeit, die sie tagsüber erlebte – zum Beispiel einen fröhlichen Schwatz auf der Straße, ein köstlich duftendes Brot, einen Moment der Stille, das Lachen eines Menschen, …, einen schattigen Platz in der Mittagshitze, das Zwitschern eines Vogels – für alles, was die Sinne und das Herz erfreut, ließ sie eine Bohne von der rechten in die linke Jackentasche wandern. Manchmal waren es auch zwei oder drei Bohnen, die auf einmal den Platz wechselten. Abends saß die weise Frau zu Hause und zählte die Glücksbohnen aus der linken Jackentasche. ... So führte sie sich vor Augen, wie viel Schönes ihr an diesem Tag widerfahren war, und freute sich darüber. Sogar an den Abenden, an denen sie nur eine einzige Bohne zählte, war jeder Tag für sie ein glücklicher Tag – es hatte sich gelohnt, ihn zu leben. (https:netzfrauen.org/2015/01/19/die-gluecksbohnen-geschichte-zum-nachahmen/)

Dankbarkeit als Lebensgefühl, das sich auf unterschiedliche Weise und ganz spontan äußern kann, habe ich vorhin gesagt …

Pfr. Lampe rät: Stelle dir jeden Morgen diese drei Fragen: Was ist gut in meinem Leben? Worüber kann ich glücklich sein? Wofür sollte ich dankbar sein? Der amerikanische Schriftsteller Henry Thoreau hat diesen Gedanken geprägt. Er klingt fast so, als hätte er ihn direkt für das Erntedankfest erfunden – nur, dass er ihn nicht für einen Tag im Jahr meinte, sondern für jeden Morgen

Als wir noch in Mechtshausen wohnten, hatten wir eine liebenswerte Nachbarin, die unseren Jungs wie eine gute Tante zugetan war. An einem Nikolaustag hatten unsere beiden morgens natürlich gefüllte Gummistiefel vorgefunden. Ja, ja, die normalen Schuhe sollten es nicht sein. „Die Gummistiefel sind doch viel größer, Papa!“, hatte es geheißen.

Die Nachbarin hatte es sich nicht nehmen lassen, am Nachmittag zwei ebenfalls gut gefüllte Tüten vor die Haustür zu stellen, zu klingeln und aus einem Versteck heraus zu beobachten, was passieren würde.

Da schon der bisherige Tag ganz im Zeichen des Nikolaus gestanden hatte, stürzte unser Großer zur Tür – und fand völlig unerwartet die Tüten für sich und seinen kleinen Bruder. „Na, als ich eben den Müll rausgebracht habe, standen die aber noch nicht da. Der Nikolaus muss gerade eben noch einmal dagewesen sein“, sagte ich. In der Hoffnung, den Nikolaus vielleicht doch noch zu sehen, rannte der Große auf den Hof hinaus und rief lauthals in die heraufziehende Dämmerung „Danke, lieber Nikolaus!“

Und unsere Nachbarin schwankte zwischen Lachen und Rührung.

Das meinte ich, als ich sagte: Dankbarkeit ist – neben aller Höflichkeit - ein Lebensgefühl, das spontan aus einem herausbricht.

Ich glaube, Dankbarkeit heißt, täglich neu den Blick zu schärfen, damit wir das Gute nicht übersehen, das längst da ist. Vielleicht ist das die Einladung von Erntedank: Einen neuen Blick einzuüben. Unsere deutsche „Jammerbrille“ abzusetzen und gegen eine wahrhaft christliche „Dankbarkeitsbrille“ einzutauschen. Denn wir sind gesegnet, reich gesegnet! Segen, ein Empfinden des Gesegnet-Seins ist Grund für Dankbarkeit, danken zu können, ist ein Segen.

                                                                                                                   

Gebet: Danket, danket dem Herrn,

denn Er ist sehr freundlich,

Seine Güt‘ und Wahrheit 

währet ewiglich.

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St. Johannis Königsdahlum